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LANGENLEITEN
Wenn die Glocken schweigen
Klappern: Rhöner Brauchtum an den Kartagen. Die Klapperbuben und -mädchen sind schon im Morgengrauen unterwegs
Das Klappern an den Kartagen ist eine alte Tradition. Das Bild zeigt Rhöner Klapperbuben um 1920, wie sie – schön dem Alter nach geordnet – in ihren Holzschuhen durch eine Dorfstraße ziehen.
Foto: Foto Archiv: Reinhold Albert | Das Klappern an den Kartagen ist eine alte Tradition. Das Bild zeigt Rhöner Klapperbuben um 1920, wie sie – schön dem Alter nach geordnet – in ihren Holzschuhen durch eine Dorfstraße ziehen.
Von unserem Mitarbeiter Johannes Schlereth
 |  aktualisiert: 17.04.2017 03:28 Uhr

Der Ort ist in fahles Licht der Laternen gehüllt, die Sonne noch nicht aufgegangen. Stille liegt über der Landschaft. Plötzlich durchbricht lautes Knattern das Morgengrauen. Karfreitag – sechs Uhr morgens in Langenleiten.

Wie jedes Jahr haben sich auch diesmal „Klapperer“ vor der Kirche zusammengefunden, um die von Gründonnerstag bis Ostersonntag verstummten Glocken zu ersetzen. Zum fehlenden Läuten gibt es mehrere Erklärungen: Es soll für die Grabesruhe Christi stehen. Der Volksmund sagt, dass die Glocken zur Beichte nach Rom geflogen seien. Um diese zu ersetzen, ziehen „Klapperer“ durchs Dorf. Es handelt sich um eine Tradition, die in den Rhöndörfern, aber auch im süddeutschen Raum und in Österreich verbreitet ist. Hat sich der Brauch im Lauf der Zeit verändert, oder war es damals genauso wie heute?

Heute wird vorwiegend mit Klapperkästen geklappert. Beim Klapperkasten liegen vier bis sechs Holzhämmer auf einer drehbaren Walze. Diese wird durch eine Kurbel in Bewegung gesetzt. Die Walze verfügt über Zähne, über die die Hämmer angehoben werden und auf den Resonanzkorpus schlagen. Das ergibt das typische Schnarren eines Klapperkastens. Heutzutage wird nach dem Gebetsvers für 20 Sekunden schnell geklappert, danach langsamer. Oft wurden die Klapperkästen von Generation zu Generation weitergegeben. Neuanschaffungen gab es nur, wenn einer kaputt war.

Klappern in der Fastenandacht

Früher waren auch „Braderkerren“ im Umlauf, die über einen ähnlichen Aufbau wie der Klapperkasten verfügten. Jedoch hat die „Braderkerre“ statt der Holzhämmer nur ein etwa zehn Zentimeter breites dünnes Holzbrett, dass über die gezahnte Holzwalze läuft. Das Klappergeräusch wird durch das Gleiten des Brettes über die Walze erzeugt.

Früher wurde öfter geklappert, zum Beispiel zu den Fastenandachten ab Aschermittwoch. Zwei Messdiener klapperten am Ende zwischen den Strophen des Liedes „O heiliges Kreuz, sei uns gegrüßt“. Ein Brauch, der heute weggefallen ist.

Die Haupteinsatzzeit der Klapperer waren und sind die Kartage. Hier werden der Beginn der Gottesdienste, das Elf- und Zwölf-Uhr-Läuten, und das morgendliche und abendliche Angelus-Gebet geklappert.

So begann der Tag um fünf Uhr morgens mit dem Angelus-Gebet, um das sich zeitweise ein Wettstreit entfachte: Wer ist der Erste beim Klappern? Dies führte dazu, dass die Angelus-Gebete bereits ab drei Uhr früh geklappert wurden. Vor dem Klappern rufen die „Klapperbuben“ immer den Anlass aus. Zum Gebet animierten sie mit dem Ruf: „Wir klappern das Ave Maria oder den englischen Gruß, den jeder katholische Christ beten muss“ durch die Straßen. Mittags wurde „Wir klappern elf Uhr/zwölf Uhr“ gerufen.

Vor 25 Jahren hielt die Emanzipation beim Klappern Einzug – auch Mädchen durften nun mitklappern, vorausgesetzt sie waren Ministrantinnen. Die Gleichberechtigung war eine Notlösung: Unter dem damaligen Pfarrer Alois Schlör kam es zu einem starken Rückgang der Ministranten. Folglich standen nicht mehr genug „Klapperbuben“ zur Verfügung. Um den Rückgang zu kompensieren, wurde nun auch Mädchen das Ministrieren – und somit auch das Klappern erlaubt. Seit die Ministrantenzahl erneut stark rückläufig ist, dürfen nun alle Kinder des Ortes mitklappern.

Ein weiteres Brauchtum ist das Klappern vor den zahlreichen Messen der Kartage. Vor der Kirche wurde bereits eine Stunde im Voraus viertelstündlich zusammengeklappert. Beim ersten Mal gab es den Spruch „Das ist das erste Mal“, eine Viertelstunde später ertönte „Das ist das zweite Mal“, nach einer weiteren Viertelstunde hallte „Das ist das letzte Mal“ durch die Straßen. Beim Zusammenläuten lautete der Klapperspruch „Wir klappern auf einem Haufen, wer in die Kirche will, muss laufen!“.

Ein weiterer Unterschied zum heutigen Klappern liegt darin, dass damals bereits am Gründonnerstag „Die Todesangst Christi am Ölberg“ geklappert wurde. Heute klappern die Kinder erst am Morgen des Karfreitags. An diesem Tag gab es damals bereits den Brauch des „Eierausklapperns“: Die „Klapperbuben“ gingen von Haus zu Haus und forderten mit dem Spruch „Wir klappern die Eier aus“ die Hausbesitzer zur Herausgabe von Eiern auf. Diese wurden anschließend unter den Klapperern verteilt.

Heute ist das „Eierausklappern“ auf den Karsamstag verschoben worden, neben den Eiern gibt es Süßigkeiten, die zu gleichen Teilen verteilt werden.

Wandel in den Klappertexten

Seit den 1930er-Jahren setzten sich in Langenleiten gesungene Verse durch. In den heutigen Klapperversen wird, ähnlich wie damals, auf die Leidensgeschichte Christi Bezug genommen.

In den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts sangen die Klapperbuben die Strophe „Ihr Christen legt die Händ jetzt zamm, grüßt unsre liebe Frau. Sie hat heut einen großen Tag, ihr Kind sie nit verlieren mag, bet drei Ave Maria, drei Ave Maria.“

Seit mehreren Jahren werden am Karfreitag morgens, mittags und abends unterschiedliche Strophen gesungen. Am Morgen: „Ihr lieben Christen seid munter und wach, der Tag vertreibt die dunkle Nacht. Denkt heut der größten Liebestat, die unser Heiland hat vollbracht, und grüßt Maria zur Morgenstund, wie ihr vernommen aus Engel Mund: Ave Maria, Ave Maria, Ave Maria.“

Am Mittag wird die Strophe abgeändert gesungen. „Ihr lieben Christen denkt daran, was Gottes Sohn für euch getan. Jesus ist für uns am Kreuz gestorben, drum preist seine Liebe allerorten. Denkt auch Maria der schmerzensreichen, die heut gelitten ohnegleichen. Ave Maria, Ave Maria, Ave Maria.“

Am Abend des Karfreitags „Ihr lieben Christen der große Tag geht zu End, in Lieb und Dank zu Gott euch wendt. Denkt Maria, die trauert im Herzen. Helft tragen Ihr die großen Schmerzen. Und grüßt Maria zur Abendstund, wie ihr vernommen aus Engelmund. Ave Maria, Ave Maria, Ave Maria.“

So wird am Karfreitag die Kreuzigungsthematik verarbeitet. Auffällig ist vor allem, dass die dialektale Einfärbung der 1930er-Jahre allmählich verschwunden ist.

Am Karsamstag beschäftigt sich der Klappertext mit der Grabesruhe und der nahenden Auferstehung Christi von den Toten. Nach jeder Strophe wird geklappert. Die Klapperer singen und klappern so lange, bis sie durch den ganzen Ort gezogen sind.

 
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