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MELLRICHSTADT
Wo Zaun und Minen die Deutschen trennten
Der Wachturm – ein Relikt aus einer Zeit, als Deutschland geteilt war, es einen Grenzzaun gab und den Schießbefehl. Für die Schülerinnen und Schüler beeindruckende Reste eines unmenschlichen Systems.
Foto: Hanns Friedrich | Der Wachturm – ein Relikt aus einer Zeit, als Deutschland geteilt war, es einen Grenzzaun gab und den Schießbefehl. Für die Schülerinnen und Schüler beeindruckende Reste eines unmenschlichen Systems.
Hanns Friedrich
Hanns Friedrich
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:37 Uhr

Einen Ausflug in die jüngste deutsche Geschichte unternahmen Schüler der Udo-Lindenberg-Mittelschule Mellrichstadt. Sie besuchten das Museum für Grenzgänger, die einstige deutsch-deutsche Grenze und den Skulpturenpark auf der Schanz zwischen Eußenhausen und Henneberg.

Bereits im Vorfeld hatte Lehrerin Kerstin Sauer ihre Klassen durch den Film „Als Zaun und Minen Menschen trennten“ auf diesen Tag vorbereitet. Für die Schüler war es eine Reise in eine deutsche Vergangenheit, die sie nicht kannten. Junge Menschen können es sich heute kaum mehr vorstellen, dass 40 Jahre lang ein 3,20 Meter hoher Metallgitterzaun und Minenfelder Deutsche von Deutschen trennten, so Lehrer Christian Hemmert.

Grund genug, Augenzeugen vor Ort zu befragen, den Grenzzaun zu sehen und zu erfahren, wie diese Trennung denn ausgesehen hat. Kreiskulturreferent Hanns Friedrich berichtete am noch vorhandenen Grenzzaun zwischen der thüringischen Gemeinde Rieth und dem fränkischen Zimmerau von der Zeit der deutschen Teilung. 1396 Kilometer lang war die einstige Grenze – von Hof bis zur Ostsee. Der Landkreis Rhön-Grabfeld war einst von der „östlichen Welt regelrecht abgeschnitten“, so Friedrich. „Durch den Grenzzaun konnte nicht einmal eine Maus schlüpfen“, befanden die Schüler der Klasse 9 M.

Interessiert lauschten die Schüler, als Hanns Friedrich von Flüchtlingen erzählte, die mit einem Eisenstift im Schuh den Grenzzaun überwunden hatten. Er berichtete von der letzten Flucht im Jahr 1989 bei Eicha, als sich eine Familie einen Aufsatz für den Trabi baute, um den Grenzzaun zu überwinden. Die Jugendlichen erfuhren von Grenzsoldaten, die schweigsam waren, dafür aber fleißig die Gegenseite fotografierten. Geschichten, die sie nicht kannten, denn die 14- bis 15-Jährigen sind im wiedervereinigten Deutschland aufgewachsen. Sie kennen nur die Freiheit, dorthin zu gehen und zu fahren, wohin man möchte. Passierscheine oder Grenzkontrollen, wie es sie 40 Jahre zwischen Ost- und Westdeutschland gab, erschienen ihnen geradezu unglaublich.

Bei der Grenzwanderung erfuhren die Schüler, dass die Grenze zur DDR das Leben in Rhön, Grabfeld und den Haßbergen stark einschränkte. Dabei wurden bei der Grenzziehung nach dem Zweiten Weltkrieg oftmals familiäre Kontakte regelrecht zerschnitten, ganze Dörfer, die einst direkt an der Grenze lagen, dem Erdboden gleich gemacht. Lediglich der Friedhof, die Wasser- und Stromversorgung blieben. Bestes Beispiel dafür sind die Gedenkorte Billmuthhausen bei Coburg oder Leitenhausen bei Rieth.

Von Kfz-Sperrgraben, Y-Absperrungen, Signalanlagen und Stolperdrähten so wie dem Sicherungsstreifen erfuhren die Jugendlichen ebenfalls. Dann konnten sie bei Gompertshausen noch einen sogenannten Führungsbunker besichtigen, dazu einen Wachturm mit Schlaf- und Aufenthaltsmöglichkeiten unter der Erde und einem großen Schweinwerfer samt Maschinengewehr auf dem Dach, um Menschen an der Flucht in den Westen zu hindern.

Auf die Gefahr der vor Ort im einstigen Grenzgebiet verlegten Minen verwies Friedrich immer wieder. So manche konnten das nicht so recht glauben. Eindrucksvoll war für die Schüler auch der Besuch im Museum für Grenzgänger, wo ein Modell der letzten perfektionierten Grenzanlagen zu sehen ist, ebenso einer Selbstschussanlage oder Minenmodelle.

Eine Wiedervereinigung Deutschlands? Daran habe vor allem im Grenzland kaum jemand geglaubt, sagte der Kreiskulturreferent. „Ein Wunder“ nannte er es, dass diese Wiedervereinigung 1989 friedlich über die Bühne ging. Heute scheint es fast so, als hätte es diese Grenze nie gegeben.

Ein fast schon obligatorisches Bild beim Besuch der ehemaligen Grenzanlagen wie hier bei Rieth in Thüringen: Schülerinnen und Schüler der Udo-Lindenberg-Mittelschule Mellrichstadt vor den Resten eines Original-DDR-Grenzzaunes mit ihren Lehrern Kerstin Sauer und Christian Hemmert.
Foto: Hanns Friedrich | Ein fast schon obligatorisches Bild beim Besuch der ehemaligen Grenzanlagen wie hier bei Rieth in Thüringen: Schülerinnen und Schüler der Udo-Lindenberg-Mittelschule Mellrichstadt vor den Resten eines ...
 
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