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BAD KÖNIGSHOFEN
Zu Besuch auf zwei Kontinenten
Emotionaler Rückblick: Jonathan Steinhardt und Viktor Toth (hinten) lassen am Laptop bei ihrem Vortrag im kleinen Kursaal der Frankentherme noch einmal die Erinnerungen an ihr freiwilliges Jahr wach werden.
Foto: Hanns Friedrich | Emotionaler Rückblick: Jonathan Steinhardt und Viktor Toth (hinten) lassen am Laptop bei ihrem Vortrag im kleinen Kursaal der Frankentherme noch einmal die Erinnerungen an ihr freiwilliges Jahr wach werden.
Silke Kurzai
 |  aktualisiert: 26.04.2023 21:06 Uhr

Viele Zuhörer waren am Freitagabend der Einladung des Bad Königshöfer Lions Clubs gefolgt, um aus erster Hand etwas über die Erfahrungen zu hören, die Jonathan Steinhardt aus Herrschfeld als junger Entwicklungshelfer in Argentinien gesammelt hatte. Ein Jahr lang hatte er dort nach dem Abitur im Dienst von „Kulturweit“, einer Organisation des Auswärtigen Amtes, gearbeitet.

Jonathans Mutter Hildegard, momentan Präsidentin des Lions Clubs Bad Königshofen, hatte für die Besucher gleich eine Überraschung parat. Mit dabei als Redner an diesem Abend war auch Viktor Toth, ein Freund ihres Sohnes, der ein Jahr lang im westafrikanischen Ghana im Auftrag von „weltwärts“, einer Organisation des Ministeriums für Entwicklungshilfe, tätig war. So wurden die Zuhörer an diesem Abend gleich auf zwei Kontinente geführt und lauschten den sehr persönlichen Berichten der beiden, die mittlerweile in Berlin studieren.

„Es war für mich eine Chance, mich auszuprobieren“, erklärte Jonathan seine Beweggründe, gleich nach dem Abitur den Sprung in eine neue Welt zu wagen. Schon als Schüler hatte er einige Monate in Brasilien verbracht und die Erfahrung gemacht, dass ihn die unterschiedliche Mentalität und die Lebensumstände dort zu einem anderen Menschen machten.

Nun also war sein Einsatzort Argentinien, wo er an einer Schule nach freier Gestaltung unterrichten sollte. Sehr schnell realisierte er, dass bei seiner Arbeit vor allem Improvisationstalent gefragt war, die sprachliche Verständigung erwies sich als äußerst schwierig und er erkannte, dass er den Zugang zu seinen Schülern, die aus ärmsten Verhältnissen stammten, am besten über die Musik finden würde.

Mit seiner Beat Box, schon zu Hause eines seiner großen Hobbys, verringerten sich die Sprachprobleme, der Rhythmus begeisterte die Kinder, einige zeigten großes Talent als Rapper. Gerappt wurde teils auf Spanisch, teils auf Deutsch, gemeinsam erstellte man Filme. Das Eis war gebrochen. Man hatte Riesenspaß miteinander.

So erfüllte Jonathan die Maxime, die man ihm in dem obligatorischen Vorbereitungsseminar mit auf den Weg gegeben hatte, auf seine Weise: „Wir machen den Rahmen. Du machst das Bild.“

Mit seiner Musik setzte er in die Tat um, was auch ihm Freude macht und erntete Begeisterung. Mit seinen Schülern steht er heute noch in Kontakt und wurde im vergangenen Dezember sogar noch einmal eingeladen.

Victor Toth dagegen brauchte eine ganze Weile, um in Ghana die Aufgabe zu finden, die ihn erfüllte. Er war mit festen politischen Ansichten nach Ghana gereist und entdeckte dort plötzlich eine ganz andere Welt. „Wenn man in Ghana aufwächst, wird man anders, als wenn man in Deutschland groß wird“, stellte er fest und obwohl ihn diese Erkenntnis zunächst verunsicherte, erweiterte sich sein Horizont und er lernte, toleranter zu sein.

Zunächst musste er sich allerdings gegen die vielfach praktizierte Korruption zur Wehr setzen, um seinen Platz zu finden. Er begann als Lehrer zu arbeiten, führte seine Schüler in die Welt der Computer ein, machte Malaria-Workshops und lernte die Ghanaer und ihre offene Herzlichkeit lieben. Recht schnell konnte er feststellen: „ Zeit hat in dem afrikanischen Land einen ganz anderen Wert als bei uns.“

Er lernte, die Mentalität der Ghanaer schätzen und fand die Menschen in Deutschland bei seiner Rückkehr eher verschlossen. So war die Rückkehr nach einem Jahr für ihn sehr schwierig: Vom Leben in Ghana, das ihn jeden Tag vor neue Herausforderungen stellte, musste er sich wieder in die Monotonie eines geordneten deutschen Alltags einfügen. Er brauchte eine ganz Weile, um sich wieder zurechtzufinden.

Mittlerweile studiert er in Berlin Jura und hat dort den Lebensraum gefunden, mit dem er sich identifizieren kann. Sein Wunsch ist es, nach Abschluss seines Studiums vielleicht im Dienste des Auswärtigen Amtes wieder ins Ausland zu gehen.

Auch Jonathan tat sich nach seiner Rückkehr zunächst sehr schwer und suchte eine ganze Weile nach seinem zukünftigen Beruf. Mittlerweile hat er seinen Weg gefunden Er studiert Medientechnik, will Filme und Projekte verwirklichen. Beide haben das Jahr ihres Aufenthaltes auch für zahlreiche Reisen genutzt, auch in die Nachbarstaaten.

Jonathan war dabei finanziell über die Organisation abgesichert. Er erhielt monatlich 350 Euro und seine Eltern bezogen weiter Kindergeld. Nur die Reisekosten musste er selbst tragen. Die Erfahrungen, die er bei seinem Einsatz machte, haben auch ihm geholfen, sich über seinen weiteren Lebensweg klar zu werden. Für ihn steht fest: Nach seinem Studium will er nach Brasilien ziehen und dort arbeiten.

Informationen über die Tätigkeit im Rahmen eines sozialen Jahres gibt es im Internet: www.kulturweit.de und www.weltwaerts.de.

 
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