Die Abteilung, die man über den Innenhof erreicht, wirkt auf den Besucher wie ein ganz normales Labor: Mikroskope, Objektträger, viel Technik. Ein bisschen anders allerdings, als das, was man aus dem "Tatort" kennt. Kein Wunder, denn mit Rechtsmedizin hat Pathologie nichts zu tun, sagt Chefarzt PD Dr. Hans-Ullrich Völker – auch wenn der Drehbuchautor den Tatortkommissar gerne mal in die "Patho" gehen lässt. Rechtsmediziner klären Verbrechen auf. Pathologen beschäftigen sich mit der Entstehung und dem Verlauf von Krankheiten. Sie sind eine extrem wichtige Schnittstelle zwischen Diagnostik und Therapie, erklärt Völker.
Zellen, Gewebeproben, Operationspräparate werden hier untersucht. 20 000 Proben im Jahr. 13 Leute arbeiten hier: Schreibkräfte, Medizinisch-Technische Assistenten (MTA) und drei Ärzte. "Die wichtigste Arbeit wird im Labor gemacht." Arzt und MTA arbeiten Hand in Hand, erklärt Völker.
Ist ein Tumor bösartig oder gutartig? Das wird hier geklärt. Aber auch die Frage, ob bei einer Operation alles von Krebs befallene Gewebe entfernt wurde. Die Operateure schicken aus dem OP per Bote eine Probe in die Pathologie, bekommen nach gut 20 Minuten die Antwort, so Völker. "Während der Patient in Narkose schläft, können wir die Probe untersuchen." So könne man zum Beispiel eine weitere Operation, eine weitere Narkose verhindern.
Winzige Proben reichen für eine Untersuchung
Der Befund aus der Pathologie hat auch Bedeutung für das weitere Vorgehen der behandelnden Ärzte, erklärt Völker beim Rundgang. Gerade bei Brustkrebs ergibt sich aus dem Befund, wie viel Gewebe entfernt wird, ob chemotherapiert oder wie bestrahlt wird. Völker zeigt ein Behältnis mit winzigen fadenähnlichen Gebilden. "Manchmal kriegen wir nur ein paar zarte Fusseln", sagt er. Das Gewebe stammt aus einer Lunge. Auch hier geht es darum zu klären, wie ein Tumor weiter behandelt wird.
Magenschleimhaut: Das macht einen Großteil der Proben aus, die in die Pathologie kommen. Im Labor wird untersucht, ob sich das Heliobacter-Bakterium dort eingenistet hat. "Das kann auch Krebs auslösen."
"Wir untersuchen alles, was rausgenommen wird", sagt Völker. Hüftkopf, Mandel, Nierenstein, Meniskus: Geht alles in die Pathologie. Ein Grund dafür ist auch Beweisführung, sagt er. Zum Beispiel auch bei einem Bruch am Hüftkopf. War der Knochen porös? So ein Hüftkopf war noch in den 1980er-Jahren ein Todesurteil, sagt er. Der Betroffene war bettlägerig, die Gefahr einer Lungenentzündung oder Embolie war groß. "Heute bekommt man eine künstliche Hüfte und kann am nächsten Tag wieder laufen lernen."Für Völker geht es hier nicht nur um Lebensverlängerung, sondern auch um Lebensqualität.
Vorsorge extrem wichtig
Für Völker ist Vorsorge ein extrem wichtiger Punkt. "Jeder Krebs, der verhindert werden kann, muss nicht behandelt werden." Das zeige sich vor allem bei Darmkrebs. "Es gibt viele, die man mit einer Darmspiegelung vor Krebs schützen kann." Werde ein Polyp rechtzeitig entfernt, sinke das Krebsrisiko. Auf sich zu achten, Vorsorge-Angebote wahrzunehmen: Für Völker ist das auch ein Solidaritätsmodell, denn eine Krebstherapie ist teuer.
Bis Gewebe untersucht werden kann, braucht es einige Vorbereitung. Das Material wird in hauchdünne Scheibchen (etwa 3 bis 5 Mikrometer) geschnitten, auf Glasobjektträger aufgebracht und angefärbt. Danach untersucht der Pathologe unter dem Mikroskop Veränderungen der Zellen und der Gewebestruktur. Völker zeigt zwei Mikroskop-Aufnahmen von Darmschleimhaut. Eine ohne Befund. Eine, die "extrem unordentlich" aussieht und einen gutartigen Polypen beherbergt. Pathologen weltweit greifen dazu auf Klassifikationen der WHO, der Weltgesundheitsorganisation zurück. "Die WHO bündelt alle medizinischen Erfahrungen", sagt Völker, spricht von einer Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Alltagsbehandlung.
Nicht immer ist klar, was genau zum Tod eines Patienten geführt hat. Das lässt sich bei einer Autopsie klären. 15 im Jahr werden durchschnittlich im Sektionssaal gemacht. Voraussetzung: Die Angehörigen stimmen zu. Für Völker ist die Klärung, die eine Autopsie bringen kann, wichtig, um Leben zu retten. Wenn jemand mit einem ähnlichen Verlauf kommt, weiß man, was die Ursache ist.
24 Stunden im Leopoldina-Krankenhaus: Im Rahmen einer Serie stellen wir das Krankenhaus vor, in dem 24 Stunden an den unterschiedlichsten Orten und Bereichen Betrieb ist. Von A wie Apotheke bis Z wie Zentrale Notaufnahme. Dabei geht es auch an Orte, die Patienten und Besucher nicht sehen. Alle Teile der Serie finden Sie unter: www.mainpost.de/24+Stunden+Leopoldina./