Stadtentwässerung klingt hausbacken. Der praktizierte Gewässer- und Grundwasserschutz ist jedoch nicht bieder und langweilig, sondern ein wichtiger Standortfaktor in der Infrastruktur einer Stadt und aktive Daseinsvorsorge. Die Redaktion dieser Zeitung hat sich von Michael Posser, Fachbereichsleiter für Planung, Bau und Betrieb des 250 Kilometer langen Kanalsystems in Schweinfurt, den Weg des Regentropfens und die Reise des Abwassers bis zum Oberndorfer Klärwerk und letztlich in den Main erklären lassen.
Die nach einer Neuordnung der Verwaltung Mitte der 1990er-Jahre entstandene Stadtentwässerung hat drei Fachbereiche: Klärwerk, Kanalnetz und das auf dem Gelände des Klärwerks untergebrachte Labor. Ohne die 12 000 Hausanschlüsse sind im Stadtgebiet 250 Kilometer Kanal (Die Strecke von Schweinfurt nach München) für Schmutz- und Regenwasser verlegt. Höhenunterschiede werden durch zehn Pumpwerke ausgeglichen, die bis zu 20 Meter tief in den Boden gebaut sind. Die teilweise begehbaren Abwasserrohre sind stets die tiefsten Installationen unter der Straßendecke – bis zu neun und zehn Meter unter der Asphaltdecke. Schlucken muss das Kanalsystem auch die Zuleitungen der an das städtische Klärwerk angeschlossenen Stadtrandgemeinden, darunter Schonungen, Sennfeld, Gochsheim, Dittelbrunn und Üchtelhausen.
Im Maintal sind die dicksten Rohre
Die größten Rohre mit einem Durchmesser von knapp drei Metern sind noch recht neu und im Industrie- und Gewerbepark Maintal verlegt, wo diese auch gleich als Regenüberlaufbecken dienen, in dem sich Dreck und Schlamm absetzt, ehe das Wasser nach dem Pumpwerk Maintal durch den Düker unter dem Main in Richtung Klärwerk gedrückt wird.
Im Gegensatz zum Trinkwassernetz kommt das Kanalnetz meist ohne Druck aus – allein das Gefälle besorgt den Transport. Und so halten die Rohre erstaunlich lange, oft weit länger als die Abschreibung (50 Jahre) läuft. 100 Jahre und mehr werden jedoch nur durch eine beständige Überwachung und rechtzeitige Sanierung erreicht.
Der Kanaltrupp
Zur Mannschaft von Michael Posser zählen zwei Meister sowie zwei Zeichnerinnen. Der überwiegende Teil der Planungsleistungen und die Bauausführung werden nach außen vergeben. Nicht im Büro, sondern vor Ort sind die sechs Mann des Kanaltrupps anzutreffen, die die Rohre jährlich spülen und die 6000 Schächte prüfen, die Verstopfungen beseitigen und bei Notfällen nachschauen und die die begehbaren Kanäle mit kleineren Sanierungsarbeiten in Schuss halten. Zu reinigen hat der Kanaltrupp regelmäßig auch die 20 Regenüberlaufwasserrückhaltebecken, die nach Regenfällen verschmutzt sind.
Im Büro werden Entwässerungsanträge bearbeitet und es wird vor allem geplant, koordiniert und überwacht. Neubauten, Erweiterungen und große Sanierungen müssen vorbereitet, ausgeschrieben und begleitet werden. Sicher zu stellen ist nach bundesweit einheitlichen Regelwerken, dass das Kanalnetz für kräftigen Regen wie er sich laut Statistik alle zwei bis fünf Jahre einstellt, ausreichend bemessen ist. Starkregen müssen und können die Kanäle nicht gänzlich schlucken. Sie wären sonst aufgrund der Größe „unbezahlbar“, sagt Posser.
Prüfungen im Labor
Außerdem sind mit dem Labor der Stadtentwässerung Abwässer von Industrie- und Gewerbebetrieben, von den 270 Gaststättenbetrieben und von Tankstellen bis hin zu Zahnarztpraxen (Amalgam) zu überwachen.
Deutlich mehr investiert als vorgeschrieben hat die Stadtentwässerung letztmals am Schelmsrasen, wo ein Regenspeicher mit besonders großen Rohren viel Wasser aufnehmen kann. Anlass für die 2,8 Millionen Euro teure Investition war, dass in wenigen Jahren hintereinander ein Jahrhundertregen fiel und manchen Anwohnern mehrfach die Keller vollgelaufen waren. Die Straße führt durch eine Senke. Das Regenwasser lief von allen Seiten zu und konnte aufgrund der bereits vollen Kanalisation nicht mehr abfließen.
Maßnahmen in 2018
Mit der Neuordnung der Bebauung in der früheren Ledward-Kaserne wird diese Gefahr weiter deutlich minimiert, weil künftig nicht mehr annähernd 100 Prozent der Fläche, sondern keine 50 Prozent mehr versiegelt sein werden und das Regenwasser vor Ort versickert.
Durch die Umgestaltung der ehemals von den Amerikanern genutzten Flächen konzentrieren sich die Bautätigkeiten der Stadtentwässerung in 2018 auf die Ledward-Kaserne, auf Yorktown Village (Siedlung an der Heeresstraße) und auf das Wohngebiet Askren Manor, wo im Westen entlang der Wern neu erschlossen wird. Ansonsten ist das Kanalnetz im Bereich der Siedlung am Kennedy-Ring erst vor wenigen Jahren von den Amerikanern saniert worden.
Sanierung der Hausanschlüsse
Neben den regelmäßigen Sanierungsarbeiten im Netz und für die Wartung der 55 Sonderbauwerke wandert jährlich eine sechsstellige Summe in die Sanierung der Hausanschlüsse. Finanziert werden muss die gesamte Abwasserentsorgung – vom Hausanschluss bis zur Einleitung in den Main – von den Grundstückseigentümern, wobei Schweinfurt seit Jahren unter den vergleichbaren deutschen Städten bei den Gebühren sehr günstig liegt. Diese werden regelmäßig neu berechnet, da man als städtischer Eigenbetrieb weder ein Plus noch ein Minus erwirtschaften darf.
Geprüft wird die Stadtentwässerung nicht nur von internen und externen Rechnungsprüfern und Umweltbehörden, sondern auch auf freiwilliger Basis im Rahmen von Benchmark-Vergleichen mit anderen Stadtentwässerungen. Zusätzlich ist die Stadtentwässerung als Umweltunternehmen TSM-zertifiziert
Geoinformationssystem
Bei der Planung von Erweiterungen und Sanierungen hilft heute eine Geoinformations(GIS)-Software, die neben den enthaltenen Sachdaten auch auf einen Blick zeigt, was wo unter der Straße verlegt ist. Dies vereinfacht die Koordination mit den Anbietern von Strom, Gas oder etwa Frischwasser und dient der Kanalauskunft für Architekten. Angezeigt werden auf dem Bildschirm dem Planer auch stets die neuesten Erkenntnisse der Kanalbefahrungen mit Kameras und Robotern. Kleinere Reparaturen werden dabei von den Robotern sofort erledigt. Bei größeren Schäden wird heute in der Regel ein Inliner eingezogen, der die Risse abdichtet. Das Aufreißen von Straßen wegen Schäden am Kanalnetz ist kaum noch nötig.
Und mit Blick auf den Computer sagt Michael Posser zum Abschied: „Sichere Ableitung von Regen und Schmutzwasser und aktiver Umweltschutz durch ein dichtes Kanalnetz sind unsere Aufgabe. Die Wirtschaftlichkeit bleibt bei allen Maßnahmen gewährleistet. Das von unseren Vorgängern in über hundert Jahren errichtete und betriebene Kanalnetz der Stadt Schweinfurt halten wir mit Hilfe modernster Technik und effizienter Sanierungsmethoden für eine möglichst lange Zeit in Schuss.“