Nach diesem Theaterbesuch werden die lieben Kinderchen – und nicht nur sie – Küchenregale mit anderen Augen sehen als bisher, jedenfalls nach Einbruch der Dunkelheit. Und wenn in der Küche auch noch eine Kuckucksuhr tickt? Na dann: Gute Nacht!
Was sich nachts in einer Küche ereignen könnte, wenn die Kleinen süß träumen, das erzählt das diesjährige Weihnachtsmärchen am Meininger Staatstheater, "Der Lebkuchenmann" des Briten David Wood. In Szene gesetzt wurde es von Brian Bell, mit Musik des Autors und von Fridtjof Matti Bundel. Seit fünfzig Jahren geistert das Stück erfolgreich über die Bühnen. Trotz oder gerade wegen seiner schlichten fantastischen Handlung scheint es kaum störanfällig. Vor genau dreißig Jahren standen der Lebkuchenmann, Herr von Kuckuck, Herr Salz, Frau Pfeffer, der alte Teebeutel und Gangstermaus Schleck schon einmal auf der Bühne des Meininger Theaters. Damals war ein Jungtalent namens Jens Neundorf Dramaturg des Stückes. Und nie hätte man gedacht, dass der Mensch hinter der Maske der Gangstermaus, der vermutlich heimlich Tränen der Verzweiflung vergoss, weil er sich in der Rolle gnadenlos unterfordert fühlte –, nie hätte man gedacht, dass dieser Mensch Jahre später eine der bekanntesten TV-Schauspielergrößen werden sollte: Jörg Hartmann. Also, Gangstermaus 2024: Die Zukunft ist noch nicht geschrieben!
Um Mitternacht geschehen sagenhafte Dinge
Dass mitternachts in unseren Wohnungen sagenhafte Dinge geschehen, belegt ja schon E.T.A. Hoffmann mit seiner fantastischen Erzählung "Nussknacker und Mausekönig". Warum sollte das, was einst in der Guten Stube passierte, nicht auch weniger attraktive Räume heimsuchen? Zum Beispiel eine genormte, blitzsaubere Einbauküche? Die gesamte Ausstattung hat man in Meiningen, ganz im Sinne der Nachhaltigkeit, vom Staatstheater Saarbrücken übernommen. Helge Ullmann hat sie den hiesigen Verhältnisse angepasst.
Also Mitternacht. Herr von Kuckuck, schwyzerdütscher Vogel aus der gleichnamigen Uhr, kriegt nach dem ersten veritablen "Kuckuck"-Ruf nichts mehr auf die Reihe. Stimme weg. Wie der dickbauchige rote Flügelherr zu Recht befürchtet, dürfte er am nächsten Morgen im Mülleimer landen. Nur Solidarität kann helfen. Wer könnte die leisten? Die lebendig gewordenen Schattenwesen der Nacht, Frau Pfeffer, Herr Salz und der frischgebackene Lebkuchenmann. Gegenspieler? Na klar: Der egomanische alte Teebeutel, der letzte seiner Gattung, versteckt in einer alten Teekanne. Und die fressgierige Gangstermaus Schleck. Man ahnt: Am Ende siegen Mut und Freundschaft der so unterschiedlichen Geschöpfe. Und die Maus ist mit Smarties überfüttert. – Schlichte, wundersame Botschaften aus der Einbauküche, mit pragmatischer Fußnote: Der Lebkuchenmann wird nicht verschnabuliert, sondern landet als Dekomaterial neben der alten Kanne.
Die Kids fiebern mit bei der kurzweiligen Handlung
Die Inszenierung kommt erstaunlich gut an, besser als manch zartes poetisches Weihnachtsstück. Die Kids, zumindest die jüngeren, fiebern mit, wenn es brenzlig wird, schwingen mit den eingängigen Songs, spitzen die Ohren, wenn die Räubermaus brüllt oder wenn sich der alte Beutel über alle Maßen aufplustert. Dass die Aufmerksamkeit eine Stunde lang hält, ist der kurzweiligen Handlung zu verdanken. Und natürlich dem quicklebendigen Spiel der fünf Nachtgeschöpfe Rico Strempel (Lebkuchenmann), Johannes Schönberg (Gangstermaus), Erik Studte (Herr von Kuckuck), Max Rehberg (Herr Salz), Frau Pfeffer (Evelyn Fuchs) und dem alten Beutel (Jennifer-Julia Caron). Sie präsentieren ihre Eigenheiten eindrucksvoll und hüpfen über die Bühne als müssten sie nachts nachholen, was ihnen tagsüber verwehrt bleibt.
Also, liebe Kinder, schaut euch ab sofort die Utensilien in der Küche genauer an. Und wenn ihr neben der alten Teekanne einen Lebkuchenmann entdeckt: Lasst ihn in Würde verstauben.
Vorstellungen bis zum 20. Januar. Kasse: Tel.: (03693) 451 222, www.staatstheater-meiningen.de