
Selbst ihr eigener Name beziehungsweise der ihres Mannes Hartmut hat wohl mit Bier zu tun. Seine Vorfahren könnten Bierbrauer gewesen sein. Evamaria Bräuer zeichnete bei der Eröffnung der neu gestalteten Eiskeller unter der Östlichen Allee ein buntes Kaleidoskop rund um das Bier. Etwa 30 Eröffnungsgäste hörten interessiert zu.
Über 25 neu angelegte Betonstufen geht es hinunter ins ehemalige Reich der Gerolzhöfer Bierbrauer. Die erste der sechs neuen Schautafeln hängt schon im Treppenbereich. Es ist ein Katasterplan mit Gerolzhofens ehemaligen Braustätten, zwölf Stück an der Zahl plus dem kommunalen Brauhaus.
Viele diese Brauereien hatten ihren eigenen Biergarten. Unter den Brauern gab es manchmal Zank über den Ausschank, weil manche auch Essen ausreichten und zusätzlich verdienen wollten. Ergebnis war, dass die Gäste ihr Essen selbst in die Gärten mitbringen konnten.
Eis von den umliegenden Seen
1802 wurden die ersten Hohlräume unter der kleinen Anhöhe an der Östlichen Allee nahe dem damals noch stehenden Dingolshäuser Stadttor geschaffen. Die Anhöhe heißt im Volksmund Försters-, Urbans- oder Fleischmannsbergle. In harter Arbeit holten die Bierbrauer im Winter auf Leiterwagen Eisplatten von den umliegenden Seen. Durch Gitterroste ließen sie das Eis in das Gewölbe fallen.
Die Saison des Eisbrechens begann am 6. Dezember, dem Tag des Heiligen Nikolaus, Schutzpatron der Brauer. Das Eis kühlte das Bier bis in den frühen Sommer hinein. Dann begann die Sommerbierzeit, die bis Michaeli (29. September) dauerte. Dieser Tag war Brauer-Silvester, das heißt das alte Brauerjahr endete und das neue begann. Dann wurden die Eiskeller gereinigt und gelüftet.
Bier war nicht lange haltbar
Bierbrauen war damals, als es noch keinen Strom gab, eine harte Arbeit. Die Eiskeller gab es deshalb, weil dem Getränke keine lange Haltbarkeit beschieden war. Kühlen verlängerte die Frist etwas.
Gegen so genanntes „böses Bier“ halfen aber auch die Keller nicht. Das Wasser zum Brauen wurde oftmals aus dem Bach geholt, erklärte Bräuer. Darin tummelten sich manchmal Bakterien, die den Biertrinkern gehörig den Genuss vermasselten. Gegen Keime im Bier wurden Kreide, Eier oder Ochsengalle verwendet.
Beim Gang durch die 240 Meter langen, verzweigten Gewölbe mit ihren niedrigen Durchgängen sagte die Führerin auch einiges zur Bauweise. Die Keller sind in bergmännischem Stil aus Naturstein gemauert und doppelwandig. An mehreren Stellen sind kleine Stiche für potenzielle Erweiterungen angelegt. Die eigentlichen Eiskammern sind fünf bis sechs Meter hoch und reichen bis unter die Erdoberfläche.
Kälte auch von unten
Von hier strömte die durch die langsame Eisschmelze freigesetzte Kälte in die Gänge, wo die Fässer auf Holzbalken lagen. Das tat man, um die kalte Luft auch von unten an die Fässer zu lassen.
Auf einer weiteren Tafel sind Bier-Devotionalien zusammengefasst. Hier erklärte Evamaria Bräuer auch, woher das hierzulande viel genutzte Wort Seidle für eine Halbe Bier kommt: Es ist abgeleitet vom lateinischen Wort situla (der Eimer).
An andere Stelle werden Berufe gezeigt, die sich rund um die Bierproduktion entwickelt haben: der Büttner, der Fassbinder, der Küfer, der Böttcher und nicht zuletzt der Brauer. Sie alle gibt es bis heute als Familiennamen.
Eine Tropfsteinhöhle entsteht
Nichts mit dem Bier zu tun hat eine Stelle, wo Wasser langsam von außen in die unterirdische Gewölbewelt eindringt. Dort sind jetzt schon Versinterungen zu sehen. „In einer Million Jahre werden wir hier eine Tropfsteinhöhle haben“, machte Bräuer Hoffnung auf eine künftige touristische Attraktion in Gerolzhofen.
Die Bierkeller an der Allee wurden langsam überflüssig, nachdem Carl von Linde 1871 die Kältemaschine erfunden hatte, den Vorläufer des heutigen Kühlschranks. Im Zweiten Weltkrieg dienten die Keller noch als Luftschutzbunker für die Menschen in der östlichen Altstadt. Danach gerieten sie in Vergessenheit, waren mit Gerümpel angefüllt und dienten bestenfalls noch Kindern als abenteuerlicher Spielplatz.
Erst 1990 wurden im Zuge der Alleesanierung das Sandsteinhäuschen über dem Zugang errichtet und die Eiskeller wieder zugänglich gemacht.
Kulturforum trägt das Projekt
Vor Evamaria Bräuers vielbeklatschtem Vortrag erklärte Bürgermeister Thorsten Wozniak, viele Gerolzhöfer wüssten gar nicht, was da unter der Allee befindet. Er dankte dem Kulturforum Gerolzhofen als Projektträger für die neue Beschilderung. Sie geht auf die Initiative von Evamaria Bräuer im Jahr 2015 zurück.
Bei der Umsetzung haben auch Stadtarchivar Matthias Endriß und die beiden Museumsleiter Bertram Schulz und Klaus Vogt geholfen, ebenso wie Tourist-Info-Leiterin Beate Glotzmann und Stadtteilmanager Daniel Hausmann, der sich um die Zuschüsse aus dem Städtebauförderungsprogramm „Soziale Stadt“ kümmerte.
4764 Euro Kosten sind gedeckt
Aus diesem Programm flossen über den Verfügungsfonds 2500 Euro, berichtete Glotzmann. Die Sparkasse Schweinfurt-Haßberge und die VR-Bank Gerolzhofen spendeten je 1000 Euro. Zusammen mit der Spende von Norbert Rumpel, Inhaber des Gerolzhöfer Bierkrug-Museums, konnten die Gesamtkosten von 4764 Euro gedeckt werden. Rumpel spendete darüber hinaus einige Krug-Duplikate aus seinem Museum, die zur Demonstration bei Kellerführungen verwendet werden.
Die sechs Infotafeln mussten ebenso wie die Leuchtstrahler angesichts der hohen Luftfeuchtigkeit in den Kellern wasserbeständig ausgelegt sein.
Als die Kellerwanderer wieder ans Licht eines milden Maiabends gestiegen waren, wartete ein stärkender Trunk aus Wasser, Hopfen und Malz auf sie.