Rhythmisch knattert der V-förmige Faustkopf-Motor. Breitbeinig, mit wehender Mähne fährt ein einsamer Wolf, den Gabellenker in den nietenbehandschuhten Pranken, seine chromblitzende Maschine die Route 66 entlang Richtung Sonnenuntergang. Oder doch nicht? „Hör bloß auf mit dem Mythos Harley“ sagt Rolf Pinke, am Platz besser bekannt als „der Rolf“: Die Legende, Marke „Born to be Wild“ oder „Easy Rider“, hat man schon zu oft gehört.
Der Kronunger ist eine Art Pressesprecher des Harley Davidson Clubs der „Brothers in the Wind“. Der HDC, mit Heimathafen Stadtlauringen, hat an diesem Wochenende zum 26. Mal auf die grüne Wiese des Lauergrund eingeladen: Die überregionalen Biker-Treffen auf dem Jugendzeltplatz bei Oberlauringen haben längst eigenen Kultstatus, die ölduftenden Maschinen, die hier anknattern, sowieso. „Wir verkaufen einen Lebensstil – das Motorrad gibt es gratis dazu“, hieß es mal listig in der Marketing-Abteilung der über hundert Jahre alten, börsennotierten „Motor Company“ aus Milwaukee.
Schon der Zeltplatz der Gemeinde ist nicht so ganz billig, weiß Rolf. Die Freundschaften über den Lenker hinweg sind hingegen unbezahlbar. Den zwölf Clubmitgliedern, den „Members“, rund um den Präsidenten Klaus, geht es vor allem ums entspannte Beisammensein, um reichlich Spaß zwischen Festzelt und Lagerfeuer, mit Party-Mucke, gegenseitigem Motorrad-Bewundern und viel Fachsimpelei. Unter den Schwingen des Weißkopf-Seeadlers, der die Jacken der fränkischen Rocker ziert. Die nix mit Bandidos oder Hells Angels am Helm haben: „Wir sind ein Freizeit-Club, helfen uns technisch und machen Ausflüge.“
Auch wenn mancher Besucher wirkt, als würde er sich das Frühstücks-Dosenbierchen mit den Zähnen aufreißen: Die kernigen Kumpeltypen (der 1991 gegründete Club ist nach wie vor reine Männersache) und die Handvoll Ladys sind die Lockerheit in Person, für die Camper gibt es sogar Duschen und WC.
Auf 100 bis 150 Maschinen wird das Verkehrsaufkommen erst einmal geschätzt. Manch Rudel schwärmt bei herrlichem Sommerwetter über die hiesigen Highways aus: „Wir stehen mit Wasser nun mal auf Kriegsfuß“, meint Rolf zum Dauerglück mit dem Wetter.
Zwei Mitglieder von den „Crazy Trikes“, die sich hier früher getroffen haben, schauen mit „Dreirad“ vorbei, und natürlich Harleys aller Typen, von der Chopper bis zum klassischen Straßensofa. Teilweise mit Seitenwagen, Anhänger und/oder Gummihühnchen am Sternenbanner. Die halbe HD-Baugeschichte seit der Nachkriegszeit ist versammelt, viele Gebrauchte wurden ohnehin quasi neu zusammengeschraubt: Hier trifft sich nicht zuletzt ein emsiger Bastelverein.
Aber auch Nicht-Harleys werden von der Herde toleriert. Am Freitag waren Südtiroler da, aus Tramin am Kalterer See, bisher der Anreiserekord. Gesucht wird neben der längsten Anfahrt auch das schönste Bike, für das beste Tattoo gibt es eine Flasche Whiskey: aber dieser Wettbewerb ist eher was für den späteren Abend. „Mit Ärmelhochkrempeln ists da nicht getan“, sagt einer.
Zwei Holländer sind zum ersten Mal da: Hans und Pieter wohnen gleich hinter Aachen, der TÜV-Mitarbeiter und der Privatdetektiv haben sichtlich viel Spaß. Nebenan schwingt sich Ernie aus dem Sattel. „Es hat viel mit Idealismus zu tun“, sagt der gemütlich-kompakte Schwanfelder.
Auch wenn sein Stahlross bis zu 170 Sachen im Tank hat, gehe es nicht um Geschwindigkeit. Sondern ums Fahrgefühl: ums „Cruisen“, die tiefergelegte Straßenkreuzfahrt. Bodennäher sei man mit einer Harley schon: „Das merkt man im Kreisverkehr.“ Zum Glück gebe das Trittbrett bei Bodenkontakt schnell nach: „Oder schleift sich ab“, lacht Ernie unterm Schnauzbart. Die meisten Fahrer sind schon im gesetzteren Alter und sogar stolz darauf („Ich habe weiße Haare, keine grauen“ sagt Pieter aus den Niederlanden, in fast schon rheinländischem Deutsch). Der Kreis der Cruiser wird allerdings eher kleiner, heißt es. Viele Jungen, aber nicht nur die, setzen mittlerweile lieber auf PS- als auf Freiheitsrausch, und sich entsprechend auf die windschnittigen Modelle.
„Auf die Branche könnten in den nächsten 20 Jahre Probleme zukommen“, vermutet ein Coburger. Eine Zwischenkrise hat die Kultmarke bereits gemeistert. Die Harley-Gemeinde ist außerhalb Amerikas eher am Stagnieren, wohl auch wegen der Kosten für Einsteiger. Die Preisskala für neue Edelräder ginge rauf bis zu 30 000 Euro.
Bei den Brüdern im Wind scheint das Nachwuchs-Problem nicht akut: Mit Axl und Tom hat man zwei Biker Mitte, Ende Zwanzig im Club. Stolz setzt Member Tom seinen Sprössling Ben auf die Theke, im Rocker-Outfit: Bei ihm wären's nur noch 17 Jahre bis zum Führerschein. Bei der schwarzen Biker-Brille streikt Ben aber noch.