
Nun hat es doch noch geklappt. Während das erste der Open-Air-Konzerte im Kloster Wechterswinkel vor wenigen Wochen noch den Wetterunbilden zum Opfer gefallen war und "Bube, Dame, König" ihre neue Folkmusik drinnen statt draußen präsentieren mussten, zeigte sich Petrus an diesem Wochenende besser gelaunt. Dierk Berthel und Jan Polacek, die "beiden Bildhauer der Klangmodulation", wie sie eingangs von Kreiskulturmanagerin Carolin Fritz-Reich vorgestellt wurden, durften ihre Klangwelten bei trockenem Wetter und angenehmen Temperaturen im Innenhof des Kreiskulturzentrums präsentieren.
Und das war auch gut so. An diesem Abend wurde deutlich, dass alte Gemäuer und moderne elektronische Musik sich nicht ausschließen müssen, keine Gegenpole sind, sondern sich eher gegenseitig bereichern und ergänzen. Es wurde von beiden viel experimentiert an diesem Abend vor einer coronabedingt sehr begrenzten Besucherzahl. "Ein sehr besonderes musikalisches Experiment", so der O-Ton von Carolin Fritz-Reich. Das allerdings als durchaus gelungen bezeichnet werden kann.
Die Inspiration zweier Freigeister
Die Musik der beiden Klangkünstler lässt sich keinem Genre zuordnen, ist weder Jazz, Blues, Rock, Pop oder gar Volksmusik. Es ist die Inspiration zweier Freigeister, die sich ihre persönlichen Freiheiten auch nicht von der Musik einengen lassen wollen, des freischaffenden, 69 Jahre alten Künstlers Jan Polacek aus Oberwaldbehrungen und des ebenfalls freischaffenden, 57 Jahre alten Bildhauers Dierk Berthel aus Rannungen, der gerade mit seiner Ausstellung "unfinished spaces" im Kloster Wechterswinkel gastiert.
Ihre Trilogie, die sie an diesem Abend dem Publikum vorstellen, ist geprägt von verfremdeten Tönen und Klängen, die viel Platz für Interpretation bieten. Im wunderbaren Ambiente des Kloster-Innenhofes kommen die Klanggebilde auf einer Welle – tatsächlich plätschert es aus den Lautsprecherboxen – angeschwommen, schwellen an, füllen den Raum, mischen sich mit anderen Geräuschen, mit Donnergrollen, mit Nachrichtenmeldungen in englischer Sprache, werden dadurch zu mystischen Klanggemälden, zu sphärischen Klangbildern, werden zerpflückt und zerhackt und entschweben dann – hin und wieder sogar angetan von einigen Glockenschlägen aus der nahen Klosterkirche.
"Trompeten-Solo" auf einer zerbeulten Blechdose
Jan Polacek ist es dabei, der seine "autoinduktive" E-Gitarre mit allen möglichen Gegenständen "bearbeitet", sei es mit Ketten, mit Spielsachen oder auch Rasseln. Er ist es auch, der beim Durchblättern eines Möbelhaus-Prospektes nicht mit unterschwelliger Kritik am Konsumrausch unserer Gesellschaft, an der Profitgier und dem verschwenderischen Luxus heutzutage spart. Mit seinen Einwürfen, aber auch mit seinem "Trompeten-Solo" auf einer zerbeulten Blechdose setzt er zusätzliche Ausrufezeichen an diesem Abend, während Dierk Berthel am Bass und auf den Tasteninstrumenten Glanzpunkte verleiht. Am Ende vergehen Zeit und Trilogie mit den Sets "Raum und Klang", "Das Leben ist kein Wunschkonzert" und "Die Kraft des Experiments" viel zu schnell, so dass natürlich auch noch eine Zugabe folgen muss.