
Posaunen und die frohe Botschaft gehören einfach zusammen. 46 Belegstellen dafür gibt es in der Bibel, von Klarinetten oder Saxophonen ist keine Rede. Nichts gegen die Vielfalt der Blasinstrumente, aber in Sachen "Kirchennähe" macht den Posaunen keiner was vor. So spricht man nicht von ungefähr von den Posaunen von Jericho. Auch bei anderen Gelegenheiten wie im 2. Buch Mose, wo es heißt "Als nun der dritte Tag kam und es Morgen war, da erhob sich ein Donnern und Blitzen und eine dicke Wolke auf dem Berge und ein Ton einer sehr starken Posaune; das ganze Volk aber, das im Lager war, erschrak", liefern diese Instrumente den passenden Soundtrack.
Posaunenkonzert zum Jubiläum
Auch das "Lob des Herren mit Posaunen" ist schlecht als Zupfgitarren-Version vorstellbar, manche Melodie verlangt eben Volumen und Puste, wenn sie im Himmel ankommen soll. Nicht aus der Puste – und das ist eine nicht minder frohe Botschaft – ist der Posaunenchor Schweinfurt, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag nicht mit Pauken, aber mit Posaunen, Hörnern und Trompeten feiert. Festlicher Höhepunkt wird ein Posaunenchorkonzert am 19. Oktober um 17 Uhr in der St. Johanniskirche. Tags darauf wird nach dem Festgottesdienst, der um 10.30 Uhr beginnt, ein Standkonzert geboten.

Wer 100 Jahre Musik macht, der hat auch reichlich Geschichte geschrieben und erlitten. Eine Geschichte, die im Falle des evangelischen Posaunenchores Schweinfurt einige Stellwände füllt. Wolfgang Großpietsch, selbst begeisterter Wiedereinsteiger ins Posaunisten-Handwerk, hat eine entsprechende Ausstellung mit Liebe zum Detail auf die Beine gestellt. Bis zum 4. November ist diese Geschichte sozusagen – Wand für Wand von 1919 bis heute – zu den Kirchenöffnungszeiten nachzuerleben.
Auch Frauen stoßen ins Horn
Eine Geschichte nicht ohne Brüche oder Unterbrechungen. Das gilt für den Posaunenchor an sich und auch so manchen Musiker. Wolfgang Großpietsch zum Beispiel hat mit zehn Jahren in seiner einstigen Heimat Münster angefangen Posaune zu spielen, kam aber dann ab 1976 im Windschatten von Studium, Beruf und Familie vom Posaunisten-Pfad ab. Seit 2018, und inzwischen als Pensionär, ist er – gelernt ist eben gelernt – wieder mit ganzem Herzen dabei.
Längst ist so ein Posaunenchor auch keine Boygroup mehr. Mit Elise Badstieber und Emilia Pfatteicher sind zwei Posaunistinnen an Bord der sechsköpfigen Posaunenschar. Claudia Weissenbacher und Gisela Dittmar stemmen die Tenorhorn-Abteilung, das Horn in ES ist eine SIE, geblasen von Manuela Hrubesch. Chorleiter Wolfhart Berger hat unter den neun Trompeten mit Heike Dittmar und Anja Mantel auch zwei Damen. Knapp 20 Köpfe umfasst die aktuelle Auflage des Posaunenchores - einer von 900 Chören mit rund 180 00 Bläserinnen und Bläsern in Bayern.
CVJM gab den Anstoß für die Gründung
Und wie hat das alles angefangen? Der Schweinfurter Ortsvereins des CVJM, 1919 selbst erst ein paar Jahre in Schweinfurt ansässig, lieferte den Anstoß zur Gründung eines eigenen Posaunenchores. Der erste Weltkrieg war vorbei, die Welt wollte Musik statt Kanonendonner. Doch woher Instrumente und Noten bekommen? Der Schriftsetzer und Flügelhornbläser Karl-Georg Krug, der später noch ein bekannter Heimatdichter werden sollte, ließ sich mit zwei weiteren Musikern auf das Gründungsabenteuer ein. Einer davon, Max Jopp, war bis 1979, also 60 Jahre lang aktiver Bläser. Bei der Feier zum 10-jährigen Bestehen des CVJM 1919 wurden tatsächlich schon ein paar Stücke zum Besten gegeben. 1920 dann das erste weihnachtliche Blasen vom Trum von St. Johannis herab, eine Tradition war geboren. Der Posaunenchor wuchs und gewann an Bedeutung. Schon auf dem ersten gemeinsamen Foto von 1924 sind 17 junge Herren versammelt.
Andere Klänge und einen anderen Herrn lobendes Blechgerät, war ab 1933 gefragt. Die einschneidenden Veränderungen in Deutschland nach der Machtergreifung der Nazis betrafen auch Jugendverbände und Posaunenchöre. Zwar fand 1933 noch der Landesposaunentag in Würzburg statt, wenig später mussten Posaunenchöre aber schon der Reichsmusikkammer beitreten um öffentlich auftreten zu dürfen. Ab 1935 war konfessionellen Jugendverbänden ganz der "Unterhalt eigener Musik- und Spielzüge" untersagt. Auch der Schweinfurter Posaunenchor, mittlerweile von seiner "Mutterorganisation CVJM" isoliert, durfte nur noch bei Begräbnissen oder im Gottesdienst spielen. 1936 wurden die konfessionellen Posaunenchöre aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen, öffentliches Engagement war ab da nicht mehr möglich.
Instrumente während des Krieges auf dem Kirchturm versteckt
Doch "schlimmer geht immer". 1937 begann die Gestapo mit der Beschlagnahme von Instrumenten, als der erste Bläser zum Kriegsdienst einberufen wurde, versteckte Max Jopp die verbliebenen Instrumente auf dem Turm von St. Johannis – wo sie den Krieg auch heil überstanden und in den Jahren danach den Instrumenten-Grundstock für den Neuanfang stellten. Wieder waren es Karl-Georg Krug und Max Jopp die mit Kriegsheimkehrern und jungen Leuten dem Posaunenchor erneut auf die Füße halfen. Einen professionellen Chorleiter fand man in dem früheren Leiter des städtischen Orchesters Carl Friedrich Klenk, dank dem auch in musikalischer Hinsicht zu neuen Höhenflügen angesetzt werden konnte. Der Rest ist Geschichte, die auf Stellwänden nachzulesen und beim Jubiläumskonzert zum 100-Jährigen hörbar gemacht wird.