Das Buffet zum Schluss schenkt sich die Dame mit den kurzen grauen Haaren. „Ich habe Magenschmerzen. Wie damals“, sagt sie. Offenbar hat das Thema des Abends zu viele Erinnerungen aufgewühlt. Das Thema lautet 40 Jahre BA-BI, also 40 Jahre Widerstand in Stadt und Landkreis Schweinfurt gegen Atomkraft. Erst gegen den Bau des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld, dann gegen dessen Betrieb und den aller anderen AKW, dann gegen die Atommüllverladungen in Gochsheim, dann gegen das Zwischenlager, dann gegen den Ausstieg vom Ausstieg und schließlich dagegen, dass aus dem Zwischenlager ein Endlager wird.
Mit einem Festakt und der Eröffnung einer Ausstellung feiern die Aktivisten der ersten Stunde und die, die später dazukamen, nicht so sehr sich selbst, sondern vielmehr die Tatsache, dass man sich in all den Jahren nicht endgültig hat entmutigen lassen. Denn Rückschläge hat es genug gegeben. So beeindruckten etwa 36 000 Unterschriften gegen den Kernkraftwerksbau die Staatsregierung kein bisschen. So blieben alle Prozesse gegen das KKG ohne Erfolg. Und so gibt es heute nicht Wenige, die befürchten, dass die Abschaltung 2015 vielleicht doch nicht sicher ist.
In der Halle Altes Rathaus ist bis 25. November (täglich 10 bis 19 Uhr) die Ausstellung „Augenblick“ zu sehen, die die kompletten 40 Jahre dokumentiert – mit einer unübersehbaren Fülle von Dokumenten, Fotos, Zeitungsartikeln, Transparenten, Büchern oder Messwerttabellen. Auf fünf Bildschirmen laufen Filmbeiträge zum Thema. 68 Ordner liegen zum Blättern aus und 152 Bücher. 108 Quadratmeter Stellwand sind dicht bedeckt mit Eindrücken und Informationen. „Wir haben 2978 Stecknadeln verbraucht“, sagt Gaby Gehrold von Ausstellungsteam.
Beim Festakt zuvor in der Rathausdiele hat ein Podiumsgespräch mit drei Gründervätern die klassische Festrede ersetzt. BA-BI steht für „Bürgeraktion Umwelt- und Lebensschutz – Bürgerinitiative gegen Atomanlagen“. Streng genommen gibt es die BA-BI erst seit 1986, als sich die 1972 gegründete Bürgeraktion und die neue Bürgerinitiative vor dem Hintergrund der Katastrophe von Tschernobyl zusammenschlossen. Aber an diesem Abend geht es vor allem um die Anfänge einer der ältesten deutschen Anti-Atom-Bewegungen.
Christian Schäflein, stellvertretender BA-BI-Vorsitzender, moderiert, Fritz Roßteuscher, damals Bürgermeister von Schwebheim, Kurt Petzold, 1974 bis 1992 Schweinfurter OB, und Herbert Wiener, damals Juso-Vorsitzender, heute Stadtrat, berichten. Von der zunächst verhaltenen Resonanz in der Bevölkerung, von der – anfangs unterschätzen – Verflechtung von Politik und Atomindustrie.
Und von kuriosen Argumenten der Befürworter. Herbert Wiener liest genüsslich aus dem Tagblatt vor. Darin wurde ein Werner Strasser zitiert, damals Abteilungsleiter AKW-Bau der Bayernwerk AG: „Bei einem GAU ist bereits sieben Minuten nach Ende der Kettenreaktion die Radioaktivität abgeklungen und harmlos.“ Oder: „Wer gegen AKWs ist, müsste ohne Kühlschrank, TV, Licht und Staubsauger leben und sich statt an der Elektroheizung am offenen Kamin mit einem Kienspan wärmen.“
Fritz Roßteuscher berichtet von der aufgeheizten Atmosphäre während der ersten Großdemonstration 1975. Die endete im Innenhof des Schweinfurter Rathauses, der die 10 000 Teilnehmer gar nicht fassen konnte. „Ich hätte gerne gesehen, dass die Demo nach Rafeld gegangen wäre – aber das hätte was gegeben“, sagt er. Er ist damals dann nur mit seiner Frau und den vier Kindern zum AKW-Bauplatz gegangen und erlebte Dramatisches: „Ein Hubschrauber greift uns im Tiefflug an, und aus einer Baracke strömt ein Trupp Plastikritter. Was für ein Aufmarsch.“
Dass die Schweinfurter Anti-Atom-Bewegung immer parteiübergreifend war, darauf sind sie hier stolz. Dass es durchaus unterschiedliche Meinungen zum Vorgehen gab, auch das wird deutlich. Als Kurz Petzold den KKG-Mitarbeitern dankt und sagt, es sei ja glücklicherweise nie Schlimmes passiert, da grummelt es im Saal. „Und die 200 Störfälle?“, ruft jemand. Auch Begriffe wie „Gesundheitsschäden“ und „Missbildungen“ sind zu hören.
Immer wieder wird das Risiko thematisiert, dem die Betreiber die Bevölkerung aussetzen. Aber während Kurt Petzold heute nicht viel anders vorgehen würde, kommt Herbert Wiener zu einem anderen Schluss: „Ich wäre heute nicht mehr so zurückhaltend“, sagt er mit spürbarer Wut im Bauch. „Erst wenn die Verantwortlichen hinter Schloss und Riegel sind, bin ich einigermaßen zufrieden.“
„Schreiben Sie das, was der Herbert Wiener gesagt hat“, fordert die Dame mit den kurzen grauen Haaren und den Magenschmerzen später den Reporter auf. Und entschwindet nach dessen Zusage in die Nacht. Vielleicht mit ein bisschen weniger Magenschmerzen.
Ausstellungsprogramm: Die Autorin Esther Gonstalla, die zwischen Asse und Schacht Konrad aufgewachsen ist, hält am 20. November um 19 Uhr einen Vortrag zur Entsorgungsproblematik. Am 23. November, 19 Uhr, spricht Erich Waldherr, Energiereferent beim BN Schweinfurt, zum Thema Energiewende.
Für Gefahr
Verseuchung usw.
sowas will ich nicht feiern
aber Danke das immer noch Bürger sich gegen diese Politik zu wehr setzen,
aber das Ziel der Abschaltung ist mit der einer Meinung der Mehrheit noch nicht erreicht!
Danke an alle Wiederständler weider machen.