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Bad Neustadt
Bad Neustadts oberster Beamter geht: "Wichtig ist, dass man weiß, wer es weiß"
Nach der offiziellen Verabschiedung räumt der langjährige Geschäftsleiter Bad Neustadts, Michael Weiß, nach 33 Jahren nun endgültig seinen Schreibtisch. Was ihm besonders in Erinnerung blieb.
Der scheidende geschäftsleitende Beamte der Stadt Bad Neustadt, Michael Weiß, räumt nach 33 Jahren seinen Schreibtisch im Rathaus. 
Foto: Christian Hüther | Der scheidende geschäftsleitende Beamte der Stadt Bad Neustadt, Michael Weiß, räumt nach 33 Jahren seinen Schreibtisch im Rathaus. 
Christian Hüther
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:45 Uhr

Die Schreibtischseite hatte Michael Weiß in den vergangenen Wochen auf eigenen Wunsch schon gewechselt, nachdem er zuvor seinen Nachfolger Christoph Neubauer eingearbeitet hatte. Am Freitag, seinem letzten Arbeitstag vor dem Ruhestand, räumt der langjährige geschäftsleitende Beamte der Stadt Bad Neustadt ihn nach 33 Jahren Tätigkeit nun endgültig.

Die Gefühlswelt bei Weiß ist gemischt, wie er kurz vor seinem Abschied im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt. "Man geht mit Wehmut und das hat vor allem mit den Kollegen zu tun, die einen über die vielen Jahre begleitet haben", gibt der 63-Jährige zu. Auf den Team-Gedanken legte er bereits bei seiner offiziellen Verabschiedung vor einer Woche im Rathaus großen Wert. "Ohne die Kollegen ist man eigentlich nichts und kann auch nichts bewegen", stellt er klar. Die Konstanz in der Zusammenarbeit mit einigen Personen, darunter beispielsweise 24 Jahre gemeinsam mit Bürgermeister Bruno Altrichter, sei "ein Traum gewesen".

Lehrerberuf war eine Alternative

Dabei hätte Michael Weiß beruflich durchaus einen anderen Weg einschlagen können, erinnert er sich an die Zeit nach dem Abitur im Jahr 1976 zurück. "Der Lehrerberuf war eine ernsthafte Alternative", sagt er. Letztlich sei es ganz pragmatisch ein Abwägungsprozess zwischen "Pauker" und Verwaltungsbeamten gewesen, "da es trotz einer guten Staatsnote nach der Verwaltungsausbildung zur damaligen Zeit schwer gewesen sei, eine Anstellung als Lehrer zu finden."

Bereut habe er seine Entscheidung schon deshalb nicht, "weil ich das Glück gehabt habe in Verwaltungsbereichen tätig zu werden, in denen der berufliche Alltag nicht stereotyp abläuft". So sei es in den vergangenen Jahren nicht selten vorgekommen, dass an einem Tag keinerlei Dinge vom eigentlichen Plan abgearbeitet werden konnten, weil andere, tagesfüllende Dinge kurzfristig aufgeschlagen seien. 

"Wichtig ist, dass man weiß, wer es weiß"

Jedes Anliegen ernst zu nehmen, war Michael Weiß über all die Jahre wichtig. Er räumte auch mit dem Irrglauben auf, dass die Verwaltung alles sofort wisse. "Wichtig ist, dass man weiß, wer es weiß", spielt er auf wichtige Kontakte im und außerhalb des Rathauses an. Wenn diese gut gepflegt würden, könnten Probleme in vielen Fällen gelöst werden.

Ganz ohne Probleme oder Nebengeräusche liefen die 33 Dienstjahre für den Geschäftsleiter naturgemäß nicht ab. Nach dem Generationenwechsel im Rathaus Ende der 1980er Jahre habe man unter anderem mit einem sozialverträglichen Personalabbau im Bauhof auf die Finanzkrise reagieren müssen.

Einschneidende und belastende Zeiten

Einschneidend und belastend ist für Weiß das Jahr 1993 gewesen, als er gemeinsam mit dem ehemaligen Stadtkämmerer Klaus Ullrich und Andreas Schlagmüller die kommissarische Leitung des Abwasserverbands und des Altenheims übernehmen musste. "Das sind Dinge, auf die man als junger Mann nicht vorbereitet ist", sagt er rückblickend. Genauso wenig wie auf die Korruptionsaffäre rund um den früheren Tiefbau-Sachgebietsleiter im Bauamt der Stadt, "die einen wirklich belastet und über mehrere Jahre intensiv beschäftigt hat". 

Auf der anderen Seite gab es auch schöne Entscheidungen, die mit Weiß in der Bad Neustädter Verwaltung getroffen wurden. Eine Autofahrt mit dem damaligen Bürgermeister Josef Schlagbauer nach Bergrheinfeld blieb ihm besonders in Erinnerung. Dort habe ihn Schlagbauer gefragt, was mit dem Bildhäuser Hof nach dem Auszug der Schule für Lernbehinderte passieren solle. Weiß schlug vor, der VHS dort eine neue Heimat zu geben. Wie schnell die Dinge dann ihren Lauf nahmen, sei unglaublich gewesen. Auch der Prozess um die Schaffung der Nessi-Stadtbuslinie vor 25 Jahren mit Konzeptgeber Frieder Voigt sei ein Paradebeispiel dafür gewesen, wie bürgerliches Engagement die Stadt verändern könne.

Große Leidenschaft für die Musik

Michael Weiß im Jahr 2014 an der Gitarre.
Foto: Selzam | Michael Weiß im Jahr 2014 an der Gitarre.

Dass dem gebürtigen Heustreuer Musik und Kultur immer am Herzen lagen, zeigt sich nicht nur beim mittlerweile kaum noch aus Bad Neustadt wegzudenkenden Salzburg-Klassiker, den Weiß alle zwei Jahre mitbetreut. Auch privat spielt für ihn Musik bis heute eine große Rolle, angefangen vom Musikverein Heustreu, der ihn in der Kindheit prägte. Nur die Instrumente und der Musikstil änderten sich im Laufe der Zeit: das Flügelhorn aus der Blaskapelle wurde gegen die Gitarre getauscht, Volksmusik gegen Jazz. Das ehemalige Markenzeichen von Weiß bei musikalischen Auftritten, die Lederhose, bleibt daher wohl auch in Zukunft eher im Schrank. 

Davon ist auch auszugehen, wenn sich der scheidende Geschäftsleiter in Zukunft auf den Weg macht, einige Etappen auf dem Pilgerweg "Via Romea" zu laufen, ein weiteres Herzensprojekt von ihm. Daran war auch sein damaliger Geschichtslehrer Ludwig Benkert nicht ganz unschuldig, der ihm einiges an historischem Wissen vermittelt habe. 

Nicht nur bei diesem Projekt hat Weiß viele interessante Personen kennengelernt. Über die Jahre entwickelten sich im Beruf auch einige Freundschaften, nicht zuletzt mit dem langjährigen Stadtkämmerer Klaus Ullrich. "Das war für mich eine wunderbare Zusammenarbeit", sagt Weiß.

In gebückter Haltung um einen Brunnen herum

Und auch die sollte nicht immer ganz gewöhnlich ablaufen, wie eine Anekdote von einem früheren Stadtratsausflug zeigt. Damals sah sich Weiß in gebückter Haltung eine Brunnenanlage an, um einen Schriftzug mit einer Jahreszahl zu entziffern. Ullrich meinte daraufhin zu Weiß, wenn er jetzt noch das Bein hebe, könne er sich den Gang zu den Toiletten sparen, die ohnehin offenbar geschlossen seien. Einer Stadträtin, die darauf entrüstet reagierte, antwortete Weiß: "Von dem Kollegen bin ich noch ganz andere Sachen gewohnt." Diese Anekdote schaffte es übrigens auch in eine Sonderausgabe des einst von ihm initiierten und  konzipierten Stadtmagazins, die Weiß von seinem Kollegen zum Abschied überreicht bekam. 

Aber auch im ernsten Arbeitsablauf ergänzten sich die beiden "Pole". Während Ullrich eher die wirtschaftliche Seite im Blick hatte, ging es Weiß verstärkt um die weichen Standortfaktoren. Nicht selten wurde auch im Stadtrat kontrovers über die Gewichtung dieser Pole diskutiert, beispielsweise, als es in den 1980er Jahren um den Bad Neustädter Marktplatz ging, auf dem sich abgesehen von der Bratwurstbude und ein paar Tischen beim Gasthof Wehner keinerlei Gastronomie befand. "Ein Marktplatz kann nur leben, wenn wir ihn für die Gastronomie öffnen", war Weiß damals überzeugt, damit die Bürger die Innenstadt als lebenswerten Raum empfinden. "Das halte ich neben der Kultur für ganz wichtig, damit die Bürger zufrieden und vielleicht auch ein bisschen stolz auf ihre Stadt sind."

Weiß macht nicht den Kerkeling

Auch wenn er an diesem Freitag seinen Schreibtisch räume, mache er nicht den Hape Kerkeling und sei dann mal weg. "Wenn historische Kenntnisse gefragt sind, habe ich mich uneingeschränkt angeboten, dass man auf mich zukommen kann", sagt der 63-Jährige. Und wenn die Expertise nicht gefragt sei, dann will er die Zeit mit seinen vielen Enkeln genießen, gemeinsam mit seiner Frau Radtouren unternehmen oder "vielleicht anfangen, ein bisschen Golf zu spielen". Da könne man sich bewegen, sei lange Zeit an der frischen Luft und könne Sport machen, ohne sich zu sehr zu verletzen, erzählt Weiß mit einem verschmitzten Lächeln.

 
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  • Funkenstern
    Michael Weiss, als Freund, als Geschäftspartner und als Musikkollege wünsche ich Dir einen erfüllten, vollkommenen und absolut sorgenfreien Unruhestand!
    Bleibe gesund und lasse Dich an Deinen Bekannten Lieblingsorten regelmäßig sehen. Ich werde auch dort sein, denn diese Orte sind bekannt und wir werden ein gemeinsames Hefeweizen trinken!
    Ich freue mich darauf!!!
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