Wie hoch darf ein Gebäude sein, damit es sich in die nähere Umgebung einfügt? Welche Dimensionen eines Neubaus sind angemessen, wenn dafür zwei Wohneinheiten genehmigt sind? Darüber diskutierten Bürgermeister Holger Schmitt, die Gemeinderäte und der Bauherr in der jüngsten Sitzung des Niederläurer Ratsgremiums.
Im Zentrum der teilweise hitzigen Diskussion stand ein Wohnhaus, das derzeit in der Steinstraße entsteht. Es wurde im Herbst 2022 mit dem Einvernehmen des Gemeinderats vom Landratsamt Rhön-Grabfeld als Zwei-Familien-Wohnhaus genehmigt. Eine Maßgabe dabei lautete, dass der Bauherr die Firsthöhe von zunächst geplanten 12,50 Metern auf 10 Meter und die Dachneigung anpasst. Zugestimmt wurde jeweils einer Wohnung im Erd- sowie im Obergeschoss und den dazugehörigen Dachböden.
Inzwischen haben die Bauarbeiten begonnen, der Keller steht. Bei einer Baukontrolle stellte das Landratsamt allerdings fest, dass das Gebäude damit höher wird, als im Bauplan vorgesehen, und ließ deshalb Anfang März die Bauarbeiten einstellen. Der Bauherr wurde aufgefordert, einen geänderten Bauantrag einzureichen. Aus dieser sogenannten Tektur sollten die genauen Höhen ersichtlich sein. Dieser Antrag lag dem Gemeinderat nun vor.
In der Steinstraße in Niederlauer gibt es keinen Bebauungsplan
Aus der Stellungnahme des Bauamtes der Verwaltungsgemeinschaft Bad Neustadt für die Sitzung geht hervor, dass das Gebäude eine Höhe von 10 Metern überschreiten werde. In der näheren Umgebung stünden aber auch Wohnhäuser mit einer Höhe von mehr als 10 Metern.
Trotz seiner Gesamthöhe füge sich das Haus in die Umgebungsbebauung ein. Dass es sich "nach Art und Maß" einfügt, ist laut Bürgermeister Schmitt nach dem Baurecht das einzige Kriterium für die Zulässigkeit. Einen Bebauungsplan gebe es für das Gebiet nicht.
Das Haus sei viel höher als alle anderen im Umfeld, das höchste Nachbargebäude sei 10,40 Meter hoch, sagte Gemeinderat Dieter Jablonski und erhielt dafür Zustimmung von weiteren Räten. "Im Baurecht ist definiert, dass das nähere Umfeld nicht nur die direkt angrenzenden Häuser, sondern auch die übernächsten Bebauungen umfasst", entgegnete der Bürgermeister. Beispielsweise in der Brunnenstraße, Sandstraße oder Am Berg gebe es Häuser mit einer Firsthöhe von mehr als elf Metern.
Dieter Jablonski spricht von "Arglistiger Täuschung"
Jablonski sagte, er fühle sich vom Bauherren arglistig getäuscht. Auf dem Bauplan sei kaum etwas zu erkennen, er gleiche einer "Schmierenzeichnung". Zudem sei eine Kellerwohnung eingebaut, was einer Nutzungsänderung entspreche. Die Quadratmeter-Zahlen seien zu hoch für ein Zwei- oder Drei-Familien-Haus, vielmehr deuteten sie auf ein Sieben-Familien-Wohnhaus hin. Außerdem sei keine Bautafel installiert.
Der Bauherr, der in der Sitzung anwesend war, wies die Vorwürfe zurück. Es sei nirgends festgeschrieben, dass man eine Bautafel aufstellen müsse, sagte er und fügte hinzu "Ich habe gesagt, für zwei Familien ist es geplant. Da kann der Keller so groß sein, wie er will".
Bauherr: Es sind nur zwei Wohneinheiten geplant
"Wir werden hier von A bis Z hintergangen. Wenn das im Nachhinein ein Sieben-Familien-Haus wird. Was passiert dann? Dann zahlt der Bauherr seine Strafe und alles ist gut? Das Geld kriegt ja nicht einmal die Gemeinde, sondern der Staat", monierte Jablonski. Im Plan würde beim Dachgeschoss "Wohnung 1" und "Wohnung 2" stehen und es seien dort zwei Balkone vorgesehen, nannte der Gemeinderat Beispiele.
Zu jeder der Wohneinheiten, eine im Erdgeschoss, die andere im Obergeschoss, würde eine Dachfläche gehören, begründete eine Vertreterin des Bauherren, die ebenfalls an der Sitzung teilnahm. Deshalb stünde dort "Wohnung 1" und "Wohnung 2". "Ein Dachboden mit Balkon? Man muss mal überlegen, wie schlüssig das klingt. Sagen Sie doch einfach, wie viele Wohnungen sollen in dem Haus entstehen?", fragte 2. Bürgermeister André Mauer noch einmal nach.
"Zwei. Mehr sind vorerst nicht geplant. Das Grundstück ist groß genug für das Vorhaben, die Nachbarn werden nicht beeinflusst. Genehmigungsfähig wären grundsätzlich aber auch mehr Wohnungen. Es gibt keinen Bebauungsplan, der hier nur zwei Wohnungen erlaubt", entgegnete die Angesprochene.
Räte schlagen vor, ein Stockwerk wegzulassen
Die Überschreitung der Höhe begründete der Bauherr damit, dass anfangs nicht klar gewesen sei, wie hoch der Kanal ist. Dieter Jablonski und André Mauer schlugen vor, ein Geschoss oder den Kniestock wegzulassen, so würde das Haus niedriger und die Höhe stimmen. "Warum soll ich ein Geschoss weglassen, wenn es genehmigungsfähig ist? Wir wollen unseren Kubus so belassen, auch wenn der Gemeinderat sich dagegen ausspricht", so die Vertreterin des Bauherren.
Jeder müsse sich an seinen Bauplan halten, dieser Bauherr aber offenbar nicht, behauptete Dieter Jablonski. Gemeinderat Christoph Büchs sagte, er störe sich vor allem an der Art und Weise, wie alles ablaufe. "Ich habe die Maße nicht verändert, was soll ich denn noch machen?", fragte der Bauherr. "Uns die Schlüssigkeit geben, dass ins Dachgeschoss keine Wohnungen kommen", forderte André Mauer. Dieter Jablonski verlangte vom Bauherren eine eidesstattliche Versicherung, dass nicht mehr als drei Wohneinheiten geplant seien.
Holger Schmitt: Wir können nur über das entscheiden, was beantragt ist
Genehmigt seien bislang zwei Wohnungen, antwortete Bürgermeister Schmitt. Für eine höhere Anzahl sei ein Antrag auf Nutzungsänderung nötig. Man könne momentan nur über das entscheiden, was beantragt ist: Die geänderte Höhe, stellte der Bürgermeister fest. "Das Gebäude ist in dieser Höhe zugelassen, wenn es sich nach Art und Maß einfügt und das würde es tun", so Schmitt.
Das Gremium beschloss wegen der überschrittenen Höhe mit acht zu drei Stimmen, sein Einvernehmen zum Tektur-Bauantrag nicht zu erteilen und fügte einen Hinweis an das Landratsamt hinzu, dass die Baugenehmigung nur zwei Wohneinheiten umfasst. Nun entscheidet die Behörde, wie es weitergeht.
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Dann schauen wir mal. Nicht nur auf den Bauherrn schimpfen, der das probiert, sondern auf die Baubehörde die Baurecht nicht durchsetzt. Zwischen den Zeilen kann man lesen, dass nicht nur dem Bauherrn ein "Ruf" vorauseilt, sondern auch der dazugehörigen Baubehörde. Wenns jedesmal nur mit einem Bußgeld aus der Portokasse ausgeht, dann läuft was falsch!