Eines der Interessensgebiete des Rhönklubvorsitzenden von Mellrichstadt, Franz Margraf, ist die Heimatgeschichte. Jetzt verblüffte er wieder einmal seine Zuhörer mit seinem fundierten Wissen über die "Haarhändler aus Brabant", von denen einige vor rund 200 Jahren in Mellrichstadt ansässig und hier heimisch wurden. Zahlreiche Zuhörer waren seiner Einladung zu seinem Geschichtsvortrag gefolgt, darunter auch einige Nachkommen dieser Brabanten aus dem Städtchen Bergeijk im Kemperland.
Zunächst musste er erklären, wo die Region Brabant liegt: Geografisch zwischen Maas, Schelde und Rhein. Im Mittelalter gab es einmal das Herzogtum Brabant (ab 1182), das ein Teil Nieder-Lothringens war. Über die Jahrhunderte wechselten die Zugehörigkeiten zu verschiedenen Herrschaftsgebieten und Königreichen. Darunter waren das Ostfrankenreich, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, Hennegau, Flandern, Löwen, Burgund, Spanien und das habsburgische Österreich.
Teil des Vereinigten Königreiches Niederlande
Ab 1814 (Pariser Frieden) wurde Brabant Teil des vereinigten Königreiches Niederlande. Die südlichen Provinzen mit den Hauptstädten Antwerpen und Brüssel gingen ab 1830 an das Königreich Belgien. Noord-Brabant blieb bis heute ein Teil der Niederlande.
Weil die Noord-Brabanter als eiserne Katholiken an ihrem Glauben festhielten und deshalb von den protestantischen Niederländern diskriminiert und unterdrückt wurden, hatten sie ein schweres Los. Weil außerdem ihr Brachland (davon kommt der Name Brabant) eine schlechte Bodenqualität hatte, verlegten sich die Brabanter aufs Handeln. Viele wurden Wanderhändler, die man als "Teuten" bezeichnete.
Es gab vier Gruppen von Teuten, die Elleteuten (Stoffehändler), die Kupferteuten (Kupferschmiede), die Verschneitteuten (Tiermediziner) und die Haarteuten (Haar- und Perückenhändler). Sie waren von Februar bis Dezember in halb Europa handelnd und verarbeitend schwer bepackt unterwegs, meist in Gruppenstärke als Kompanie, und sie trugen einheitliche Trachten. Frauen und Kinder blieben zuhause und warteten auf ihre Männer.
Der Tauschhandel war vorrangig
Nahezu überall waren die Teuten aus Noord-Brabant willkommen, denn es gab ja noch zu Beginn der Neuzeit keine Kaufläden in den Dörfern und Kleinstädten, und der Tauschhandel war vorrangig. So verfügten sie über ein beachtliches Warensortiment und kamen zu Wohlstand. Sie waren auch beliebte Unterhalter und Nachrichtenverbreiter. Über sie wird berichtet, dass sie sich in den Dörfern mit Flöten, Schalmeien und Glocken ankündigten, um die Bevölkerung auf sich aufmerksam zu machen.
Mit dem Aufkommen der Perückenmode im 17. Jahrhundert wurde der Haarhandel zu einem lukrativen Geschäft. Die Haarteuten zogen umher, um abgeschnittene Haarbüschel aufzukaufen und zu Perücken zu verarbeiten. So verdingten sich auch nicht wenige der armen Noord-Brabanter als fahrende Haarhändler. Einige davon kamen auch nach Mellrichstadt. Darunter waren ledige Männer, die sich hier verliebten und geblieben sind.
Dokumente aus alten Kirchenbüchern
Margraf konnte mehrere kopierte Dokumente von Anfang des 19. Jahrhunderts aus alten Kirchenbüchern zeigen, durch die Eheschließungen von Brabantern aus Bergeijk belegt sind. Das ist eine Kleinstadt unweit von Eindhoven und der Provinzhauptstadt 's-Hertogenbosch. So kamen folgende Familiennamen nach Mellrichstadt: Heuvelmann, Lommellaars, Rombautz, Groenen, Royacker(s) und van Eckert. Von den drei letztgenannten Namen sind noch etliche in Mellrichstadt verblieben.
Fünf direkte Nachkommen dieser Vorfahren waren bei diesem Vortrag anwesend und hatten in der abschließenden gemütlichen Runde untereinander einiges zu erzählen, und sie beantworteten bereitwillig die Fragen der restlichen Zuhörer. Margrafs lebendiger und kurzweiliger Vortrag wurde mit viel Applaus bedacht. In seinem Schlusswort sprach er die Empfehlung aus, dass die vielen Blutsbande, die nicht wenige Bewohner Mellrichstadts mit der Gemeinde Bergeijk verbindet, für die noch partnerlose Stadt Mellrichstadt ein passender Anlass wären, eine Städtepartnerschaft mit der niederländischen Gemeinde Bergeijk anzustreben.