„Pigor singt. Benedikt Eichhorn muss begleiten.“ – So steht es auf der Ankündigung zum Kabarettabend im Bildhäuser Hof. Der Saal ist voll. Viele Menschen freuen sich auf ein Wiedersehen. Es ist ein Heimspiel, zumindest für Thomas Pigor. Ob man sein hinreißendes Bekenntnis zum Schluss ernst nehmen darf: „Ich will wieder heim – nach Unsleben“?
Mutter ist die in der Region weithin bekannte Mundartpoetin Cilly Pigor, Vater Tierarzt in Pension. Sohn also Musiker, Rapper und Kabarettist. Ein sehr erfolgreicher übrigens.
Klavier und Gesang ist angesagt, mit Wortgewalt und Stil, das Hick-Hack der vergangenen Jahre zwischen den beiden geht also weiter. Nach sieben gemeinsamen Programmen hat sich die Stimmung zwischen ihnen nicht verbessert. Eichhorn begehrt zwar auf, kann sich aber gegen den dominanten Pigor nicht durchsetzen.
Den großen Themen der Philosophie nähern sie sich ebenso wie den Skurrilitäten des Alltags, jedoch in unerwarteten Problemstellungen. Themen der Tagespolitik bieten Angriffsfläche genug.
Seit 1995 agieren die beiden zusammen, sind bekannt geworden durch ihren Salon-Hip-Hop: eine moderne Spielart des kabarettistischen Liedes, ein deutsches „Chanson a texte“, das aktuelle Musik mit satirischen Inhalten zusammenbringt. Zwischen den Songs liefern sich der Sänger und der Pianist einen unterhaltsamen, intelligenten Kleinkrieg, der den roten Faden des Programms darstellt.
Die Kulturwerkstatt als Gastgeber feiert in diesem Jahr 30-jähriges Bestehen, seit 18 Jahren laufen die Programme im Bildhäuser Hof. Pigor & Eichhorn waren schon im ersten Jahr dabei. Genug der Vorrede, Vorhang auf: Polternd betritt Pigor die Bühne, im Schlepptau Eichhorn, schließlich „muss“ der ihn ja am Klavier begleiten. Macht er großartig.
Pigor heult den Mond oder sonstwen an. Dann erhebt er seine Stimme: Man wolle das Publikum zwar intelligent unterhalten, aber nicht allzu intelligent, um niemanden zu vergraulen. So ist das also. Pigor selbst trinkt, isst und spricht mit vollem Mund, völlig gelassen und selbstverständlich hält er dies für kultiviert.
Dass die Mühlen anders mahlen, in Berlin, als auf dem flachen Lande, weiß jeder. Pigor nimmt den neuen Flughafen aufs Korn. Eine ganze Menge weiterer hochinteressanter Themen hat das Paar zu bieten: ein jedes aber nur drei Minuten lang. Dann klingelt der per Handy vorprogrammierte Wecker. Drei Minuten könne schließlich jeder zuhören auch wenn ihn das betreffende Thema überhaupt nicht interessiert.
Drei Minuten für jedes Thema
Als da wäre die Geschichte der doppelten Buchführung, von Eichhorn hinreißend zusammengefasst, Pigor fläzt sich dazu gähnend im Sessel. Für den Ausflug in die Politik reichen die angesetzten drei Minuten nicht, aber der Wecker läutet unerbittlich ab. Für das Power-Napping, drei Minuten absolute Stille in Dunkelheit, unterbrochen nur von sanftem Gezirpe einer Lerche, dehnt sich die Zeit schier unendlich. „Und dafür zahlen die Leute noch Eintritt“, wundert sich Pigor.
Die Sache mit der „To-do-Liste“ scheint ihn heftig zu bewegen: Da tut und rackert man und die Liste dessen, was man noch tun muss, wird lang und länger. Er rappt den Song „Hö-hi-ho“ – was der Kollege mit einem läppischen „Hä“ quittiert, für Menschen auf dem Land aber leicht verständlich ist: Wo willst du dein Heu hinhaben?
Dazwischen der Esperanto-Sprachkurs, selbstverständlich im Dreiminutentakt, und die Hymnen, immer alle Teller leer zu essen und von der Tatsache, dass immer jemand ein Loch bohre in Deutschland. Das Publikum freut’s, noch mehr die gleich mehrfach gegebenen Zugaben am Schluss. Sie münden in der Tatsache, dass sich Pigor und Eichhorn wohlfühlen im Land der ewig maulenden Rentner. Bravo.