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Gerolzhofen
30 Jahre Fußgängerzone in der Spitalstraße in Gerolzhofen
Ende 1989 beschloss der Gerolzhöfer Stadtrat einstimmig, die Spitalstraße weitestgehend verkehrsfrei zu machen. 30 Jahre später gibt es nun Ideen, die Gasse aufzuwerten.
Vor Jahrzehnten lief der damals noch recht spärliche Fernverkehr quer durch die Gerolzhöfer Altstadt. Am Alten Rathaus war es für Fußgänger besonders eng.
Foto: Sammlung Klaus Vogt | Vor Jahrzehnten lief der damals noch recht spärliche Fernverkehr quer durch die Gerolzhöfer Altstadt. Am Alten Rathaus war es für Fußgänger besonders eng.
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 09.12.2019 02:11 Uhr

Vor genau 30 Jahren traf der Stadtrat von Gerolzhofen eine wegweisende Entscheidung: Die viel befahrene Spitalstraße wird zur Fußgängerzone. Im Frühjahr 1990 wurde der Beschluss dann umgesetzt und der Kraftverkehr bis auf wenige Ausnahmeregelungen aus der Gasse verbannt. Viel getan hat sich dort seitdem aber nicht mehr. 

Die erste und einzige Fußgängerzone Gerolzhofens in der Spitalstraße feiert Geburtstag. 
Foto: Klaus Vogt | Die erste und einzige Fußgängerzone Gerolzhofens in der Spitalstraße feiert Geburtstag. 

Aus heutiger Sicht ist es kaum noch vorstellbar, dass früher – besonders noch vor dem Bau der Schnellstraße B 286 – sich auch der Fernverkehr durch die Spitalstraße zwängte. Mit dem Bau der Schnellstraße entspannte sich die Lage deutlich. In den 1970er-Jahren wurde dann die Spitalstraße vom Süden her zur Sackgasse ausgeschildert, erlaubt war die Zufahrt nur noch für Anlieger. Durch den zunehmenden Verkehr war besonders die Engstelle zwischen Altes Rathaus und Parfümerie Köhler für die Fußgänger zu gefährlich geworden. Sie wurde deshalb geschlossen.

Am Montagabend, 27. November 1989, fiel im Stadtrat dann die einstimmige Entscheidung, die Spitalstraße komplett in eine Fußgängerzone umzuwandeln und nur noch Lieferverkehr zu bestimmten Zeiten zuzulassen. Gleichzeitig wurde beschlossen, das Umfeld am Gabelmannbrunnen am Straßeneingang aufzuwerten und in der Spitalstraße einige Bäume zu pflanzen. Die dabei entstandenen Kosten wurden nicht auf die Anlieger umgelegt.

Keine Umgestaltung

Von größeren baulichen Umgestaltungen sah das Gremium ab. Insbesondere konnte man sich nicht durchringen, zum Beispiel inbesondere vor den gastronomischen Betrieben die holprige und teils sehr schräge Straße umzubauen oder dort wenigsten Holz-Terrassen zu errichten, um hier zur Belebung des Straßenbildes eine Außenbewirtschaftung zu ermöglichen.   

Die Spitalstraße in der Adventszeit vor gut 30 Jahren. Es ging eng zu.
Foto: Sammlung Klaus Vogt | Die Spitalstraße in der Adventszeit vor gut 30 Jahren. Es ging eng zu.

Es hätte aber auch anders kommen können. Der damalige Bürgermeister Hartmut Bräuer  (SPD) stellte zu Beginn der Diskussion nämlich mehrere Finanzierungsmodelle für einen Umbau der Straße zur Auswahl vor. Zum einen hätte man die Spitalstraße in ein förmliches Sanierungsgebiet aufnehmen können, was zur Folge gehabt hätte, dass der Staat immerhin zwei Drittel der Umbaukosten übernommen hätte. Die Anwohner hätten dann allerdings eine so genannte "Ausgleichsabgabe" an den Freistaat zahlen müssen, die sich aus dem Wertvergleich der Anlieger-Immobilien vor und nach der Umgestaltung berechnet hätte. 

Nur die Minimallösung

Außerdem gab es die Möglichkeit, in einem vereinfachten Verfahren rund 50 Prozent der Baukosten auf die Anlieger umzulegen. Voraussetzung dazu wäre es gewesen, dass die Umgestaltung der Straße zu einer tatsächlichen Verbesserung geführt hätte, zum Beispiel durch eine neue Fahrbahndecke und durch Niveau-Angleichungen vor den verschiedenen Geschäften. 

Ein Bild aus den 1970- oder 1980er-Jahren: wildes Parken in der Spitalstraße.
Foto: Sammlung Klaus Vogt | Ein Bild aus den 1970- oder 1980er-Jahren: wildes Parken in der Spitalstraße.

Der Stadtrat konnte sich aber nicht dazu durchringen, die Anlieger zur Kasse zu bitten, sondern fuhr auf der Kostenseite nur eine Minimallösung. Dafür hatte sich zum Beispiel Stadtrat Simon Schicker (CSU) stark gemacht. Auch Jürgen Baumeister (Freie Wähler) forderte, die Umgestaltung solle sich nur auf das Nötigste beschränken. Und für die 25 wegfallenden Stellplätze in der Straße müsse die Stadt in absehbarer Zeit für Ersatz sorgen. 

Dietmar Kordowich, damals Stadtrat der Unabhängigen Bürgervereinigung (UBV) und zugleich Vorsitzender des Förderkreises, befürchtete, dass sich wegen des Parkplatzmangels der Käuferstrom in andere Straßenzüge verlagern könnte. Er forderte daher, den"oftmals leerstehenden VG-Parkplatz" besser an die Spitalstraße anzubinden und zugleich den Botanischen Garten und auch den Spitalgarten zu Parkplätzen umzubauen.

Befürchtungen der Geschäftsleute

Auch Gerhard Kraus (CSU) berichtete von "starken Befürchtungen der Geschäftsleute" wegen eines drohenden Umsatzrückgangs. Rudolf Forster (SPD) forderte, mehr zu tun, als nur ein paar Bäume zu pflanzen, um die Attraktivität der Straße wieder zu erhöhen. Er schlug vor, den historischen Pranger aufzustellen und die Info-Tafeln für die Vereine der Stadt zentral in der Spitalstraße zu postieren.

Ein Nebenaspekt in der Diskussion war auch die nächtliche Lärmbelästigung von Anliegern durch spät abfahrende Gäste der gastronomischen Betriebe in der Spitalstraße. Auf diese Belästigungen machte Wolfgang Lutz (CSU), damals selbst Anwohner in der Straße, aufmerksam und forderte umgehend eine Änderung der Sperrzeiten. Das Gremium vertagte dieses Thema allerdings. Man wollte erst die Auswirkungen des generellen Fahrverbots in der Straße abwarten.  

In den 1970er-Jahren war der Durchgangsverkehr in der Spitalstraße nicht mehr möglich. Sie wurde zur Sackgasse.
Foto: Sammlung Klaus Vogt | In den 1970er-Jahren war der Durchgangsverkehr in der Spitalstraße nicht mehr möglich. Sie wurde zur Sackgasse.

Und zum Ende der Diskussion meldete sich noch 2. Bürgermeister Paul Pfeuffer (CSU) zu Wort, um – wie es damals fast schon Tradition war – dem SPD-Bürgermeister noch eine kleine Spitze mitzugeben. Er vermisse für die Zukunft der Spitalstraße ein klares Konzept der Verwaltung, kritisierte Pfeuffer. Schuld daran seien die "mangelnden Führungsqualitäten" von Hartmut Bräuer. Der Bürgermeister ließ dies natürlich nicht auf sich sitzen und zweifelte seinerseits an der "nötigen Aufmerksamkeit" des direkt neben ihn sitzenden Pfeuffers.

Wieder für Verkehr freigeben?

In den vergangenen 30 Jahren hat sich seitdem wenig getan in der Fußgängerzone – außer, dass es jetzt mehr Leerstände gibt als zuvor. Dies liegt aber auch daran, dass einige kleinere Immobilien inzwischen arg in die Jahre gekommen und kaum noch verwertbar sind. Ab und zu flammte im Stadtrat die Idee auf, die Spitalstraße wieder für den Verkehr zu öffnen, um der Straße wieder mehr Leben einzuhauchen. Doch dies wurde nach jeweils kurzer Diskussion wieder zu den Akten gelegt.

Dabei soll es vorerst auch bleiben, sagt Bürgermeister Thorsten Wozniak. Der von der Stadt im Rahmen des Verkehrskonzepts beauftragte Experte hat nach einer entsprechenden Prüfung vor Ort von einer Öffnung der Spitalstraße abgeraten. Die Straße sei zu eng. Es gebe dadurch zu viele Gefahrenpunkte, etwa wenn Kunden direkt aus den Geschäften auf die Straße treten oder wenn Passanten aus der Brunnengasse kommend die Straße in Richtung Stadtbibliothek, Musikschule und Grabenschule kreuzen.

Optischer Gesamteindruck

Allerdings soll sich der optische Gesamteindruck der Straße in den kommenden Jahren verbessern. 30 Jahre, nachdem ein paar Baumscheiben angelegt wurden, will die Stadt wieder Geld in die Hand nehmen, um die Straße aufzuwerten. Man plant, das Projekt in 2020 gemeinsam mit der Marktplatz-Umgestaltung anzugreifen, teilt Bürgermeister Wozniak mit. "Wir wollen beides als Ganzes bespielen." 

Mit der Stoßstange bis ins Geschäft: Das war in den 1970er-Jahren in der Spitalstraße noch möglich.
Foto: Sammlung Klaus Vogt | Mit der Stoßstange bis ins Geschäft: Das war in den 1970er-Jahren in der Spitalstraße noch möglich.

Neben Marktplatz und Spitalstraße sollen auch noch der Hof der Verwaltungsgemeinschaft (VG) und der daneben liegende Garten (als zukünftiger Parkplatz) in das Paket aufgenommen werden. Der Hintergrund: Grundsätzlich gibt es keine staatliche Förderung für den Bau von Parkplätzen. Bei der geplanten Neugestaltung und Aufwertung des Marktplatzes wird es aber mutmaßlich alleine aus optischen Gründen zu einer Reduzierung der vorhandenen Parkplatzflächen kommen. "Da ist es dann zwingend wichtig, dass gleichzeitig naher Ersatz geschaffen wird", betont Wozniak. Marktplatzumgestaltung und Parkplätze hängen eng zusammen. So könnte es vielleicht möglich werden, in die Fördersumme für den Marktplatz auch die Kosten für den Neubau von Parkplätzen unterzubringen. 

Kostenermittlung im Jahr 2020

Für die Umgestaltung des Marktplatzes wird sich die Stadt externe Hilfe holen. Die Stadt wird aus drei Bewerbern ein Fachbüro auswählen, das dann 2020 unter Architekten einen Ideenwettbewerb ausschreiben und moderieren wird. Das Büro soll, wenn es den offiziellen Auftrag erhalten hat, auch abschätzen, mit welchen Kosten insgesamt zu rechnen sein wird. Dabei wird auch eine Aufwertung der Spitalstraße untersucht. "Dann stellt sich die Frage, was alles finanzierbar ist", so der Bürgermeister.

Wünschenswert, sowohl für den Marktplatz als auch für die Spitalstraße, wäre mehr Begrünung, sagt Thorsten Wozniak. Und die Schaffung von Aufenthaltszonen. Da dürfe man schon gespannt sein, was der Ideenwettbewerb bringe.

 
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