
Der alljährliche Gottesdienst für Motorradfahrer in St. Michael zieht zum Saisonbeginn die Biker, ein gutes Drittel sind Frauen, an, wie ein Magnet: Für gut fünf Stunden war am gestrigen Sonntag das Musikerviertel einschließlich Volksfestplatz von den heißen Öfen aus einem Umkreis von mindestens 250 Kilometer dicht besetzt. Das Erstaunliche zuerst: Auch nach 27 Jahren ist diese Art, Biker religiös anzusprechen und zu motivieren, keinem Alterungsprozess ausgesetzt. Die bereits Erfahrenen begeistern in jeder Saison die nachwachsende Generation. So gab es in diesem Jahr eine besonders starke Gruppe von Ersteinsteigern. Die Nachhaltigkeit, die vom Team in der Gemeinde mit Pfarrer Roland Breitenbach und Diakon Stefan Philipps in zahllosen Kontakten das ganze Jahr hindurch gepflegt wird, ist in Bikerkreisen längst zum Markenzeichen für eine moderne Seelsorge geworden.
Zur Zeit der ersten Versuche, einen eigenen Gottesdienst für Biker anzubieten, waren die noch als Halbstarke oder Rocker verschrien. Stellvertretend stand 1979 die Schweinfurter Gruppe „Wodan“, die mutig ihre Clubfahne mit dem Zeichen des uralten Germanengottes segnen ließ. Damit war der Bann gebrochen. Heute sind die Motorradfahrer eine etablierte, für die Wirtschaft bedeutungsvolle Gruppe, in nicht wenigen christlichen Gemeinden weiterhin Außenseiter: „Lebensfreude und Freiheit, das ist nicht gerade das, was die Kirchen heute predigen“, sagt dazu Pfarrer Roland Breitenbach.
Jahreszeichen und Motto zugleich war in diesem 28. Jahr des Motorradgottesdienstes ein türkisfarbenes Baumwollband „einander verbunden“. Die Teilnehmenden knüpften es sich während des Gottesdienstes mit einem Gebet oder einem guten Wunsch gegenseitig um das rechte Armgelenk: „Für ein Jahr sollte es schon halten“, meinte dazu Diakon Philipps, „und damit Hoffnung, Zuversicht, Solidarität ausdrücken. Dann muss die Verbindung wieder überprüft werden.“
Diese Thematik durchzog den ganzen Gottesdienst vom gemeinsamen Psalm, der Dialogpredigt zwischen Pfarrer und Diakon, den Fürbitten bis zum Jahressong, den Roland Breitenbach eigens für diesen Gottesdienst geschrieben hatte: „Einer hat uns die Liebe gelehrt.“ Manuela Götz hatte den Song komponiert und mit ihrer eindrucksvollen Stimme interpretiert: Starker Szenenbeifall war ihr gewiss. Die Pfarrband Funtasy, die für die musikalische Seite verantwortlich war, begeisterte die Tausenden in der Kirche, dem Innenhof und auf dem Parkplatz.
Besonders eindrucksvoll wie in jedem Jahr das Totengedenken: Angesichts zahlreicher flackernder Kerzen wurden in die atemlose Stille die Namen derer gerufen, die im vergangenen Jahr tödlich verunglückten. Zugleich als mahnende Erinnerung gedacht, das Leben nicht durch riskantes Fahrverhalten zu gefährden.
Ein besonderes Schauspiel für die Anwohner an der Bundesstraße B 19 ist jedes Mal die viele Kilometer lange Prozession der chromblitzenden Motorräder mit eingeschaltetem Licht, die ab Würzburg wieder von der Kradgruppe der Polizei angeführt und den Notfalleinsatzkräften des BRK, der Johanniter und Arbeitersamariter begleitet wurde. Nach den Schätzungen der Polizei kamen mindestens 6000 Biker nach Schweinfurt. Über 1500 allein aus Würzburg.
Ein großes Team der Gemeinde, meist selber Biker, war für die „Erstversorgung“ der weit Angereisten mit Kaffee, Kuchen und belegten Broten und die notwendige Hintergrundorganisation zuständig.
Geduldig warteten die Motorradfahrer auf ihren herausgeputzten Maschinen auf die Segnung und ein persönliches Wort an den fünf Ausfallstraßen. Gegen zwei Uhr am Nachmittag war im Musikerviertel wieder Ruhe eingekehrt. Am 28. Oktober beim Schlussgottesdienst heißt es dann: Danke für die Saison.
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