
Die im Zuge der Corona-Pandemie heftig umstrittene allgemeine Impfpflicht zur Eindämmung der weltweit grassierenden Seuche ist schon längst vom Tisch. Anzeichen, dass sich daran etwas ändern könnte, gibt es nicht. Anfang des Jahres formierte sich der Widerstand gegen die damals noch geplante Impfpflicht auch mit Demonstrationen montags in Bad Neustadt und freitags in Bad Königshofen. Nicht selten steuerten weit über 1000 Menschen aus nah und fern die Grabfeld-Stadt an, um lautstark gegen ihrer Meinung nach verschiedene Ungerechtigkeiten zu protestieren.
Lautstarke Protestler treffen sich zur Einstimmung aufs Wochenende
Lautstark sind die Protestler, zu denen sich manchmal auch Mitglieder des „3. Weg“ aus dem rechten Spektrum gesellt hatten, heute noch jeden Freitag bei ihrem Marsch durch die Stadt, auch wenn die Zahl der Demonstranten auf nicht einmal ein Zehntel abgeschmolzen ist. Gut 60 bis 100 Frauen und Männer sind es, die sich hier zum Start ins Wochenende treffen, ausgerüstet mit jeder Menge Trommeln und Trillerpfeifen. Etwas weniger sind es montags in Bad Neustadt.
Ein Ritual, das Menschen aus Bad Königshofen zunehmend auf die Nerven geht. Blanka Milz etwa, die am Marktplatz wohnt, sagt: "Ich mache die Fenster zu und zieh die Gardinen vor, damit ich nichts mehr mitbekomme." Zudem hält sie es für unsinnig, dass immer noch demonstriert wird. Auch Marktplatzanwohner Hans Hälker ist nicht gut zu sprechen auf die Demonstranten: "Das ist inhaltlich alles sehr dünn und interessiert niemanden mehr", sagt er. Bürgermeister Thomas Helbling fragt sich, warum überhaupt noch demonstriert wird. Anfänglich habe ein Bad Königshöfer Einwohner Leute von außen zum Protest gerufen, jetzt würden Externe die Demos anmelden, von denen man die Hintergründe nicht kenne. Er habe viele Anrufe erboster Bürger erhalten.
In der Polizeidienststelle stapeln sich die Beschwerden
„Bei mir stapeln sich die Beschwerden“, sagt Dienststellenleiter Gerd Jahrsdörfer im Gespräch mit dieser Redaktion. Abstellen kann die Polizei das allwöchentliche Spektakel nicht, schließlich ist die Meinungsfreiheit ein von der Verfassung geschütztes Recht. Und dazu zählen auch Demonstrationen, jedenfalls so lange dort alles friedlich bleibt, was bisher der Fall war.
Nicht so ganz klar scheint indessen beim Betrachten von Videosequenzen, die von Demonstrationsteilnehmern in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden, gegen oder für was die Leute aktuell eigentlich auf die Straße gehen, nachdem die Impfpflicht ja nicht kommt.
Geht man nach der Aufschrift auf den Plakaten, findet sich ein Sammelsurium an Begriffen, wie etwa: für Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung, für die Zukunft unserer Kinder, Freiheit und Souveränität oder gegen Kriegshetze. Außerdem fordern Teilnehmer auf, sich nicht belügen zu lassen, ein Mann will gleich die ganze Regierung weghaben und zwei Frauen halten eine Banderole, auf der für „Frieden mit Russland geworben wird“ - auch in kyrillischer Schrift. Die meisten Forderungen dürften auf wenig Widerspruch stoßen.
Spaß am Trommeln ist wohl auch dabei
Spaß haben viele ganz offensichtlich an der Sache. Ein Videoschnipsel zeigt, wie eine Gruppe Protestierender an der Tuchbleiche durch ein Spalier von fröhlichen Trommlern zieht, während zwei Frauen über eine kleine Lautsprecheranlage die alte Gute-Laune-Hymne „Oh, wie ist das schön“ zum Besten geben, hier ergänzt durch den Text „für die Freiheit auf die Straße zu gehen“ und „So was hat man lange nicht gesehn“.
Vor allem hat man so etwas in Putins Russland lange nicht gesehen, möchte man spontan feststellen, denn dort werden friedlich Demonstrierende erst von der Polizei verprügelt, bevor man sie einsperrt und vor Gericht stellt. Glücklicherweise ist der Umgang mit Protestierenden hierzulande ein ganz anderer. In Bad Königshofen geht die Polizei, die zum Schutz der Demonstranten zur Stelle ist, höchstens mal gegen einen Wildpinkler vor, der sein Wasser abgeschlagen hat, wo er es nicht hätte tun sollen.
„Nur weil laut getrommelt wird, ist das kein Grund einzuschreiten“, sagt Gerd Jahrsdörfer, der dafür gesorgt hat, dass die Demonstranten nicht mehr unmittelbar an Seniorenheimen vorbeilaufen und mit dem Getöse die alten Leute in Angst und Schrecken versetzen. Nicht zulässig ist aber laut Gesetz die Beschränkung der Lautstärke auf ein Maß, das die Außenwirkung einer Versammlung unmöglich macht. Es müsse immer möglich sein, Kontakt zu Passantinnen und Passanten, Anwohnerinnen und Anwohnern herzustellen. Dadurch entstehende Belästigungen müssten Dritte grundsätzlich ertragen, das Ruhebedürfnis anderer Personen muss der grundgesetzlich verbürgten Versammlungsfreiheit nachstehen. Die Gesetzeshüter dürfen nur dann tätig werden, wenn nach 22 Uhr immer noch gelärmt wird. Denn dann gilt die allgemeine Ruhepflicht. Aber da sind die Demonstranten in der Regel schon wieder weg.
Hinweis der Redaktion: Der Text wurde im Lauf des Tages korrigiert und ergänzt.
weg von einer Konsensgesellschaft,
hin zu einer,
wenn auch wenig durchdachten und reflektierten Individualgesellschaft,
ist derzeit in vollem Gange,
und sie wird sich mit Vernunft und Argumentation wohl kaum mehr bremsen oder umkehren lassen.
Diese Leute bewegen sich weg von den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit,
hin zu einer Ellenbogen-Gesellschaft der Stärkeren ( oder lauter Trommelden und Schreienden),
und damit ist mit weiteren Verwerfungen zwischen Sein und Schein zu rechnen.
Dummerweise gehe ich davon aus,
dass die Klügeren resigniert nachgeben werden.
Die Querdenker suchen sich selbst aus, was sie als Realität ansehen … welche Aussagen sie als wahr oder falsch erachten …
Aus der Kakophonie der Meinungen des unendlichen digitalen Äthers picken sie sich filterblasenkonforme Fragmente heraus, die ihre eigene Weltsicht bestärken.
Also ist es doch irgendwie schlüssig, wenn sie auf ihren Demos auch keine klaren Aussagen machen und jeder der Teilnehmer gefühlt gegen etwas anderes protestiert … für irgendjemanden wird schon etwas dabei sein … so entsteht eine Art Selbstbedienungsladen für die kognitive Verzerrung der Querdenker.
Bei Querdenker-Aussagen spielt der Wahrheitsgehalt keinerlei Rolle, der wird einfach durch die gegenseitige Bestätigung ersetzt – den Rest übernehmen die Medien und tragen (oft unbewusst, aber dennoch erheblich) zum „false balance“ (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Falsche_Ausgewogenheit) in der öffentlichen Diskussion bei.
Ansonsten haben die meisten meiner Vorredner schon alles gesagt, alles was man noch äußern könnte kann man nicht öffentlich schreiben.