Meinem Kollegen geht es beim Wochenenddienst im November 2011 miserabel. Starke Schmerzen, vor allem im Schulterbereich. Dann bricht Laszlo Ruppert an der Treppe zur Redaktion in der Schultesstraße zusammen. In der Woche darauf, es ist der 30. November, erfährt der Fotograf von Schweinfurter Tagblatt und Volkszeitung den erschütternden Grund: Prostata-Krebs, Metastasen schon überall im Körper, keine Chance mehr auf Heilung. Sein letztes Foto, das der Kollege "im Dienst" macht, ist der fürs Weihnachtsfest geschmückte Baum im Stadtteil Zürch.
Entgegen der ärztlichen Prognosen erleben Laszlo Ruppert und seine langjährige Lebensgefährtin Heidi Engeland noch "vier gute Jahre, wir haben jede frohe Stunde genossen", sagt sie heute zurückblickend. 2016 also die Wende: sich steigernde Schmerzen, Chemotherapie mit all ihren Begleiterscheinungen, dann noch ein Magendurchbruch. Im Sommer 2016 verschlechtert sich Laszlos Zustand so sehr, dass er einem Aufenthalt in der Palliativstation des Krankenhauses Sankt Josef jetzt doch zustimmt. Seine Partnerin hatte ihm schon länger dazu geraten.
14 Tage Ende Oktober/Anfang November, dann weitere zwei Monate bis eine Woche vor seinem Tod am 24. Februar 2017 ist Laszlo dort "sehr gut aufgehoben und zufrieden". So hat er das mal zum Autor und zu seinem Freund Werner Enke gesagt. Die beiden haben Laszlo in den vielen Palliativ-Wochen nahezu täglich besucht. Warum sie das gemacht haben, erklärt die kurz erzählte Vorgeschichte.
Laszlo transportiert regelmäßig Hilfsgüter in die alte Heimat
Laszlo stammt aus der rumänischen Stadt Arad, gehört dort der ungarischen Minderheit an. Wegen des deutschstämmigen Vaters ist eine Ausreise gegen Zahlung einer Prämie möglich. 1983 kommt die Familie Ruppert in Deutschland an. Laszlo selbst findet 1987 als Fotograf eine Anstellung bei der Zeitung. In Kenntnis der Lage in der alten Heimat sammelt er jahrelang auf Flohmärkten und mit Sondererlaubnis im städtischen Recyclinghof ein, was andere nicht mehr benötigen oder weggeworfen haben. Elektrogeräte und vieles Nützliche mehr transportiert er regelmäßig ins Arad-Gebiet und in den Osten Siebenbürgens, wo die ungarischen Szekler bis heute kein leichtes Leben führen.
Für Juli 2016 ist der letzte Hilfstransport geplant. Den kann Laszlo nicht mehr machen. Der Journalistenkollege und Autor erfüllt ihm den außergewöhnlichen Wunsch. Sein Freund Werner ist spontaner Mitfahrer. Abfahrt Ende September 2016. Der große Anhänger ist voll beladen mit Fahrrädern, Kühlschränken, Elektrogeräten. Laszlo, da noch zuhause, fährt im übertragenen Sinn jeden der fast 3000 Kilometer mit. Als die beiden Rumänienfahrer im ungarischen Szeged an der Grenze nach Rumänien nicht mehr weiter wissen, ruft er per Telefon Freunde zu Hilfe. Laszlo konferiert mit "seinem Team" regelmäßig auch via Skype. Er führt Regie, er lebt diese über einwöchige Tour mit, die er so gerne noch selbst bestritten hätte. Dieses Abenteuer, vor allem aber die immense Dankbarkeit von Laszlo nach der Rückkehr, lassen uns den Beschluss zu den regelmäßigen Besuchen in der Palliativstation fassen.
Laszlo fühlt sich in der Palliativstation gut aufgehoben
Laszlo war von einem Aufenthalt lange Zeit nicht zu überzeugen. "Weil man zum Sterben rein geht." So begründete er das. Seine Meinung ändert sich rasch, weil ihm von Anfang alles, was ihm in der Palliativstation ab Oktober 2016 widerfährt, "sofort hilft", erinnert die Lebensgefährtin. Er hatte einige Krankenhaus-Aufenthalte hinter sich, lobt deshalb immer wieder auch gegenüber "seinen" Rumänienfahrern die "angenehme Atmosphäre" in der Palliativstation. "Die haben mich stabilisiert", sagte er einmal.
Laszlo fühlt sich gut aufgehoben: "Es ist alles beruhigend hier, du fühlst dich nie alleingelassen." Seine Partnerin kann kommen, wann sie will, auch die Rumänienfahrer werden nie als störend empfunden. Im Gegenteil. Augen, Ohren und Trost gibt es für alle, "das Gespräch der Schwestern und Pfleger richtet sich auch an die Angehörigen", erinnert sich Laszlos Partner nur positiv an die vielen Wochen in der Station.
Die beiden Freunde sitzen links und rechts am Bett von Laszlo, der in den vielen Stunden über sein Leben, mitunter über die vielen Erlebnisse als Fotograf, oft über die Verhältnisse in Rumänien, das Schikanieren der ungarisch- und deutsch-stämmigen Volksgruppen unter dem Unrechtsregime Ceausescus erzählt. Laszlo berichtet von der Ausreise, vom Ankommen in Deutschland. Er weiß um seine unheilbare, fortschreitende Erkrankung, aber er fühlt sich in der Palliativstation wohl. Oft hat er das auch gesagt. Die Ärztinnen, Pfleger, Schwestern bauen eine Beziehung zu den Patienten auf, als Besucher erlebt man das hautnah. Sie sind "freundlich empathisch", beschreibt das seine Partnerin.
Einige Male treten die Schmerzen bei Laszlo ganz plötzlich so stark auf, dass der Besucher mitleidet. Auf Knopfdruck ist aber immer und sofort eine Schwester da, und hilft – mit Tat, aber vor allem auch beruhigenden, wohltuenden Worten.
Laszlo nutzte gerne die begleitenden Angebote
Laszlo Ruppert nutzt und liebt die begleitenden Angebote, etwa die Musik- und die Tiertherapie. Die Töne der Klangschalen, das Streicheln des Schäferhundes, das sei für ihn, der selbst mal einen Hund hatte, entspannend, beruhigend, zitiert Heidi ihren langjährigen Lebenspartner. Die Ruhe, die das Haus ausstrahlt, die gegenseitige Aufmerksamkeit, all das hat auch die beiden Rumänienfahrer beeindruckt. Die vielen Stunden mit Laszlo in der Palliativstation, "das hat auch mir persönlich sehr viel gebracht", sagt Werner Enke im Rückblick.
Natürlich wurde auch gelacht. Oft sogar, trotz der Umstände. Aber Laszlo war Zeit seines Lebens ja nicht nur hilfsbereit, sondern selbst ein fröhlicher Mensch. Er behielt seinen Humor, wenn der auch manches Mal arg schwarz war. Im Januar 2017, da kann er das Bett schon nicht mehr verlassen, liefert er ein solches Beispiel ab. Er wünsche sich nochmals auf zwei Beinen zu stehen, "dann würde ich mit dir tanzen", sagt er zur Lebenspartnerin.
Heidi Engeland hat ihren Laszlo auf seinen letzten Metern genauso liebevoll begleitet, wie das auch seine Söhne Richard und Raimund getan haben, "in denen ich weiterlebe", wie Laszlo kurz vor seinem Tod sagte. Dem Palliativ-Team des Krankenhauses sind sie alle bis heute dankbar, dass Laszlo etwas länger als eigentlich erlaubt bleiben konnte. Dankbar für den humanen Umgang mit einem Sterbenden. Und auch, dass ihm ein solch außergewöhnlicher Wunsch erfüllt wurde: eine Zigarre rauchen.
Dieses kleine, leicht verrückte Ritual haben die langjährigen Partner immer am Jahresende oder im Urlaub zelebriert. Laszlo wünscht es sich nochmal. Im Zimmer ist das nicht möglich. Aber im Hof. Ein Team der Station transportiert ihn dorthin, seine Partnerin, Familienmitglieder sind dabei. Bei Eiseskälte und Schnee sitzt Laszlo in seinem Bett, verabschiedet sich von allen, genießt diese letzte Zigarre, wenn man so will, die letzten Züge.