Liebe Leserin, lieber Leser!
"Wie soll ich dich empfangen und wie begegne ich dir?", in diesem alten Kirchenlied der Adventszeit von Paul Gerhardt aus dem Jahr 1653 (EG 11) erzählt der singende Beter, wie er Trost, Heilung, Lebenshoffnung und Liebe in Jesus fand. Diese Erfahrung möchte er auch den anderen zugutekommen lassen. Sie sollen ebenfalls Ruhe und Seelenfrieden finden, indem sie diesem Gast die Tür ihrer Herzen öffnen.
Ja, „Lieber Jesus, sei unser Gast …“ Prinzipiell haben wir gerne Gäste! Aber die richtigen müssen es sein! Die, die uns am Herzen liegen, die vielleicht unkompliziert und mit uns auf der gleichen Wellenlänge sind, gegebenenfalls noch etwas mitbringen, was erfreut. Was ist aber mit den weniger erfreulichen Seiten der Gäste? Was, wenn nicht nur der „liebe Herr Jesus“ an meinem Tisch sitzt, sondern auch der fordernde, der unbequeme, der, der auch die Wahrheiten an mir zu Tage fördert, die ich doch in der Idylle eines Weihnachtsfestes in Lichtern und Lametta glänzend verstecken will? Und vielleicht bringt er sogar noch ein paar Arme und Vernachlässigte mit; so, wie es seine Art ist.
Jesus kann anstrengend, unbehaglich und unbequem sein! Das war er schon damals für seine Zeitgenossen! Also: „Wie soll ich dich empfangen und wie begegne ich dir?“ – Vielleicht würde er ja sagen: „Sei einfach ehrlich, gelassen, freudig offen für das, was der Himmel bringt, und vor allem menschlich!“ Denn Gott macht es uns vor, er wird Mensch in einem kleinen Kind – und über allem weihnachtlichen Glanz der Krippe steht der Stern der nachsichtigen, gütigen und gnädigen Liebe.
Die Autorin: Marion Ziegler, Pfarrerin in der Klinikseelsorge am Rhön-Klinikum Campus, Bad Neustadt und im Schuldienst.