Der Besucher schlendert über den Bad Neustädter Marktplatz und plötzlich eilt aus der Storchengasse ein mittelalterlicher Wärter herbei. Ein Minnesänger gesellt sich hinzu und stimmt sein Liedchen an. Eine seltsame Vorstellung? Nicht für Marco Schmitt. Er ist einer von drei neuen Stadtführern in Bad Neustadt und möchte die Führungen digitaler gestalten. Dabei kann er sich auch vorstellen, sogenannte Augmented-Reality-Brillen einzusetzen. Die Stadtführungs-Teilnehmer könnten dann mit eigenen Augen sehen, wie ein bestimmter Ort oder der allgemeine Alltag in Bad Neustadt vor vielen Jahren ausgesehen haben könnten.
Die Idee mit der speziellen Brille ist nur eine von vielen, die sich Marco Schmitt, dessen Stadtführer-Amt offiziell im April beginnt, in der Vorbereitung auf seine neue Aufgabe überlegt hat. "Es gibt hier ja bereits vier sehr erfahrene Stadtführer. Die Nachfrage nach Führungen wurde immer größer und so entdeckte ich eines Tages einen Aufruf im Stadtmagazin", schildert Schmitt und fügt hinzu: "Ich finde es toll, dass nun noch einmal drei neue Stadtführer dazu kommen". Denn jeder hat seinen eigenen Stil, jede Führung sei so individuell und besonders.
Viel von der Welt gesehen und doch der Heimat verbunden geblieben
Der Bewerbung als Stadtführer folgte ein Auswahlgespräch bei Michael Feiler und Susanne Kaiser (Tourismus und Stadtmarketing). Drei Probeführungen mit den bisherigen Stadtführern und den anderen Anwärtern gehören ebenfalls zur Vorbereitung. Und vor allem eines: viel Eigeninitiative. "Seit November bereite ich mich vor, in dieser Zeit habe ich die Stadtchronik praktisch auswendig gelernt", erzählt Marco Schmitt und lacht. Dies ist ihm aber nicht schwer gefallen, da er schon immer viel Interesse an Geschichte hatte. "Dennoch erlebte ich viele Überraschungen während der Vorbereitung. Man denkt immer, als Neuschter weiß man schon alles, aber dem ist eben doch nicht so", ergänzt der neue Stadtführer.
Marco Schmitt ist viel herumgekommen in der Welt, war beruflich zehn Jahre im Ausland, unter anderem in den USA, Nigeria und verschiedenen arabischen Ländern. Und dennoch ist der 44-Jährige als waschechter Neuschter seiner Heimat immer verbunden geblieben. Seit einiger Zeit lebt er nun wieder in der Gartenstadt, zusammen mit seiner Frau und den beiden Kindern, die drei und sechs Jahre alt sind. Er arbeitet als Ingenieur bei Siemens und absolviert derzeit seinen Master of Science in Form eines Vollzeit-Fernstudiums mit dem Schwerpunkt Digitalisierung.
Den Gedanken an die Vergangenheit aufrecht erhalten
Sein Studium inspiriert Marco Schmitt auch in Bezug auf seine neue Aufgabe. So plant er, bei seinen Stadtführungen etwa alte Stadtansichten als Fotos auf einem Tablet zu zeigen. Einen eigenen Bad Neustadt-Chatbot als digitalen Stadtführer hat er mithilfe von künstlicher Intelligenz ebenfalls programmiert, den er sogleich vorführt. Er öffnet eine Internetseite auf seinem Smartphone, gibt die Frage "Wie alt ist das Hohntor?" ein und schon erscheint die Antwort: "1580 bekam das Hohntor seine heutige Form..."
Trotz aller neuen Technik ist es ihm wichtig, den Gedanken an die Vergangenheit aufrechtzuerhalten, meint Schmitt. So wird ein Schwerpunkt seiner Führungen wohl das Mittelalter sein. Hier kann er sich auch vorstellen, als Stadtführer in eine Mittelalter-Montur zu schlüpfen. Sein aktuelles Lieblingsthema ist die Demokratie. "In Bad Neustadt gab es die erste richtige Demokratie mit gewählten Stadträten und Bürgermeistern aus der Mitte der Bevölkerung bereits vor mehr als 430 Jahren", erläutert Marco Schmitt.
Allgemeinwissen mit spannenden Geschichten verknüpfen
Er freut sich auf die neue Aufgabe, denn er steht neuen Herausforderungen immer offen gegenüber. Mit einem Augenzwinkern fügt Schmitt hinzu: "Außerdem kann ich als Stadtführer reden und die anderen müssen zuhören, das gefällt mir." Er rät auch allen Bad Neustädtern, selbst einmal eine Stadtführung mitzumachen, um die eigene Heimat mit anderen Augen zu sehen. Bei seinen Führungen möchte er Allgemeinwissen mit spannenden Geschichten verknüpfen. So zum Beispiel mit der Anekdote über die Aufstellung der Figur auf dem Marktbärbel-Brunnen, die ungeniert ihr Hinterteil gen Stadtpfarrkirche streckt ("Muss ein riesiger Skandal gewesen sein damals, als die aufgestellt wurde", so Schmitt). Gerne mag er auch den "Planet der Zwerge" hinter dem Stiftungs-Altenheim, der ist besonders für Kinder interessant.
Seine erste Stadtführung wird er am 18. April durchführen. Fest steht bereits, dass er am 26. April eine Gruppe aus Regensburg durch die Saalestadt führen wird. Ob er aufgeregt sein wird, wenn er das erste Mal alleine einer Besuchergruppe seine Heimat näher bringen soll? "Nein, ich denke, da werde ich ganz entspannt sein. Ich war früher in meinem Unternehmen für die duale Ausbildung zuständig, da musste ich vor 60 Studenten sprechen."
Der ganz persönliche Lieblingsort von Marco Schmitt ist übrigens die Luitpoldhöhe: "Das hat mit einem besonderen Ritual zu tun. Wann immer ich früher mit dem Flieger in die Welt gestartet bin, habe ich mich stets einen Tag vorher auf der Luitpoldhöhe von Bad Neustadt verabschiedet."