Musik von Bach soll gegen Bluthochdruck wirken. Und die Kompositionen von Musik sollen Kinder beruhigen. Und die Musik von Kerber/ Gaggia ? Sie sorgte auf jeden Fall für Wohlgefühl, Entspanntheit und gute Laune.
Musik und Medizin trafen beim Konzert des "Duo Cremona" im Kloster Wechterswinkel aufeinander. Der eine Teil des Duos, Professor Sebastian Kerber, ist seines Zeichens seit 2001 Chefarzt der Klinik für Interventionelle Kardiologie mit nicht-invasiver Bildgebung der Herz- und Gefäßklinik Campus Bad Neustadt und an diesem Abend auch ein Meister auf der Violine. Den anderen Part bildet Monika Gaggia, die das Konzertfach Violoncello studiert hat und eine reiche Orchester-, aber auch Solistenerfahrung mitbringt.
Beide harmonieren prächtig miteinander, ergänzen sich in ihrem Spiel und lassen ihre Instrumente miteinander verschmelzen. Das Außergewöhnliche, das Überraschende an diesem Abend ist weniger die musikalische Zeitreise zurück in das 17., 18. und 19. Jahrhundert, sondern die gelungene Verbindung, der Wechsel zwischen der Darbietung klassischer Kammermusik und der interessanten Vermittlung von Informationen in Form von drei "Reflexionen".
Darin geht Kerber in höchst unterhaltsamer Weise auf Gemeinsamkeiten von Musik und Medizin, aber auch auf Gegensätzliches zwischen diesen beiden "Künsten" ein. So verlangen beide von den Akteuren Konzentration und Präzision. Bei einer Herzklappen-Operation entscheidet eine Phase von gerade einmal sieben Sekunden über den Erfolg oder Misserfolg. Dabei muss mit äußerster Sorgfalt und fehlerfrei gearbeitet werden.
Auch bei der Darbietung eines Musikstückes müssen Fehlgriffe und Misstöne vermieden werden. "Musik und Medizin brauchen Einzigartigkeit", so der Kardiologe. Im rechten Moment müssen die außergewöhnlichen Ideen umgesetzt werden. Als Beispiele nannte Kerber in der Medizin Werner Forßmann, der für seine 1929 im Selbstversuch durchgeführte, zunächst herb kritisierte Herzkatheterisierung später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde oder Alain Cribier wegen seiner ersten Aortenklappenimplantation.
In der Musik gab es mit beispielsweise Igor und David Oistrach ebenfalls "Pioniere, die gegen den Strom" anschwammen. Mediziner wie Musiker müssten demütig sein, sich unterordnen können, sich aber auch durch Leidenschaft auszeichnen. Selbst Einsamkeit müssten beide aushalten, was der Mediziner in Professor Kerber mit "der Misserfolg sitzt dann mit am Abendbrot-Tisch" bildhaft zeichnete.
Ausstrahlung, Intuition und Aura zeichneten die Akteure hier wie dort aus. Als Wladimir Horowitz die "Träumereien" von Schubert am Ende seines letzten öffentlichen Auftritts spielte, so war das für alle Besucher ein "Gänsehaut-Erlebnis", wie Sebastian Kerber deutlich zu machen versuchte. Letztlich gilt es, in der Medizin wie in der Musik von den Lehrern zu lernen, wobei "ein guter Lehrer keine Dublette erstellt, sondern ein Fundament legt".
Doch es gibt auch Gegensätze zwischen der Musik und der Medizin. Begabung und Talent sind für Musiker oft eine wichtige Basis. Extrem begabte "Wunderkinder", wie z.B. Yehudi Menuhin, gebe es in der Medizin nicht. Als Arzt wird man nicht geboren. Den Mediziner zeichnen eher Eigenschaften und Tugenden, wie Fleiß, Geduld, Gewissenhaftigkeit, Verlässlichkeit oder Teamgeist aus. Während man in der Medizin sein Spezialgebiet wechseln kann, ist das in der Musik eher selten der Fall.
Ästhetik steht in der Musik ganz oben, während sie in der Medizin eine gänzlich untergeordnete Rolle spiele. Ästhetisch und attraktiv waren auch die Musikstücke, die das "Duo Cremona" an diesem Abend im vollbesetzten Konzertsaal des Kreiskulturzentrums dem begeisterten Publikum boten. Hoch konzentriert, mit Hingabe, Leidenschaft, mit sichtlicher Freude am Musizieren präsentierten Sebastian Kerber und Monika Gaggia gekonnt Stücke von Joseph Haydn (Adagio non molto und Allegro aus "Duo für Violine und Violoncello D-Dur), Johann Sebastian Bach (Präludium e-moll aus "Wohltemperiertes Klavier Teil II Nr.10", Präludium Nr. 30 aus "Die Kleinen Klavierstücke"), Wolfgang Amadeus Mozart (Allegro, Adagio aus "Duo in G-Dur für Violine und Violoncello - KV 423"), Alessandro Rolla (Andante aus "Duo Nr. 2 C-Dur für Violine und Violoncello") und von Georg Friedrich Händel ("Sonate D-Dur für Violine und Generalbass - Opus 1 Nr.13").
Beeindruckend auch die Soli von Monika Gaggia, die immer mit einem ihre Mundwinkel umschmeichelnden Lächeln die "Etüde Nr.7" von Jean Louis Duport und die Tänze "Gavotte 1 und 2" von Johann Sebastian Bach darbot. Lang anhaltender, begeisterter Applaus war am Ende des Konzerts der verdiente Lohn für die Leistungen der beiden Künstler, die dann mit der Zugabe "Got the Blues" noch zeigten, dass sie durchaus auch neuzeitliche Musik "können".