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Ostheim
Wort zum Wochenende: Ohne Judas keine Frohe Botschaft
Bearbeitet von Jochen Reitwiesner Hermann Spiegel
 |  aktualisiert: 08.04.2023 02:29 Uhr

Wussten Sie, liebe Leserin, lieber Leser, dass Standesämter bei der Namensgebung eines Kindes den Namen „Judas“ ablehnen können? Zum Wohle des Kindes! Und in der Tat, der Name Judas ist ausschließlich mit negativen Vorstellungen behaftet.

Denken wir nur an Begriffe wie: Du Judas, Judaskuss, Judaspuppe und Judasfeuer, Judaslohn. Der Name spricht für Treulosigkeit, Habgier und Bestechlichkeit. Auf Darstellungen sind seine Erkennungszeichen Geldsack, schwarzer Nimbus (Heiligenschein), finsterer Blick, gelbes Gewand  (gelber Judenstern im Dritten Reich!), rotes Haar als Hinweis auf Teufel und Hexen.

Und schlimmer noch, Judas wurde zur Symbolfigur für „den Juden“ schlechthin: hässlich, krumme Hakennase, misstrauischer Blick. An manchen Kirchen gab es sogar die Abbildung einer „Judensau“. Nicht verwunderlich, dass es immer wieder zu furchtbaren Ausschreitungen gegen Juden kam, bis heute. Erlauben Sie mir, hier ein paar Gedanken in Form eines fiktiven Briefes an Judas Iskarioth auszudrücken.

Lieber Judas, Mann aus Karijoth! Du warst unter den zwölf Aposteln der einzige Judäer, alle anderen waren Galiläer, wie auch dein Meister. Man behauptet auch, du seist ein Anhänger der Iskarier gewesen, einer Gruppe von antirömischen Widerstandskämpfern, die auf einen politischen Messias, einen Befreier von der römischen Besatzungsmacht hofften.

Hast du deshalb drei Jahre lang die vielen Entbehrungen, Anfeindungen und Bedrohungen mit deinem Herrn ausgehalten? Hast du vielleicht durch deine Tat Jesus nur nötigen wollen, sich endlich als der Messias, „der mein Volk erlösen soll“, zu beweisen? Oder warst du am Ende von der unpolitischen Botschaft „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ enttäuscht? Und schließlich: Hat Jesus in dir wirklich einen Verräter gesehen?

Im Johannesevangelium (13,26) heißt es: Jesus nimmt ein Stück Brot, taucht es ein und reicht es dir. Eine Geste, die wir heute gar nicht mehr voll verstehen. Sie war nämlich Ausdruck innigster Liebe und Zuneigung. Ich bin auch überzeugt, dass Jesus dich geliebt hat. Es fällt mir deshalb schwer, dein Verhalten so anzunehmen wie es in den Evangelien beschrieben ist.

Selbst über dein Ende wird unterschiedlich berichtet. Nach Matthäus (27,1-5) hättest du noch in der Nacht vor Jesu Hinrichtung Selbstmord begangen, während in der Apostelgeschichte (1,18 und 19) du mit dem erhaltenen Lohn ein Grundstück gekauft haben und dort verunglückt sein sollst. Wie alles sich wirklich ereignet hat, das weißt nur du allein, lieber Judas. Deshalb liegt es mir fern, mir ein Urteil über dich – und schon gar nicht eine Verurteilung -  zu erlauben. Ganz im Gegenteil!

Mir gefällt die Meinung des Theologen Vinzenz Ferrer (1350 – 1419), der dir sogar die ewige Seligkeit zuspricht. Nach ihm hättest du versucht, dich Jesus auf seinem Kreuzweg zu nahen, um Verzeihung zu erlangen, was die riesige Volksmenge jedoch verhindert habe. Die Verzeihung hättest du von Jesus aus der Ferne bekommen.

Und auch heute gibt es solche Meinungen. Walter Jens schreibt 1975 in seinem Buch „Der Fall Judas“, ihm, also dir, sei es zu verdanken, dass in Erfüllung ging, was bei den Propheten über den Menschensohn steht. Hättest du dich nämlich geweigert, du wärest an Gott zum Verräter geworden. Also warst du nötig, um den göttlichen Heilsplan zu erfüllen.

Und im 1971 uraufgeführten Musical „Jesus Christ – Superstar“ wird die Frage gestellt, ob du nicht nur ein Steinchen im großen Mosaik der Heilsgeschichte warst, das Gott vorher geplant hat. Daran hättest du nichts ändern können.

Das dir zu schreiben, lieber Judas, war mir ein  großes  Anliegen. Und ich schließe meine Gedanken mit einer gewagten Behauptung: ohne dich, Judas, kein Kreuz, ohne Kreuz kein Ostern, ohne Ostern keine Kirche. Konsequenz: Ohne Judas also auch keine Frohe Botschaft: Jesus ist auferstanden und bleibt bei uns bis zum Ende der Welt (Matth. 28,20).

Gesegnete Kartage und frohe Ostern!

Zum Autor: Hermann Spiegel ist ist ehrenamtlicher Mitarbeiter in Ostheim. 

 
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