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BISCHOFSHEIM
Wie sich der Kreuzberg verändert
Angelika Somaruga: Erstmals hat auf dem Heiligen Berg der Franken eine Frau das Sagen. Ein Gespräch über Glauben, Bier und Widerstände.
Wie sich der Kreuzberg verändert       -  Leitet die Gaststätte und die Brauerei des Franziskaner-Klosters auf dem Kreuzberg: Angelika Somaruga.
Foto: Anand Anders | Leitet die Gaststätte und die Brauerei des Franziskaner-Klosters auf dem Kreuzberg: Angelika Somaruga.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 27.04.2023 01:19 Uhr

Sie ist die erste Frau, die Gaststätte und Brauerei des Franziskaner-Klosters auf dem Kreuzberg leitet. Und sie will verändern, behutsam, aber durchaus bestimmt. Angelika Somaruga hat vor gut eineinhalb Jahren die nach ihrer Schätzung umsatzstärkste Gastronomie Unterfrankens übernommen. Damit steht zum ersten Mal seit 1731 kein Ordensmann an der Spitze der Wirtschaft – sondern eine Frau mit Selbstbewusstsein und eigenem Kopf. Das gefällt nicht jedem. Ein Gespräch über Security auf dem Heiligen Berg, bissige Gäste und natürlich Bier.

Frage: Mögen Sie eigentlich Bier?

Somaruga: Ja, ich trinke gelegentlich Bier. Aber ich gebe offen zu: Ich bin Fränkin und trinke am liebsten Wein. Das kann ich gut vertreten, denn ich leite ja nicht nur den Kreuzberg, sondern auch das Kloster Engelberg mit einem Weinberg. Aber wenn Bier, dann schon Kreuzbergbier.

Es heißt, Ihr Motto sei „Verändern, um zu bewahren“. Wie leicht oder schwer fällt das als erste Frau an der Spitze des Kreuzbergs?

Somaruga: Ich sage es mal so: Am Anfang habe ich mir das nicht so schwer vorgestellt. In meiner Naivität habe ich gesagt, ich bin eigentlich schon seit 2001 auf dem Kreuzberg, war bereits Stellvertreterin von Bruder Johannes Matthias. Natürlich hat jeder sein eigenes Wohlfühl-Gefühl, als Frau sieht man das alles anders als ein Mann. Aber es war erstaunlich, wie viel Feindseligkeit mir ins Gesicht geschlagen ist – auch von Seiten, von denen ich es eigentlich nicht erwartet hatte. Klar hatte ich mir im Vorfeld gedacht, dass es als erste Frau nicht einfach sein wird. Deshalb war es ja auch mein Wunsch an die Provinz, dass ich einen Aufsichtsrat an die Seite bekomme, dass wir uns austauschen.

 

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Und von welchen Seiten kam die Feindseligkeit?
Somaruga: Von allen Seiten, in die Tiefe möchte ich da nicht gehen.

Sie arbeiten mit fünf Brüdern und 70 Mitarbeitern. Welche Rolle spielt das Geschlecht im Alltag?

Somaruga: Es war für Außenstehende nicht leicht nachvollziehbar, dass Konvent und Wirtschaft durch meine Berufung eigentlich keine Einheit mehr sind. Man hat dann zum Beispiel plötzlich gesagt, seitdem die Frau Somaruga Geschäftsführerin ist, gebe es andere Kirchenzeiten. Nur, was habe ich mit Gottesdiensten zu tun? Das ist überhaupt nicht mein Metier. Oder generell wurde gesagt, man fände es nicht gut, wenn eine Frau nun in einem Männerorden das Sagen habe. Der Punkt aber ist: Es wird strikt getrennt.

Sie haben trotz aller Widerstände verändert. Was treibt Sie an?

Somaruga: Der Kreuzberg ist für mich ein Rohdiamant, dem an manchen Stellen der Schliff fehlt. Die Wirtshausstühle oder die Lamperie – das gehört dazu, das erwartet auch jeder. Aber das Drumherum kann man verfeinern, beispielsweise die Gasträume. In einem Raum soll immer eine gewisse Harmonie herrschen und ich habe versucht, das mit Farbe oder Tischwäsche zu erreichen. Was noch ansteht, sind die Toiletten. Da ist alles gefliest, es sieht aus wie ein U-Bahnhof. Der Bereich sollte der Halle angepasst werden, die im alten Stil mit Balkendecke gehalten ist.

Der Widerstand gegen solche Neuerungen war eine Anfangshaltung, vielleicht Schutzhaltung, weil ja jeder Rhöner sagt, es ist unser Berg. Mittlerweile äußern sich eigentlich fast alle begeistert.

Aber zunächst wurden kleinste Änderungen …

Somaruga: ... ganz bösartig kommentiert. Jetzt hat man jedoch erkannt, dass ich nicht zum Negativen verändern will, sondern den Wohlfühl-Charakter stärker herausstreichen will. Man muss sich heute am Markt behaupten und wenn nichts auf den Kreuzberg zieht, dann ist irgendwann der Kreuzberg tot.

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Sie „ziehen“ mit Fairtrade-Kaffee, Bio-Eis oder Milch von Rhöner Kühen. Das liegt im Trend. Passt es auch zum Heiligen Berg der Franken?

Somaruga: Ja, das passt zu unserem Slogan, den wir uns vorletztes Jahr zugelegt haben – „Glauben und Genießen“. Franziskus und die Franziskaner sind stark von der Bewahrung der Schöpfung geprägt und das ist einfach nur eine Umsetzung in der Wirtschaft.

Traditionell strahlt das Kloster eine spirituelle Atmosphäre aus. Wie lässt sich das mit literweise Bier und Massentrinken vereinbaren?

Somaruga: Das ist einfach der Ort hier. Als man angefangen hat, den Pilgern Bier anzubieten und herzustellen, war man sich wahrscheinlich nicht bewusst, was man da schafft. Es hat teilweise Züge angenommen, die so nicht gewollt waren. Ich habe versucht, das ein bisschen runter zu brechen, indem ich zeitweise Security beschäftige. Einfach aus dem Gedanken heraus: Egal was ist und ob hier eine Brauerei ist, es ist immer noch ein Kloster, an allererster Stelle.

Das ist glaube ich bei der Bevölkerung ein bisschen untergegangen, dass es nicht um Masse geht, sondern um Qualität und dass es ein heiliger Ort ist – auch wenn man vielleicht keine Brüder mehr sieht. Manche Gäste meinen, die müssten hier im Habit herumlaufen so wie die Affen im Zoo, dass jeder ein Foto machen kann. So ist es nicht. Im Vordergrund soll stehen, dass man gepflegt essen und trinken kann. Der Kreuzberg sollte nicht den Ruf haben, da gehen wir hin und machen Rambazamba. Das Komasaufen möchte ich nicht haben.

Wo kommt Security im Kloster zum Einsatz?

Somaruga: Nicht im Kloster, in den Wirtschaftsbereichen. Dort haben sie Rundgänge gemacht, Leute beobachtet und für Ruhe gesorgt. Was zum Beispiel keiner glaubt: Der schlimmste Tag im Jahr ist Karfreitag. Da kommen viele, die ein Problem mit der Kirche haben, betrinken sich, führen sich auf. Es ist auch einmal jemand in den Toiletten zusammengebrochen. Meine Mitarbeiter wollten helfen, da wurden manche Gäste aggressiv, einer wollte partout auf die Toilette und pöbelte nach dem Motto, was interessiert mich das, wenn hier einer im Sterben liegt. Das hat mich schon erschreckt.

Ist man nicht auch auf die Massen angewiesen?

Somaruga: Auf die Massen würde ich nicht sagen. Wir wollen nicht um jeden Preis Bier verkaufen. Wir haben die Wallfahrten, wir sind ein Besuchermagnet, aber wir wollen alles kanalisieren. Das Mystische des Ortes, das man hier am Kreuzberg einfach hat, soll vermittelt werden. Die Auswüchse wollen wir nicht, da muss man aufpassen.

Wäre das alles als Mann leichter?

Somaruga: Das glaube ich schon. Das gebe ich ganz offen zu.

Sie sind verheiratet, haben drei Kinder. Wie passt Familie neben den Alltag als Kreuzberg-Chefin?

Somaruga: Meine Kinder sind lange aus dem Haus, mein Mann unterstützt mich. Er ist ein leidenschaftlicher Kreuzberganhänger und kommt immer wieder als Gast. Und sagt dann, da müsstest du noch was machen und da. Aber er steht voll hinter mir.

„Als Mann wäre das alles leichter. Das gebe ich ganz offen zu.“
Angelika Somaruga, Geschäftsführerin Klosterbetriebe GmbH
 
Hunderttausende kommen jedes Jahr auf den Kreuzberg. Sie scheuen aber das Rampenlicht.

Somaruga: Ja, das ist nicht so meins. Es nimmt einem ein Stück Freiheit. An einem Sonntag wollte ich hinauf in den Berggasthof Elisäus. Es waren aber so viele Leute aus Bad Brückenau, wo ich wohne, da, die mich ansprachen und Verbesserungsvorschläge hatten. Irgendwann habe ich wirklich gekocht. Das ist der Nachteil, wenn dich jeder kennt: Dann meint jeder, auch er müsste sich hier verwirklichen, mit Vorschlägen vom Shuttle-Service bis zu was auch immer.

Und wie viele Leute kommen wirklich jedes Jahr?

Somaruga: Man sagt immer 600 000. Und ich sage, das stimmt nicht. Ich gehe von 800 000 aus. Allein am 3. Oktober kommen meist so 10 000 Leute. Der umsatzstärkste Tag war tatsächlich der 3. Oktober 2014, da reichte die Küchenschlange bis hinaus zur Kirchentreppe. Das war das Verrückteste, was ich hier je gesehen habe.

Was machen Sie als weltliche Leiterin und Hotelfachfrau besser als ein Ordensmann?

Somaruga: Gastronomie ist mein Herzblut seit meinem 17. Lebensjahr und ich habe eine fundierte Ausbildung. Bruder Johannes Matthias hatte auch eine Ausbildung, aber es ist auch viel Fachwissen erst am Kreuzberg gewachsen. Zudem ist bei Ordensangehörigen die Prägung anders. Kirchliche Einstellungen dominieren und das beißt sich manchmal mit der Gastronomie.

Wie sich der Kreuzberg verändert       -  Besuchermagnet: Hunderttausende zieht es jährlich auf den Kreuzberg.
Foto: Sonja Demmler | Besuchermagnet: Hunderttausende zieht es jährlich auf den Kreuzberg.
Wann?

Somaruga: Ich weiß zum Beispiel, dass Johannes Matthias immer Probleme hatte, wenn ihm hier am Karfreitag der blanke Hass ins Gesicht gesagt worden ist. Oder einmal war draußen jemand renitent und Johannes Matthias im Habit hat sich das verbeten – da hat der ihn gebissen. Es ist schon schwierig, als Bruder vorne dran zu stehen.

Jetzt stehen Sie vorne dran. Wie sieht der Kreuzberg in noch einmal eineinhalb Jahren aus?

Somaruga: Der Kreuzberg selber, das Haus, wird so bleiben, wie es ist. Ich will versuchen, den Kreuzberg ein bisschen in die Neuzeit zu holen, aber behutsam, angepasst. Schließlich gibt es Sachen, die verbindet man einfach mit dem Berg. Letztes Jahr ist zum Beispiel eine Bekannte gestorben. Ihr Mann kam auf den Kreuzberg, da war die Frau gerade zwei Tage tot. Das ist oft so, wenn etwas passiert. Und ich kenne einige Menschen, von denen man gesagt hat, das war der letzte Wunsch: noch einmal auf den Kreuzberg gehen. Das gehört auch dazu und das darf nicht untergehen.

Und Bier, das gibt es auch weiter?

Somaruga: Bier gibt es weiter, daran wird sich auch nichts ändern. Aber nur in Kaufflaschen, die man wieder füllen kann – es wird kein Massengut werden, das Sie irgendwo im Supermarkt billig kaufen können.

 


Angelika Somaruga

 

Die Geschäftsführerin der Franziskaner Klosterbetriebe GmbH stammt aus Pfaffenhausen bei Hammelburg und lebt in Bad Brückenau (beide Lkr. Bad Kissingen). Sie ist 57 Jahre alt, verheiratet und Mutter von drei erwachsenen Kindern. Die gelernte Hotelkauffrau mit Zusatzqualifikation als Personalfachkauffrau arbeitete zunächst in leitender Funktion in einem Hotel in Bad Brückenau.

Auf dem Kreuzberg ist sie seit 2001 in den Bereichen Buchhaltung und Personalverwaltung tätig. Die Stelle als Geschäftsführerin hat sie im August 2014 angetreten. Die Klosterbetriebe beschäftigen derzeit 70 Personen in Festanstellung. Jährlich kommen nach Angaben von Somaruga 800 000 Besucher auf den Kreuzberg.

 
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    Als Rhön-Biker fahren ich schon seit einigen Jahren nicht mehr regelmäßig zum Kreuzberg. Warum fragen Sie sich? Neulich nahm ich an einer Tagestour nach Miltenberg teil. Dabei wurde berichtet, das das gute Kreuzbergbier jetzt auch im Kloster Engelsberg zu haben ist.Somit hat man nach meiner persönlichen Meinung einer kleinen Traditionsbrauerei in Miltenberg die wirtschaftliche Existenz genommen und karrt nun das Bier vom Kreuzberg nach Miltenberg, na denn PROST ! Weiterhin ist man nicht in der Lage den Wallfahrtsgruppen im Antonius-Saal nach einem langen Fußweg zu mindestens eine kleine Brotzeit direkt anbieten zu können, so muss man lange Wartezeiten von bis zu 1 Std. in Kauf nehmen. Ich habe immer mehr den Eindruck das man als Radfahrer nicht mehr willkommen ist, somit hat sich der Treffpunkt der Radfahrer an die Gemündner Hütte verschlagen... .
    Karfreitag muss man den Bierausschank schließen- nur so kehrt Ruhe und Besinnung ein !
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  • N. K.
    Was für Altbayern und Schwaben Kloster Andechs, das ist für uns Franken der Kreuzberg!

    Als junger Mann hatte ich ausgiebig Gelegenheit, Andechs (übrigens nicht nur das Bier, sondern auch die grandiose Architektur) kennen zu lernen. Wenn es sich ergibt, suche ich beide Klöster auf. Die Entfernung des Klosters Andechs schreckt mich hier keineswegs.

    Von der Logistik in Andechs könnte Frau Samaruga sehr gut profitieren: ein beschränktes Angebot von Speisen, deftig, entsprechend fränkisch-bayerischer Gepflogenheiten. Haxen, Leberkäs (bitte nicht Fleischkäs - dieser Ausdruck passt nicht hierher), Backsteinkäs, Rettich und wenig mehr: das reicht. Damit kommen auch Besucher aus nördlicheren Gefilden - so wie in Andechs auch - klar. Wenn das denen nicht schmeckt, sollen sie zu Hause bleiben...
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    Der Kreuzberg ist ein Besuchermagnet. Jedes Jahr kommen mehr Gäste. Das ist eine gewaltige Herausforderung, die bisher von der neuen Leiterin gut bewältigt wurde. Ich will auch, dass der Kreuzberg so bleibt wie er ist, aber genau deshalb sind angemessene Änderungen notwendig.
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  • A. B.
    ..... dass Angelika Somaruga auf dem Kreuzberg einen tollen Job macht. Von sturen Traditionalisten, für die immer und ewig alles so bleiben soll, wie es einmal war, sollte sie sich nicht von ihrem eingeschlagenen Weg abbringen lassen.
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  • R. E.
    Und der Kreuzberg ist meiner Meinung nach genau so ein Ort.
    Dass man in leitender Funktion auf die Herausforderungen der heutigen Zeit angemessen reagieren muss, ist klar.
    Als regelmäßiger Kreuzberg-Wanderer (2-3 Besuche jährlich) und schon relativ viel in der Welt Herumgekommener wünsche ich mir, dass DER Berg der Franken mein und am besten noch viele Leben lang genau so bleibt, wie er ist.
    Diese Definition würde ich allerdings nicht an "Kleinkram" wie Tischdeko oder anderen dezenten Umgestaltungen fest machen. Daher wäre meine Hoffnung, dass es auch wirklich bei den behutsamen kleinen Veränderungen bleibt!
    Wir leben in so einer schnelllebigen Zeit, da dürfen Orte der Entschleunigung nicht der Schablone einer wirtschaftlich geprägten Betrachtung unterworfen werden.
    Liebe Frau Somaruga, bitte reflektieren Sie Ihre eigenen Äußerungen aus dem Interview oben einmal aus diesem Blickwinkel. Und lassen Sie sich um Himmels Willen nicht vor den "Geschlechterkampf" Karren spannen!
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  • C. H.
    Der Kreuzberg ist weder ein Hotel, noch eine gehobene Gastronomie, also ist diese Frau anscheinend hier unterfordert. Wie eine Klosterwirtschaft zu führen ist, hat Sie hingegen Null Ahnung. Nur neue Deckchen, kleinere Portionen, anderen Metzger oder Öku Produkte sind nicht der Weg zum Erfolg. Deftige Brotzeien rustikale Küche müssen nicht unbedingt Öko sein. Krawallmacher sind auch von den Gästen nicht erwünscht, aber gleich Ordnungsdienst, ist ja nicht Ihr Geld. Wenn sie nicht erkannt werden will ist das Foto ja genau richtig. Vielleicht machtes ja die Nachfolgerin oder Nachfolger ja bald wieder besser.
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