Für die einen ist es die Enzyklopädie schlechthin, für andere eine Ansammlung von schlecht recherchierten Informationen. Egal ob Gegner oder Befürworter, an diesem Freitag wird Wikipedia 15 Jahre alt. Und seit 2001 hat sich einiges an Informationen angesammelt – auch zahlreiche Artikel über Bad Neustadt. Pünktlich zum Geburtstag hat Stadtarchivar Thomas Künzl Wikipedia einem Faktencheck unterzogen. Suchbegriff: Bad Neustadt an der Saale.

Wikipedia wird an vielen Schulen und Universitäten oft kritisch betrachtet, und auch viele Journalisten vertrauen dieser Informationsquelle nicht blind. Doch die Informationen über die Elektromobilitätsstadt sind Künzl zufolge richtig. „Ich habe bisher nur einen Fehler gefunden und ihn gleich entfernt. Im Text wurde behauptet Bad Neustadt, sei eine ,nationalsozialistische Gemeinde‘, da sie Hitler als eine der ersten zum Amt des Reichskanzlers gratuliert hatte. Das war damals aber ein ganz normaler Vorgang und außerdem gibt es für diesen Mythos keine Belege.“

Als Wikipedia-Autor, der seit 2008 zahlreiche Artikel veröffentlicht hat, kann der Stadtarchivar Kritik an der Online-Enzyklopädie nicht nachvollziehen. „Jeder Mensch hat doch die Möglichkeit einzugreifen und Fehler zu entfernen. Außerdem kann man jederzeit verfolgen, was von wem verändert wurde. Das kann man beim Brockhaus nicht. Deshalb finde ich Wikipedia demokratischer und besser nachvollziehbar. Außerdem entwickelt sich die Enzyklopädie ständig weiter und wird mit jeder Verbesserung besser.“

Seiner Meinung nach bestehen die Mängel von Wikipedia nicht in dem Wahrheitsgehalt der Informationen, sondern in deren Anzahl. „Vor allem über die Geologie und das Klima in Bad Neustadt findet man zu wenig. Dies müssten aber Menschen ausbauen, die sich auch mit der Materie auskennen.“

Nicht nur das Stadtarchiv, sondern auch die Stadt Bad Neustadt hat das Potenzial von Wikipedia für den Tourismusbereich erkannt. Auch in Schulen findet die Seite immer mehr Zuspruch – wie etwa an der Mittelschule in Bad Neustadt. „Die Schüler nutzen die Internetseite als erste Anlaufstelle für Referate. Das ist auch in Ordnung, solange man ihnen klarmacht, dass sie nicht allen Informationen blind vertrauen dürfen“, so Konrektor Stephan Zimmermann.

Als medienpädagogischer und informationstechnischer Berater am Schulamt im Landkreis Rhön-Grabfeld sind für ihn einige Texte für den Schulgebrauch dennoch ungeeignet, und deshalb rät er den Jugendlichen lieber zu Schüler-Lexika wie „Blinde Kuh“ und „Frag Finn“. Manche Artikel seien sehr verkürzt geschrieben, sodass man wissenschaftliche Prozesse nicht nachvollziehen könne. „Außerdem sind die Artikel für Schüler oftmals zu unverständlich geschrieben.“

Was ist ein Lexikon?

Im Gespräch bestätigten Zehntklässler, dass sie Wikipedia als häufigste Informationsquelle nutzen, da sie bei vielen Suchmaschinen an erster Stelle erscheint. Aber auch das Kopieren der Texte, um die eigene Note auszubessern, wird immer beliebter. „Meistens kopieren die Schüler Passagen, die sie selber nicht verstehen. Es ist unsere Aufgabe als Lehrer, den Schülern in so einem Fall einen kritischen Umgang mit Medien näherzubringen“, so Zimmermann. Auf die Frage hin, wie viele Schüler ein Lexikon in Buchform nutzen, bricht im Klassenraum Gelächter aus. „Wir haben so etwas zu Hause, aber das gehört meinem Vater“, sagt Mette.

Diese Reaktion bedauert Lehrerin Petra Ziegler. „Der Blick ins Buch ist bei den Jugendlichen verloren gegangen. Das Buch hat sehr an Bedeutung verloren, weil Wikipedia es ersetzt hat.“

In der Werner-von-Siemens Realschule wird der Umgang mit Wikipedia für schulische Zwecke sogar verboten. Da jeder die Texte auf Wikipedia verbessern, schreiben und umändern kann, bezweifelt Konrektorin Maria Elsner die Qualität der Informationen.