Liebe Leserin, lieber Leser,
Führen Sie manchmal Selbstgespräche? Ich meine echte Selbstgespräche. So wie der altehrwürdige Heinz Ehrhardt. Der erzählt, wie er in einer etwas überraschenden Situation (ein Herr klopft ihm mit dem Schirm auf den Kopf) beginnt, bei sich selbst zu überlegen, was nun zu tun sei: „Herr Ehrhardt,“ sag ich da zu mir…. Ach nein, nein ….. „HEINZ“ sagte ich natürlich …. Ich sag ja Du zu mir…..“.
Gemeinhin gilt es ja als ein wenig schräg, Selbstgespräche zu führen. „Redest du jetzt schon mit dir selbst?“. Wobei einem in letzter Zeit ja immer häufiger jemand begegnet, der - etwa mitten im Supermarkt - in einen angeregten Dialog mit sich selbst vertieft zu sein scheint. Doch dann entdecke ich die Knöpfe im Ohr und merke, das ist nur der Mann beim obligatorischen Samstagseinkauf, der sich gerade telefonisch rückversichert, ob es auch ein anderer Weichspüler sein darf.
Wenn ich auf die letzten eineinhalb Jahre schaue, kommt mir noch eine andere, eher nachdenkliche Vermutung: Dass in diesen 18 Monaten vielleicht mehr Selbstgespräche geführt wurden als in vielen Jahren davor. In abgeriegelten Alten- und Pflegeeinrichtungen, in einsamen Krankenzimmern, an verwaisten Theken geschlossener Gastwirtschaften, hinter den verschlossenen Türen des Einzelhandels, auf leeren Theaterbühnen und in verstummten Kirchen: Selbstgespräche "Ich hab schon anderes geschafft! Womit hab ich das verdient? Mit allem habe ich gerechnet, aber mit sowas! Lass Dich bloß nicht unterkriegen! Du kannst auch anders! Ich kann nicht mehr! Dann machst du eben etwas anderes!"
Im Psalm 103 heißt es: „Lobe den Herrn meine Seele, und vergiss nicht, was er Dir Gutes getan hat.“ Auch da redet einer mit sich selbst. Redet seiner „Seele“ gut zu. In vielen Psalmen gibt es diese inneren Seelengespräche. Eigentlich gelten die Psalmen als das große Gebetbuch der Bibel. Aber offenbar ist manches Selbstgespräch ganz nah am Gebet, außer da steckt ein Knopf im Ohr.
Harald Richter,
Seelsorger im Rhön-Klinikum Campus, Bad Neustadt