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Bad Neustadt
Weltfrauentag: So denken Frauen aus vier Ländern über Gleichberechtigung
Frauen aus verschiedenen Herkunftsländern erzählen, was ihnen der Frauentag am Montag, 8. März, bedeutet. Auf welchem Stand sehen sie die Gleichberechtigung in ihren Ländern?
Sahar Hadinejad kam vor drei Jahren mit ihrem Mann Babak Rezaei aus dem Iran nach Deutschland. In ihrem Heimatland haben Frauen keine Rechte. Das Foto zeigt sie mit ihrer Tochter Ronika und ihrem Sohn Barsam.
Foto: Babak Rezaei | Sahar Hadinejad kam vor drei Jahren mit ihrem Mann Babak Rezaei aus dem Iran nach Deutschland. In ihrem Heimatland haben Frauen keine Rechte. Das Foto zeigt sie mit ihrer Tochter Ronika und ihrem Sohn Barsam.
Kristina Kunzmann
 |  aktualisiert: 11.03.2021 02:15 Uhr

"Träume dir dein Leben schön und mach aus diesen Träumen eine Realität", schrieb einst die  Physikerin Marie Curie und wollte damit Frauen ermutigen, ihren Weg zu gehen und ihre Träume zu verwirklichen. So unterschiedlich wie die Frauen selbst und ihre Herkunftsländer sind auch ihre Träume. Gudrun Hellmuth wurde in Deutschland geboren, Olga Steinmiller in Russland, Sahar Hadinejad im Iran und Dr. Nagham Soda in Syrien. Sie haben dieser Redaktion erzählt, was ihnen der Weltfrauentag bedeutet und wie sehr Mann und Frau in ihren Herkunftsländern und in Deutschland aus ihrer Sicht gleichberechtigt sind.

Gudrun Hellmuth sieht Anzeichen für eine "Rolle rückwärts"

"365 Tage Corona-Pandemie heißt für viele Frauen: Homeoffice, Kinderbetreuung und Homeschooling 'unter einen Hut bringen'. Arbeitszeitreduzierung, die besondere Belastung Alleinerziehender oder die zusätzlichen Risiken in sogenannten systemrelevanten Berufen – diese Herausforderungen und damit verbundenen Belastungen angesichts der Corona-Pandemie betrafen und betreffen insbesondere Frauen", beschreibt Gudrun Hellmuth und sieht damit Anzeichen für eine "Rolle rückwärts" in der Gleichberechtigung.

Gudrun Hellmuth ist langjährige Stadträtin und Referentin für Frau und Familie in Bad Neustadt. Sie leitete bis Anfang 2020 den Kindergarten Mariä Himmelfahrt. Mit Sorge beobachtet sie, wie sich die Corona-Pandemie auf die Gleichberechtigung auswirkt.
Foto: Christian Hüther | Gudrun Hellmuth ist langjährige Stadträtin und Referentin für Frau und Familie in Bad Neustadt. Sie leitete bis Anfang 2020 den Kindergarten Mariä Himmelfahrt.

Gudrun Hellmuth möchte als Referentin für Frauen und Familie im Bad Neustädter Stadtrat den Weltfrauentag ins öffentliche Bewusstsein rücken. Vor der Corona-Krise organisierte sie am Weltfrauentag themenbezogene Veranstaltungen. Sie setzt sich ein, um weltweit die Lebensperspektiven von Frauen und Mädchen zu verbessern und zur Chancengleichheit beizutragen.

Hellmuth beobachtet mit Sorge, dass die Meldungen häuslicher Gewalt seit Beginn der Pandemie zugenommen haben. Teilweise scheint es, als würde ein überholtes Frauenbild nun wieder verbreitet, sagt sie. Oft hätten Frauen auch heute längst noch nicht die freie Wahl, da Kinderbetreuung und Teilzeit-Arbeit Abhängigkeit zur Folge haben.

Weltfrauentag ist in Olga Steinmillers Heimat ein großes Ereignis

Olga Steinmiller mit ihrem kleinwüchsigen Sohn Maxim. Sie kam im Alter von 13 Jahren aus Russland, wo der Weltfrauentag stets groß gefeiert wurde, nach Deutschland.
Foto: Steinmiller | Olga Steinmiller mit ihrem kleinwüchsigen Sohn Maxim. Sie kam im Alter von 13 Jahren aus Russland, wo der Weltfrauentag stets groß gefeiert wurde, nach Deutschland.

"Alles war voller Blumen", erinnert sich Olga Steinmiller an die Weltfrauentage in Russland, wo sie geboren und aufgewachsen ist. Der Tag sei dort ein Feiertag und werde sehr groß gefeiert mit Aufführungen in der Schule, Gesangseinlagen, Plakaten, Gratulationen. "Jede Frau wird mit Blumen beschenkt, die Frauen müssen nicht arbeiten, der Weltfrauentag ist dort sehr präsent." Und das, obwohl es damals mit der Gleichberechtigung in Russland noch nicht so weit her gewesen sei, vor allem auf dem Land, sagt Steinmiller. Heute habe sich aber viel getan, vor allem in den großen Städten sei alles sehr europäisch und die Frauen sehr selbstständig.

Weil sie von einer besseren Lebensqualität und mehr Möglichkeiten träumte, kam die heute 40-jährige Olga Steinmiller im November 1993 mit ihrer Familie nach Deutschland. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren 18 und 12 Jahre alten Söhnen in Hohenroth und arbeitet als Kinderpflegerin im Kindergarten Mariä Himmelfahrt in Bad Neustadt.

Auch bei der Gleichberechtigung in Deutschland sieht sie noch Luft nach oben. "Es gibt Fortschritte, zum Beispiel, dass heute auch Väter Elternzeit nehmen können. Hier hat sich schon viel verändert. Dennoch könnte noch mehr getan werden, vor allem bei den Gehältern, die für Frauen oft immer noch niedriger sind als für Männer", gibt Steinmiller zu bedenken.

Sahar Hadinejad kennt aus ihrem Herkunftsland keine Frauenrechte

Gleichberechtigung von Mann und Frau, Weltfrauentag? Im Herkunftsland von Sahar Hadinejad (42) kein Thema. "In meiner Heimat, in der ich geboren wurde, haben Frauen keinerlei soziale Rechte". Sie stammt aus dem Iran, einem wie sie sagt "diktatorischen" Land. "Frauen dürfen dort ohne Erlaubnis ihres Ehepartners nicht reisen, studieren, arbeiten, sich Sportarten oder Kleidung selbst auswählen. Sie dürfen sich nicht einmal von ihrem Ehemann trennen. Der Mann dagegen darf sich von seiner Partnerin scheiden lassen, auch ohne Grund", erzählt Sahar Hadinejad.

Sie fügt hinzu: "Wenn die Frau den Ehemann 'verrät', darf sie getötet werden, aber der Ehemann darf vier Frauen gleichzeitig haben. Mütter haben keinerlei gesetzliche Rechte an ihren Kindern". Im Iran absolvierte Sahar Hadinejad einen Master-Abschluss im Hotelmanagement und war auch für zwei Jahre in diesem Bereich tätig, zuvor hatte sie 12 Jahre in der Vermittlung von Studenten ins Ausland gearbeitet. Aufgrund politischer Probleme kam Sahar Hadinejad vor drei Jahren mit ihrem Mann nach Deutschland. Ihre Kinder sind drei und sechs Jahre alt, die Familie lebt in Bad Neustadt.

Sahar Hadinejad bedauert, dass sie bisher keine Arbeit gefunden hat. Dennoch ist sie froh, in Deutschland zu leben. "Die Rechte von Frauen in meinem Heimatland und in Deutschland sind überhaupt nicht vergleichbar. In Deutschland sind die Rechte von Männern und Frauen völlig gleich".

Dr. Nagham Soda hält den Weltfrauentag nicht für ausreichend

Dr. Nagham Soda stammt aus Syrien und kam im Jahr 2000 nach Deutschland.
Foto: Josefine Astl, Rhön-Klinikum Campus | Dr. Nagham Soda stammt aus Syrien und kam im Jahr 2000 nach Deutschland.

Syrien ist das Heimatland von Dr. Nagham Soda (50). "Dort wird der Weltfrauenfrag gefeiert und reichlich diskutiert, aber der Weg ist noch lang". Dennoch habe sich das Frauenbild in den arabischen Ländern mit der Zeit weiterentwickelt und unterscheide sich nicht sehr von dem in Deutschland, sagt Nagham Soda, die am Campus Bad Neustadt als Oberärztin im Bereich Ernährungsmedizin und Diabetes tätig ist. Schon als Kind reizte Soda das Ausland und fremde Sprachen und Kulturen. Im Rahmen eines Stipendiums für ihre Facharztausbildung kam sie im Jahr 2000 nach Deutschland. Heute lebt sie mit ihrem Mann und zwei Töchtern (16 und 15 Jahre alt) in Herschfeld.

"Viele Frauen in Syrien erfahren einen Konflikt zwischen Tradition und Modernität. Neuerdings haben Frauen deshalb eine doppelte Belastung, sprich Familie und Arbeit, während die Männer nur eine einseitige Belastung erfahren", ergänzt sie. In Sachen Gehälter sehe es aber deutlich besser aus als hier, denn die selbe Arbeit werde dort auch gleich bezahlt. Dennoch treffe man in den Führungspositionen fast ausschließlich auf Männer, da diese dem weiblichen Geschlecht vorgezogen würden.

Der Krieg in den letzten Jahren in Syrien habe die Gleichberechtigung deutlich verschlechtert, wobei hier aber auch Männer benachteiligt seien, denn "Krieg unterscheidet nicht zwischen den Geschlechtern". Während Soda die Demokratie in Syrien wie in vielen arabischen Ländern als eine "Scheindemokratie" bezeichnet, herrsche in Deutschland eine echte Demokratie. "Unter dieser verbessert sich die Situation von Frauen bemerkbar. Sie können sich wesentlich schneller und vor allem besser entfalten, was wiederum die Demokratie schützt." 

Den Weltfrauentag hält Nagham Soda für wichtig, aber: "Jeder Tag sollte Weltfrauentag sein. Mir ist dennoch wichtig, ist dass wir Frauen uns andererseits nicht selber in die Opferrolle stellen sollten, sondern stark und selbstbewusst für unsere Rechte kämpfen sollten." 

"Ermutigen wir uns also gegenseitig, bilden wir Netzwerke vor Ort. Feiern wir die Errungenschaften mutiger Frauen und lassen wir nicht nach im Einsatz um Gleichberechtigung und Chancengleichheit für Frauen und Mädchen weltweit", wünscht sich auch Gudrun Hellmuth. Damit Frauen, egal wo sie herkommen und wo sie leben, ihre Träume verwirklichen und ihren Weg gehen können. Nicht nur am Weltfrauentag.

 
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