
Frieden und Freiheit: Schlagworte, die heute mehr denn je zählen. Vor genau 375 Jahren standen sie auch in den beiden Orten Sennfeld und Gochsheim an erster Stelle. Denn diese erstritten sich damals, nach Ende des Dreißigjährigen Krieges, ihre Rechte zurück, die sie als freie Reichsdörfer einst besessen hatten.
Seitdem feiern sie jedes Jahr am ersten Septemberwochenende gemeinsam mit der Kirchweih ihr Friedensfest. Das zählt mittlerweile zum Immateriellen Kulturerbe Bayerns und Deutschlands.
Natürlich wird es heuer wie jedes Jahr bei der "Kirm" in Sennfeld und der "Kärm" in Gochsheim wieder hoch hergehen: beim Aufstellen des Planbaums – in Sennfeld eine riesige Kiefer, in Gochsheim eine Fichte – , beim traditionellen Plantanz mit allen Ritualen, beim "Gänsdreckles Aushätschen" oder ganz einfach beim gemeinsamen Feiern und Tanzen.

Ein Freudenfest sollte es damals wie heute sein, weil zum einen der 30 Jahre andauernde Krieg von 1618 bis 1648 endlich zu Ende war. Er hatte so viel Leid über die Region gebracht, hatte die Dörfer zerstört und viele Menschen getötet oder vertrieben. Gefeiert werden sollte aber auch, weil die zwei Dörfer 1649, nach einem langen Rechtsstreit, wieder ihre Selbstverwaltung zurückbekamen und ihren protestantischen Glauben wieder ausüben durften.

Eine gemeinsame, lesenswerte Festschrift der beiden Nachbardörfer zum Jubiläum ihres Friedens- und Kirchweihfestes beleuchtet auf 94 Seiten die dahinter stehende Geschichte mit vielen Aspekten. Unter anderem Professorin Heidrun Alzheimer von der Universität Bamberg erinnert darin an die Reformation von 1517, die das Christentum gespalten hatte. Die Sennfelder und Gochsheimer Bevölkerung hatte sich schon sehr früh, nur 20 Jahre später, vom katholischen Glauben abgewandt und zum Luthertum bekannt.

Die beiden "Reichsdörfer" – nur wenige gab es, dafür mehr Reichsstädte – waren von alters her nur dem fränkischen König, dann dem Kaiser unterstellt, ohne die Zwischeninstanz eines Landesfürsten. Sie galten als "reichsunmittelbar". Dennoch ließ der Kaiser seine Rechte von Reichsvögten oder Schutzherren wahrnehmen.

Die Reichsdörfer konnten aber ihre Schutzherrschaft selbst wählen. Sie verwalteten sich auch selbst, wählten ihren Reichsschultheiß. Sie besaßen die niedere Gerichtsbarkeit, sie wählten sich Gerichtsmänner, die die Justiz bei geringeren Delikten des Alltags, bei Grenz- und Erbstreitigkeiten oder beim Überwachen von Verkäufen ausübten. Zudem konnten sie über ihre Jagd-, Weide- und Fischrechte bestimmen und ihren Pfarrer und Lehrer aussuchen.

Hinsichtlich des Grunds und Bodens waren die Sennfelder und Gochsheimer, wie die Bauern anderer Dörfer auch, aber gegenüber verschiedenen Lehensherren verpflichtet. Sie mussten an diese und an die Gemeinde unterschiedliche Abgaben und Dienste leisten.
In den Wirren des Dreißigjährigen Kriegs, in dem sich die Katholische Liga und die Protestantische Union vernichtende Schlachten lieferten, hatte der deutsche Kaiser Ferdinand II "seine" Dörfer Sennfeld und Gochsheim1634 dem Fürstbischof von Würzburg zu Lehen gegeben. Die Bewohner verloren mit dem Lehensbrief von 1635 ihre Reichsunmittelbarkeit, mussten dem Fürstbischof huldigen und ihrem – protestantischen – Glauben abschwören. Aber sie rebellierten, sie fügten sich nicht.

Im Westfälischen Frieden 1648, der das Ende des Dreißigjährigen Krieges besiegelte, standen Gochsheim und Sennfeld auf der Liste der Orte, die wieder in ihren früheren Zustand versetzt werden sollten. Aber der Würzburger Fürstbischof weigerte sich zunächst, auf seine landesherrliche Gewalt zu verzichten.
Erst als sich die Nachbardörfer Hilfe suchend an die evangelischen Reichsstände – die stimmberechtigten Personen und Institutionen im Reichstag – sowie an die Schweden wandten, verzichtete der Fürstbischof. Allerdings verlangte er eine Stange Geld dafür. Beide Dörfer konnten die Summe aber nicht aufbringen, weshalb sie gemindert, später gestundet und schließlich abgelöst wurde.
Am 14. August 1949 erhielten die Orte durch die Restitutionskommission ihre Rechte zurück. Mit einem Friedens- und Freudenfest drei Wochen später, am ersten Sonntag im September, feierten sie ihre wiedergewonnene politische Freiheit und die freie Religionsausübung. Das Fest wurde dann mit dem Kirchweihtag zusammengelegt.
Seit 375 Jahren gibt es nun den Plantanz rund um den Planbaum, jedes Jahr aufs Neue am ersten Septemberwochenende, nur unterbrochen durch Krieg oder Krankheit, wie zuletzt die Corona-Pandemie.