Eines ist deutlich geworden während des Festaktes zum 50-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft Mamers-Gerolzhofen: Die im Jahr 1972 besiegelte Freundschaft zwischen Franzosen und Deutschen in beiden Städten war in dieser Zeit alles andere als selbstverständlich. Dies kam am Samstagnachmittag quasi in allen Redebeiträgen zur Sprache. Zudem wurde vielfach betont, dass die Städtepartnerschaft einer von vielen Bausteinen ist, die dazu beitragen, dass Europas Völker weitgehend in Frieden zusammenleben. Der aktuelle Krieg in der Ukraine unterstreicht auf grausame Weise: Dieser Gedanke hat an seiner Bedeutung bis heute an nichts verloren.
Gerolzhofens Bürgermeister Thorsten Wozniak sprach eingangs der Veranstaltung im Spitalgarten von Weitsicht, den die Gründerinnen und Gründer der Städtepartnerschaft bewiesen hätten. Wobei, so mutmaßte er, von den seinerzeit Verantwortlichen wohl nur wenige zu träumen gewagt hätten, "dass diese Partnerschaft zu so einer langen und andauernden Freundschaft wird".
Freunde stehen in Freude und Trauer zusammen
Im Rückblick auf die vergangenen 50 Jahre sprach Gerolzhofens Bürgermeister von einer facettenreichen Zeit. Kalter Krieg, die deutsche Wiedervereinigung, Terroranschläge, Fußballweltmeisterschaften und ein zusammenwachsendes Europa – die Menschen in Mamers und Gerolzhofen hätten während dieser Zeit immer gewusst: In frohen wie in schweren Stunden sind 900 Kilometer entfernt Freunde, "die an uns denken", wie es Wozniak formulierte.
Im Jahr 1972, ein Vierteljahrhundert nach Kriegsende, hätten Franzosen und Deutsche noch vielfach das Grauen des Zweiten Weltkriegs im Kopf gehabt. Doch Menschen wie diejenigen, die die Städtepartnerschaft Mamers-Gerolzhofen gegründet haben, hätten laut Wozniak Europa verändert. "Sie sorgten dafür, dass Vorurteile und die Bilder des Weltkriegs aus den Köpfen verschwanden." Sie hätten sich aktiv daran beteiligt, dass Europa zusammenwächst. Dies sei ihre Leistung gewesen, und dafür hätten sie sich einen Platz in den Geschichtsbüchern verdient, meinte Gerolzhofens Stadtoberhaupt.
Städtepartnerschaft erwartet eine "schöne Zukunft"
Sein Amtskollege aus Mamers, Bürgermeister Frédéric Beauchef, nannte 50 Jahre "ein schönes Alter", nicht nur weil er selbst so alt sei. Denn es zeige sich, dass die Städtepartnerschaft nicht nur eine Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch eine schöne Zukunft vor sich habe.
Die Kraft der Freundschaft zwischen Mamers und Gerolzhofen bezeichnete Beauchef als "stark und hart". Sie sei es nicht deshalb, weil sie zwei Städte wie mit einem Band aus Metall aneinander schmiedet. Es seien vielmehr die Menschen und deren Herzen und Seelen, die die Verbindung so unzertrennlich machten.
Der Mamerser Bürgermeister zollte allen, die einem friedlichen Europa den Weg bereitet haben, seinen Respekt. Denn der Krieg in der Ukraine beweise es, dass Krieg jederzeit wieder möglich sei. Doch die Völker Europas, so lautete Beauchefs Wunsch, haben eine gemeinsame Zukunft vor sich. "Sie sind dank ihrer Unterschiede reich." Europa müsse eine Vereinigung freier Völker bleiben.
Frankreich und Deutschland bilden das Herz Europas
Auch Anja Hümpfner, die Gerolzhöfer Präsidentin des Partnerschaftskomitees, zielte in ihrer Rede auf die Verantwortung der Menschen, die Städtepartnerschaft am Leben zu erhalten. In Bezug auf die deutsch-französische Freundschaft zitierte sie eine Abiturientin, die sie als Lehrerin hatte. Diese hatte neulich während der Französisch-Prüfung gesagt: Wenn das Herz nicht arbeitet, arbeitet der Körper nicht. Auf die Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich umgemünzt meinte Hümpfner, dass das deutsch-französische Tandem Europa als Körper erst den lebensnotwendigen Herzschlag verleihe.
Für die Städtepartnerschaft bedeute dies ferner, weiter junge Menschen davon zu überzeugen, die Freundschaft zwischen beiden Städten nicht nur in Urkunden und Dokumenten abzubilden. "Die Freundschaft muss in vielen Herzen schlagen", wünschte sich Hümpfner.
Ihr Pendant auf Mamerser Seite, Jacky Vrammout, bezeichnete die Jugendlichen ebenfalls als die Zukunft der Städtepartnerschaft. Deshalb sei es so wichtig, den Austausch über die Schulen und die Sportvereine in Mamers und Gerolzhofen fortbestehen zu lassen.
Deutsche und Franzosen blickten wie kaum zwei andere Völker auf eine Geschichte mit gemeinsamen Wurzeln zurück, sagte Bezirksrätin Gerlinde Martin und bezog sich dabei Kaiser Karl den Großen. Dennoch hätten sich beide Länder über viele Jahrhunderte hinweg schwergetan, einander die Hände zu reichen. Mamers und Gerolzhofen könnten als "Musterbeispiel" dafür gelten, wie dieser Schritt gut gelang.
Folge von drei verheerenden Kriegen
Um die Tragweite dieser Annäherung beider Länder deutlich zu machen, erinnerte Martin die Anwesenden daran, dass die heute lebenden Generationen – bis auf Ausnahme weniger sehr alter Menschen – glücklich sein könnten, dass sie seit gut 150 Jahren die ersten Menschen in Frankreich und Deutschland sind, die nicht in einen Krieg gegeneinander ziehen mussten. Beginnend mit dem Krieg 1870/71 und den beiden folgenden Weltkriegen gab es in kurzer Folge drei verheerende Kriege zwischen den Nachbarvölkern.
Als stellvertretender Landrat bezeichnete Thomas Vizl die Gründung der Städtepartnerschaft im Jahr 1972 als einen damals "mutigen Schritt junger Menschen". Ihr lobenswertes Ziel sei es von Anfang an gewesen, Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen und den Frieden in Europa zu festigen. Bis heute käme Deutschland und Frankreich hier eine herausragende Rolle zu.
Wie während der alle fünf Jahre stattfindenden Jubiläumsfeierlichkeiten üblich, unterzeichneten die amtierenden Bürgermeister beider Städte sowie die Präsidenten der Partnerschaftskomitees in Anlehnung an den Gründungsakt im Jahr 1972 erneut Urkunden, die die Städtepartnerschaft neu besiegeln. Ebenso obligatorisch war der Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Gerolzhofen.
Wettbewerb kreiert neues Logo
Etwas Außergewöhnliches war dagegen die Präsentation eines neuen Logos für das Gerolzhöfer Partnerschaftskomitee. Als dessen Präsidentin stellte Hümpfner die Ergebnisse eines Gestaltungswettbewerbs vor, an dem sich Schülerinnen und Schüler des Gerolzhöfer Gymnasiums beteiligt hatten.
Vier Vorschläge waren eingegangen und es sei ihnen schwergefallen, sich für einen Sieger-Entwurf zu entscheiden, gestand Hümpfner, weil alle Arbeiten so gut gewesen seien. Doch letztlich wurde die Arbeit von Elena Walter mit dem ersten Preis prämiert. Ihr Logo-Entwurf, der künftig vom Partnerschaftskomitee beispielsweise auf dessen offiziellen Briefpapier verwendet wird, zeigt in einem Kreis, in dem die Namen Mamers und Gerolzhofen stehen, die deutsche und die französische Flaggen. Diese bilden zusammen die Form eines Herzes, in dessen Mitte das französische Wort für Freundschaft (Amitié) steht.