
Manchmal verliert man Dinge etwas aus dem Blick, auch wenn man regelmäßig daran vorbeifährt. Die Mautkontrollsäule der Firma Toll Collect an der B286 bei Neuses am Sand zählt dazu. Ein Lkw-Fahrer hatte dort auf freier Strecke im Juni 2018 einfach angehalten, um kurzerhand die Glasscheibe des Kamerafensters mit einem schweren Hammer zu zertrümmern. Danach setzte er die Fahrt fort, als wäre nichts gewesen. Seitdem hat man nichts mehr von dem unglaublichen Fall gehört. Wir haben nachgehakt.
Auf Nachfrage beim Polizeipräsidium Unterfranken hatte diese Redaktion von dort erfahren, dass ein Verdächtiger ermittelt werden konnte. Ende November war Anzeige durch die Polizeiinspektion Kitzingen an die Staatsanwaltschaft in Würzburg ergangen, so Polizeipressesprecher Enrico Ball.
Eine Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Würzburg ergab schließlich, dass der Fahrer im Strafbefehlsverfahren vom Amtsgericht Kitzingen wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 2000 Euro verurteilt worden war. Die Entscheidung ist seit Dezember 2018 rechtskräftig, so die weitere Auskunft von Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach. Dass bedeutet, dass der Strafbefehl akzeptiert und nicht angefochten worden sein muss.
Der Lkw-Fahrer hatte bei seinem „Attentat“ auf die Mautsäule der Firma Toll Collect nach Angaben der Staatsanwaltschaft einen Schaden in Höhe von rund 1000 Euro verursacht. Die Zugmaschine war wie der Auflieger im Landkreis Haßberge zugelassen. Das hatten Zeugen berichtet. Zunächst war aber nicht klar, wer genau am Steuer des Firmenfahrzeugs gesessen hatte.
Was am Dienstag, 19. Juni 2018, auf der B 286 passierte
Die kuriose Szene hatte sich am Dienstag, 19. Juni 2018, gegen 18.30 Uhr auf der Bundesstraße 286 zwischen Neuses am Sand und Brünnau an der dort in Fahrtrichtung Gerolzhofen fest installierten auffälligen blauen, rund vier Meter hohen Mautkontrollsäule abgespielt.
Auf freier Strecke war dort ein Lkw-Fahrer mit seinem Sattelauflieger einfach am Straßenrand stehen geblieben, so dass nachfolgende Fahrzeuge anhalten mussten. Der Lkw-Fahrer stieg aus, lief um sein Führerhaus herum und steuerte unvermittelt auf das Mauterfassungsgerät zu.
Ehe sich das Ehepaar in dem dahinter stehenden Auto versah, hatte der Mann ausgeholt und mit einem schweren Fäustel mehrmals mit voller Wucht gezielt auf das unterste der seitlich angeordneten Kamerafenster eingedroschen. Die massiven Schläge sorgten dafür, dass das Glas zersprang und teilweise zersplitterte.
Das breite Grinsen des Lkw-Fahrers
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht soll der Brummi-Kapitän dann wieder zum Lkw zurückgelaufen und eingestiegen sein. Danach setzte er in aller Ruhe seine Fahrt in Richtung Gerolzhofen fort, als wäre nichts gewesen, berichteten damals Zeugen des Geschehens. In der Zwischenzeit war jedoch genug Zeit für diejenigen, die das groteske Schauspiel beobachtet hatten, die Kennzeichen abzulesen und zu notieren.
Wie die Polizeiinspektion in Kitzingen gegenüber dieser Redaktion seinerzeit bestätigte, waren sowohl die Zugmaschine als auch der Auflieger im Landkreis Haßberge angemeldet. Der Halter war also bekannt. Allerdings musste noch ermittelt werden, wer genau zur besagten Zeit am Steuer des Lastwagens gesessen hatte.

Der auffällige blaue Pfahl mit dem grünen Querstreifen im unteren Bereich am Straßenrand ist eine von bundesweit 600 Kontrollsäulen, mit denen die Toll Collect GmbH überprüft, ob vorbeifahrende Fahrzeuge mit einem Gewicht von über 7,5 Tonnen mautpflichtig sind und, wenn ja, ob die Maut für den befahrenen Abschnitt ordnungsgemäß entrichtet worden ist.
Das Unternehmen mit Sitz in Berlin ist vom Bund beauftragt, in enger Abstimmung mit dem Bundesamt für Güterverkehr das von ihr aufgebaute System zur Einnahme der Lkw-Maut zu betreiben und die fälligen Gebühren abzurechnen. Die Behörde gibt dazu die Streckenabschnitte vor, an denen die Geräte wie an der B286 zwischen Neuses am Sand und Brünnau installiert werden.
Der Auftragswert für die Entwicklung und Lieferung der 600 Mautkontrollanlagen lag im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Die Technik, die in der Säule steckt, war eigens von der Jenaoptik entwickelt worden.
Maut seit 2018 auch auf allen Bundesstraßen fällig
Nach einer Gesetzesänderung ist seit dem 1. Juli 2018 die Maut auf allen Bundesstraßen mit einer Gesamtlänge von rund 40 000 Kilometern fällig, und nicht mehr nur, wie zuvor, für Autobahnen und einige vierspurig ausgebaute Bundesstraßen.
Der 1. Juli 2018 ist somit auch der Stichtag gewesen, an dem die blauen Säulen scharf geschaltet wurden. Dem hatte der Lkw-Fahrer offenbar unbedingt mit seiner hammerharten wie behämmerten Aktion zuvorkommen wollen. Dafür gab es, wie gesagt, 2000 Euro Strafe.