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SCHWEINFURT
1982: Die Autos müssen raus
Hannes Helferich
Hannes Helferich
 |  aktualisiert: 21.11.2014 17:16 Uhr

Die Spitalstraße ist neben der Keßlergasse die Hauptachse der Schweinfurter Fußgängerzone. Dass durch die Straße noch Anfang der 1980er jeden Tag eine Unmenge Autos fuhren, daran dürfte sich nicht mehr jeder erinnern. Einige „alte Schweinfurter“ waren jedenfalls erstaunt, als sie das Eröffnungsdatum 24. September 1982 hörten. „Ich hab gedacht, dass das schon viel viel früher war“, so eine Reaktion.

Die feierliche Eröffnung legten die Stadtoberen clever mit dem damals „8. Schweinfurter Straßenfest“ zusammen. Die Keßlergasse und die Lange Zehntstraße waren schon Fußgängerzone, der Grundstock für den nun „großzügigen Fußgängerbereich von Rathaus bis Johanniskirche und Albrecht-Dürer-Platz“, sagte Oberbürgermeister Kurt Petzold. Mit der Schließung der vorherigen Ost-West-Verkehrsachse sei „aber eigentlich nur wiederhergestellt, was unsere Urväter bei der mittelalterlichen Stadtgründung rein gefühlsmäßig vollkommen richtig geordnet hatten“, ergänzte er. Die Straßen seien damals nicht einfach Verbindungswege gewesen, etwa zum Markt als Geschäftszentrum, sondern auch Begegnungsstätte, Nachrichtenbörse und Spielfeld für Kinder.

„Sie waren menschenfreundlich“, sagte Petzold damals und erinnerte die Schweinfurter an südliche Länder, wo Fußgängerzonen die Regel waren. „Machen wir Urlaub in Schweinfurts freundlicher Fußgängerzone“, so Petzold. Die Kritiker wollte er wohl mit dem Satz ins Boot ziehen, dass es schon einer „kleinen Umgewöhnung“ bedürfe.

Denn Kritiker gab es zuhauf. Viele wollten zwar eine vergrößerte Fußgängerzone, aber auch mit ihrem Auto möglichst nah an jedes Geschäft heranfahren – wie sie das gewohnt waren. Dem Einzelhandel schmeckte die autofreie Spitalstraße gar nicht. Man warnte vor einem massiven Umsatzrückgang: Kunden würden wegbleiben, weil sie ihre Einkäufe durch die ganze Stadt tragen müssten, diese weiteren Wege zum Auto zu beschwerlich seien. Der Einzelhandel startete eine Umfrage: Mehr als zwei Drittel der Schweinfurter bezeichneten die Parksituation dann tatsächlich als ungenügend. Zur Beruhigung der Volksseele und des Handels wies die Stadt rathausnah 25 neue Parkplätze aus.

Von seinem Plan wich das Rathaus aber nicht mehr ab. Die Fußgängerzone bedeute keinen Rückschritt, sei auch kein „Abschied vom Kraftfahrzeug oder anderen Annehmlichkeiten unserer Zeit“, sah sich Petzold veranlasst mitzuteilen. Er erinnerte an die „im Rahmen der Umgestaltung in bequemer Entfernung geschaffenen neuen Parkmöglichkeiten“, warb darum, die Parkhäuser und Tiefgaragen nun auch zu nutzen.

Am 24. September, 1982 überwog bei der feierlichen Einweihung der autofreien Spitalstraße dann doch die Freude. Es war ein Traumwetter. Dank dem Coup mit dem Straßenfest strömten am Freitag und Samstag die Massen. Sogar der damalige Bundesbauminister Dieter Haack gab sich die Ehre und hörte Petzold sagen, dass mit der um die Spitalstraße erweiterten Fußgängerzone „eine Wendemarke in der neueren Geschichte der Stadt erreicht“ sei.

1,5 Millionen Deutsche Mark hat die Umgestaltung gekostet, 300 000 gaben das Land Bayern und der Bund. Die Granitplatten kamen aus der Oberpfalz, die Mosaikpflaster aus dem Bayerischen Wald. Im Ursprungsplan waren auch Bäume geplant und mehr Sitzgruppen. Man verzichtete. Erinnert sei an die damals bejubelten Vitrinen, die bei späteren Umgestaltungen verschwanden, und an die Kugellampen, die längst durch moderne Leuchten ersetzt sind.

Die Spitalstraße hat ihren Namen vom Spitaltor. Es stand einst am heutigen Albrecht-Dürer-Platz. Zwischen 1832 und 1880 wurden nacheinander das Brücken-, Ober-, Mühl- und eben das Spitaltor wegen Eisenbahn-, Brücken- und Straßenbau abgetragen. Die Steine wurden für die Pflasterung des Marktplatzes verwendet und dienten als Untergrund für den Roßmarkt. Die Nazis benannten die Spitalstraße für diese schlimmen Jahre nach Adolf Hitler.

Die Spitalstraße heute.
Foto: Körblein | Die Spitalstraße heute.
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