Das Rotkehlchen kennt jedes Kind, das Braunkehlchen aber die wenigsten, obwohl es einst zu den heimischen und weit verbreiteten Vogelarten auch in der Region gehörte. Doch mittlerweile belegt der kleine Vogel einen der traurigen Spitzenplätze auf der berüchtigten Roten Liste der aussterbenden Tierarten in Bayern.
Was ist passiert: In den letzten Jahrzehnten hat sich der Lebensraum des Wiesenbrüters dramatisch verändert. Grund ist die intensive landwirtschaftliche Nutzung des Grünlands mit Düngung und dem Einsatz von Insektiziden und Herbiziden, mit häufiger und früher Mahd und damit verbunden dem Rückgang der pflanzlichen Artenvielfalt und der Reduktion des Nahrungsangebots (Insekten). Doch auch unser Freizeitverhalten mit der Umgestaltung früher Brutgebiete in Radwege und Golfanlagen und den vielen freilaufenden Hunden bedingten die gravierende Dezimierung der Braunkehlchen-Population.
Das soll sich nun wieder ändern und Vogelschützer stemmen sich aktuell mit gezielten Projekten diesem Artensterben entgegen. In Grafenrheinfeld läuft gerade ein Pilotversuch nach oberfränkischem Vorbild, den Udo Baake vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) in seiner Heimatgemeinde in Absprache mit der Gemeinde, Pächtern und der Unteren Naturschutzbehörde im Schweinfurter Landratsamt initiiert hat.
Brachstreifen angelegt
Die bereits in Oberfranken erfolgreich erprobte Naturschutzmaßnahme ist einfach, aber, wie Udo Baake hofft, auch in Grafenrheinfeld effektiv. Auf einem Areal in der Nähe vom Naturschutzgebiet Sauerstücksee – laut Baake nach dem Vogelschutzgebiet Garstadt wohl eine der bedeutendsten Vogelbrutstätten im ganzen Landkreis – wurden zwei Brachstreifen angelegt und dort 400 Bambusstäbe als Ansitzwarte installiert.
"Ganz unkompliziert", so Bürgermeister Christian Keller, wurde gemeinschaftlich am Naturschutz-Strang gezogen: Die ungemähten Grasstreifen bleiben eine Zeit naturbelassen und bieten so auch Insekten einen geeigneten Platz zum Überwintern; vereinzelte Mähmaßnahmen werden an das Brutverhalten der Braunkelchen angepasst. Die Ansitzwarte fungieren als sicherer „Pausenstopp“ auf dem Weg von Afrika in den Norden; sind aber auch, hofft Baake, gemeinsam mit den biodiversen Brachstreifen attraktiver Anreiz für eine Ansiedlung der seltenen Braunkehlchen und anderer Bodenbrüter in Grafenrheinfeld.
Ansiedelung von Weißstörchen könnte gefördert werden
Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen, die Brachstreifen sind noch nicht besonders hoch und die Mitte April bis Mitte Mai eintreffenden Braunkehlchen werden wohl erst mal die 400 Bambusstangen zum Singen und Jagen in Beschlag nehmen. Ob sie sich heuer schon ansiedeln, bleibt abzuwarten, doch spätestens im nächsten Jahr könnten sich erste Erfolge der Bestandsentwicklung abzeichnen, wenn sich das eine oder andere Vogelpaar dazu entschlossen hat, in Grafenrheinfeld sein Nest aufzuschlagen.
Udo Baake gibt sich da zuversichtlich und hat bereits ein weiteres Projekt im Auge. Seit im Maintal immer mehr Störche gesichtet werden, könnte am Sauerstücksee, so die Idee, die Ansiedlung von Weißstörchen durch die Errichtung einer meterhohen Nisthilfe, einem sogenannten Storchenhorst, gezielt gefördert und so eine weitere Steigerung der Biodiversität vor der eigenen Haustüre erzielt werden.