Es ist 20 Uhr. Auf Station 51/52, einer der größten Abteilungen des Leopoldina, haben Eva Müller und Jessica Ott gerade den dritten und letzten Durchlauf des Tages abgeschlossen. Ausnahmsweise zu zweit. Sonst ist einer alleine unterwegs. 69 Planbetten hat die Station, alle sind belegt. Den Menschen, um die sich die beiden Schwestern gerade kümmern, geht es nicht gut. Und viele von ihnen werden die Krankheit, den Krebs, nicht überleben. Damit, sagt Stationsleiter Jochen Bienmüller, müsse man erstmal umgehen können. "Das ist ein hartes Brot."
51 Patienten auf der Station 51/52 sind "onkologische" Patienten. Oft begleiten Ärzte, Schwestern und Pfleger sie von der Diagnose bis zum Tod. Der Bereich Gastroenterologie/Onkologie gehört zur Klinik 2 am Leopoldina und behandelt an die 5000 Patienten im Jahr. Eine hohe Zahl, die mit dem großen Bereich Endoskopie (Darm- oder Magenspiegelungen) zusammenhängt. Der Durchlauf dort ist hoch, sagt Bienmüller. Aber auch stationär ist die 51/52 ausgelastet. Täglich gibt es zwischen 15 und 20 Neuzugänge. Menschen mit Magen-Darm-Erkrankungen, darunter viele Krebspatienten. Wer hier arbeitet, erlebt harte Schicksale. Der Tod, sagt Bienmüller, ist ein ständiger Begleiter.
Fortbildungen durch Onkologen aus dem eigenen Haus, berufsbegleitende Weiterbildungen, ob in der Palliativpflege oder im Bereich Schmerzmanagement, sind entsprechend wichtig, um das Pflegepersonal fit zu machen für diese Herausforderung. Und feste Zeiten, um sich auszusprechen. Alle 14 Tage gibt es ein palliatives Gespräch, in dem das Team sich ausspricht, aber auch darüber redet, wie man einzelnen Patienten helfen kann.
Diese Treffen, die Gespräche, das hilft, sagt Schwester Eva. Sie hat in der hauseigenen Schule des Leopoldina gelernt, wollte unbedingt hierher auf die Station. Weil der Bereich sie interessiert, weil das Team "super" ist, es Spaß macht, hier zu arbeiten, "auch wenn nicht jeder Tag gleich ist". Darin ist sich die 24-Jährige mit ihrer Kollegin Jessica (25) einig. Und auch, dass es Momente gibt, die schwer sind, in denen man "einfach drüber reden muss". Trotzdem wollen mehr Menschen auf diesen Stationen arbeiten als es Stellen gibt. Das Team ist bunt gemischt – die jüngste Kollegin 20, die älteste 62 Jahre. 25 Ärztestellen hat die 51/52. Zwischen 60 und 70 Pfleger arbeiten hier, viele in Teilzeit. Denn nach der Elternzeit wollen viele wieder auf ihre Station zurück, sagt Bienmüller und wirkt fast ein wenig stolz.
Die beiden Schwestern schieben den Wagen zum nächsten Zimmer. Fieber und Blutdruck messen, Medikamente verabreichen, Spritzen aufziehen. Während eine die Patientendaten im Computer aktualisiert und das abhakt, was erledigt ist, hilft die andere einem Patienten in die Kleider für die Nacht. Manche Patienten wirken abwesend, andere freuen sich, auch über ein nettes Wort, ein kurzes Gespräch. Die Schwestern erkundigen sich nach dem Besuch heute, ob der Sohn noch einmal da war, wie es der kleinen Tochter geht. Es ist viel zu tun, sich Zeit zu nehmen, manchmal schwierig. Und doch ist es wichtig, vor allem, wenn jemand eine schwere Diagnose bekommen hat.
Auf dem Gang steht ein Ständer mit leeren Infusionsbeuteln. Schwester Jessica rollt ihn weg. Sie ist auf dem Weg zu einem anderen Zimmer. Ihre Schritte sind fest, schnell. Auch das gehört zum Job. Die meiste Zeit auf den Beinen zu sein. Pflege ist körperlich anstrengend. Ein Patient bekommt den Rücken eingecremt, gegen die Pusteln auf seiner Haut - die Nebenwirkungen eines Medikaments. "Sie müssen noch erwähnen, dass sie liebenswert ist", sagt er. Sein Blick trifft den von Schwester Jessica. "Solche Leute braucht man", sagt sie später, als die Türe zum Patientenzimmer ins Schloss fällt. "Leute, die gut drauf sind, trotz schlechter Diagnose."
Der Kontakt zu den Patienten ist eng, oft intensiver als auf anderen Stationen, die Menschen dankbar, weiß auch Stationsleiter Jochen Bienmüller. Oft begleite man die Patienten über Jahre hinweg. Viele kommen immer wieder, zu den nächsten Zyklen der Chemo beispielsweise.
900 Pflegekräfte gibt es am Leopoldina. Sie stellen damit, wie in jedem Krankenhaus, die größte Berufsgruppe und eine der wichtigsten. Denn, sagt Stationsleiter Bienmüller: "Einen Tag ohne Arzt, da kommt eine Station schon über die Runden – einen Tag ohne Schwester und Pfleger nicht." Drei Jahre dauert die Ausbildung, am Leopoldina wird nach Tarif bezahlt, nach dem des Öffentlichen Dienstes. Schlecht bezahlt seien die Schwestern und Pfleger am Leo nicht, meint Bienmüller auf Nachfrage. Und: "Die Pflege bekommt Anerkennung, gerade von Patienten, gerade auf dieser Station." Gearbeitet wird in drei Schichten. Die erste beginnt morgens um 6 Uhr mit sieben Schwestern und Pflegern, ab 14 Uhr übernimmt die nächste Schicht, um 21 Uhr beginnt der Nachtdienst. Dann mit zwei Pflegekräften und einem Springer.
Eva Müller und Jessica Ott haben den letzten Durchlauf des Tages beendet, bei dem die Werte der Patienten dokumentiert, Medikamente gegeben, morgens dazu noch gewaschen und gepflegt wird. Jetzt wird alles sauber gemacht, beginnt die Arbeit an Dokumentationen oder für die Neuaufnahme von Patienten. Einiges an Büroarbeit, was aber immer erst dann erledigt wird, wenn nicht andere Kollegen noch Hilfe brauchen. Auch das macht dieses Team aus.