
Gerade auch in Corona-Zeiten zieht es viele in die Natur. Das trifft besonders auch auf die Rhön zu, wo in diesen Monaten zahllose Wanderer oder Mountainbiker Erholung und Naturgenuss suchen. Darüber freuen sich die Tourismus-Verantwortlichen, die Naturschützer beobachten das mit einer gewissen Skepsis. Schließlich bietet die Rhön nicht nur Besuchern ein attraktives Umfeld, sondern ist auch Heimat vieler seltener Pflanzen und Tiere, die sich hier in verschiedenen Naturschutzgebieten ungestört entwickeln sollen.
Entsprechend wurden in solchen geschützten Bereichen, wie zum Beispiel im Naturschutzgebiet Lange Rhön, Konzepte für die Besucherlenkung entwickelt. Um Wildtieren wie dem Birkwild Rückzugsräume zu sichern, werden dabei besonders sensible Regionen von Wanderwegen und Mountainbike-Routen „umgangen“ und von touristischer Nutzung ausgespart. Allerdings gilt auch, je höher die Zahl der Besucher im Naturschutzgebiet, desto höher die Zahl der Verstöße gegen die dort geltenden Regeln. Das wissen nicht nur die Ranger, die hier regelmäßig kontrollieren und die Einhaltung der Vorgaben einfordern.
Schilder entscheidend
Einer, der die Entwicklungen genau beobachtet, ist Torsten Kirchner. Der Gebietsbetreuer der Wildland-Stiftung Bayern für die Lange Rhön weist in diesem Zusammenhang auf ein eher neuartiges Problem hin: Tourenvorschläge von verschiedenen Online-Portalen. Hier finden sich immer wieder "Geheimtipps", die den Vorgaben der Besucherlenkung in Naturschutzgbieten zuwiderlaufen.
Über Online-Plattformen würden tolle Wege zum Wandern, Spazierengehen oder Radfahren gezeigt, auf denen man sich in der freien Natur rundum wohlfühlen könne. Das gelte aber eben nicht immer, betont Kirchner. Für Naturschutzgebiete seien eigene Regeln und Wegegebote festgelegt. Der Blick aufs Handy sei zwar verlockend, zugleich aber seien die Ausschilderungen der ausgewiesenen Wanderwege zu beachten. "Die berücksichtigen, dass unseren Wildtieren auch störungsarme Wohnbereiche bleiben", so der Biologe. Entsprechend fordert er dazu auf, die Wegegebote zum Schutz unserer Tierwelt einzuhalten.
Digital-Ranger
Auch wenn die ausgesuchte Tour auf Online-Plattformen als besonders attraktiver „Geheimtipp“ gehandelt werde, bittet der Vertreter der Wildland-Stiftung des bayerischen Jagdverbands, die Regeln in Naturschutzgebieten zu beachten. Dieses Problem habe sich in den vergangenen Jahren immer weiterentwickelt und nicht erst seit Corona-Zeiten böte es ein weites Tätigkeitsfeld für die inzwischen vielerorts geforderten „Digital-Ranger“, die Online-Touren auf die Störungssensibilität überprüfen.
Naturschutzgebiete wie in der Rhön würden ja gerade wegen der besonderen Artenvielfalt besucht. Doch für die Wildtiere würden digitale „Geheimtipps“ immer mehr zum Problem, nicht nur tagsüber, sondern auch in der Dämmerungsphase oder sogar in der Nacht, weiß Kirchner.
Und Google wird niemals Rücksicht auf den Wunsch manches Naturschützers nehmen, das Wegenetzt in der Langen Rhön nicht anzuzeigen. Aber man könnte ja versuchen, die Möglichkeiten von Google selbst zu nutzen – zur gewünschten Besucherlenkung! Allerdings – wer, wie in der Langen Rhön – auf die Herausforderungen des 21 Jahrhunderts mit Maßnahmen aus dem 20 Jahrhundert reagiert, wird nicht ein einziges dieser Probleme lösen.
Noch schlechter sind Mountainbiker dran. Die gesetzliche Regelung besagt, das Mountainbier auf allen „geeigneten Wegen“ unterwegs sein dürfen. Richtigerweise schränkt die NSG-Verordnung des NSG „Lange Rhön“ diese Wegefreiheit ein und erlaubt das Mountainbiken nur auf ausgewiesenen Wegen. Blöde Frage aber: Woher soll der Biker das wissen? Erklärt wird das nirgends.
In allen Fachkreisen ist man sich inzwischen einig, dass eine Besucherlenkung am besten funktioniert, wenn man Nutzern attraktive Angebote unterbreitet. Die Betonung liegt auf „attraktiv“. Nur eben im NSG „Lange Rhön“ arbeitet man noch immer gerne mit Verboten und wundert sich dann, wenn diese – zumal viele davon logisch nicht nachvollziehbar sind – missachtet werden. Das betrifft vor allem einige Passagen, die für Mountainbiker gesperrt sind. Wenn dies aber fünf, sechs Meter breite Wege sind, die zudem als Wanderweg gekennzeichnet sind – wer soll das verstehen?