Vor zehn Jahren ging es hoch her in Mellrichstadt: Zwischen Kernstadt und Stadtteilen tobte ein Wasserstreit. Die Bürger in Mühlfeld, Eußenhausen, Sondheim und Roßrieth setzten sich mit aller Kraft für den Erhalt ihrer eigenen Quellen und Brunnen ein. Ein Anschluss an den Zweckverband Mellrichstädter Gruppe, wie ihn der damalige Bürgermeister Helmut Will vorgesehen hatte, schien zu dieser Zeit undenkbar.
Die Gemüter haben sich längst beruhigt, die Mühlfelder Ende April in einer Bürgerbefragung für einen Anschluss an die sichere Versorgung der Gruppe votiert. „Jetzt ist die Zeit gekommen, um Nägel mit Köpfen zu machen und eine große Lösung für die gesamte Stadt zu finden“, stellt Bürgermeister Eberhard Streit nun die Weichen für die Zukunft.
Eigene Quellen behalten
Die Art und Weise, in der vor einer Dekade über das Thema Wasserversorgung in den Stadtteilen gesprochen wurde, glich eher einem Kampf denn einer gemeinsamen und sachlich geprägten Suche nach der besten Lösung. Die Parteien hatten sich festgefahren, Wasserfreunde und Altbürgermeister gingen auf Konfrontationskurs. Eberhard Streit glättete die Wogen damals zu Beginn seiner Amtszeit mit dem Versprechen, die Bürger an den Entscheidungen zu beteiligen.
Mühlfeld, Sondheim, Roßrieth und Eußenhausen behielten daraufhin ihre eigenständige Wasserversorgung. Alles schien zur Zufriedenheit der Bürger geregelt. Bis die Probleme überhand nahmen.
Nitrat und Keime
Eußenhausen kämpfte mit zu hoher Nitratbelastung, in Sondheim musste die Pumpe gewechselt werden, es waren Keime im Wasser, zudem nimmt der Pegel stetig ab. Die Ortsbewohner müssen Wasser sparen. In Mühlfeld muss das Wasser dauerhaft gechlort werden, da Coli-Bakterien nachgewiesen wurden.
In Eußenhausen und Sondheim wurden die Eigenwasserversorgungen auf Vordermann gebracht. Nun müssen die Mühlfelder investieren und ihr Ortsnetz sanieren. Dann folgt, so der Bürgerwille, nun eben doch der Anschluss an die Mellrichstädter Gruppe.
Leitungen marode
Das Wasser der Mittelstreuer Quellen, das die Bürger der Stadt sowie aus dem Stadtteil Bahra versorgt, sprudelt ergiebig. Die Wasserleitungen hingegen sind nicht nur in den Stadtteilen, sondern auch in der Kernstadt in Teilen marode und müssen saniert werden, so der Stadtchef. In das Pumpwerk am ehemaligen Kreiskrankenhaus in Mellrichstadt werden heuer noch 280 000 Euro investiert, und auch die Schieber müssen ausgewechselt werden.
Insgesamt werden in Mellrichstadt knapp 620 000 Euro an Reparaturkosten fließen, die die Städter über den Wasserpreis finanzieren müssen. Des Weiteren ist die Stadt aufgefordert, ein neues Wasserschutzgebiet am Suhlesturm auszuweisen. Und der Zweckverband muss in den nächsten Jahren das Wasserwerk in Mittelstreu sanieren. Die Kostenschätzung liegt bei 1,3 bis 1,5 Millionen Euro.
Sanierung in Mühlfeld
Die Sanierung der Eigenversorgung in Mühlfeld wird laut Voranschlag des Ingenieurbüros Hahn 411 000 Euro kosten, der Anschluss an Mellrichstadt wird zudem mit 461 000 Euro zu Buche schlagen. Dazu werden Verbesserungsbeiträge eingehoben, und ein Teil der Kosten wird auf die Wassergebühren umgelegt. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, profitieren die Mühlfelder von diesem Vorgehen. Sie zahlen derzeit 2,13 Euro pro Kubikmeter Wasser, die Mellrichstädter im Vergleich 65 Cent. Für die Mühlfelder wird also beim Anschluss an den Zweckverband und einer Gesamtrechnung für die ganze Stadt der Wasserpreis deutlich sinken.
Die Mellrichstädter und Bahraer hingegen müssen die Kröte schlucken, dass ihr Wasserpreis aufgrund der Sanierungsmaßnahmen im städtischen Netz deutlich nach oben geht. Eine Erhöhung auf 92 Cent pro Kubikmeter in Mellrichstadt soll noch in diesem Herbst beschlossen werden, kündigt der Stadtchef an. 2018/2019 wird der Preis voraussichtlich auf 1,07 Euro pro Kubikmeter ansteigen, auf längere Sicht ist ein Preis von 1,20 Euro wahrscheinlich.
Luxus Vollbad
In den Stadtteilen könnte der Wasserpreis, wenn es bei einer eigenständigen Versorgung bliebe, allerdings in den nächsten Jahren die Drei-Euro-Marke sprengen. Dann wird ein Vollbad zum Luxus. Das wollen Bürgermeister und Stadtrat tunlichst verhindern. Daher sollen die Stadtteile von der starken Gemeinschaft, wie es der Bürgermeister nennt, profitieren und in den Versorgungsbereich der Stadt integriert werden – Mühlfeld, Sondheim, Roßrieth, Eußenhausen und auch Frickenhausen, das bis dato vom Zweckverband Elstal versorgt wird. „Der Wasserpreis für Kernstadt und Bahra steigt an, aber die anderen Stadtteile schlittern nicht in die Katastrophe“, so Streit.
Standortfaktor
Den Wasserpreis nennt der Bürgermeister einen Standortfaktor für die Stadtteile, der nicht unterschätzt werden dürfe. „Wenn wir jetzt nichts machen, werden die Stadtteile abgehängt“, spricht er Klartext. Die Sanierung des Mühlfelder Ortsnetzes soll noch heuer geplant werden, im kommenden Jahr beginnt dann die Bauphase mit Anschluss an die Gruppe, heißt es vonseiten der Stadt. Ein Zeitplan, wann Sondheim und Roßrieth dazukommen, liegt noch nicht vor. Ein Aspekt in punkto Dringlichkeit wird die Schüttung des Brunnens in Sondheim sein. Und bei einem späteren Anschluss von Eußenhausen spielen die Nitratwerte eine große Rolle – werden die Grenzwerte verschärft, ist auch eine Osmose nicht mehr wirtschaftlich.
Summa summarum sieht Bürgermeister Streit in einem großen Zusammenschluss auf lange Sicht Vorteile für alle. Und will es nicht dazu kommen lassen, dass sich ein neuer Wasserstreit entwickelt. „Wir haben insgesamt genug zu tun, um in der ganzen Stadt alles in Ordnung zu halten, so dass keine Gruppe aus Stadt und Stadtteilen mit dem Finger auf andere zeigen könnte“, sagt er zum ganzen Maßnahmenkatalog.
In der Bürgerversammlung am Montag, 9. Oktober um 18.30 Uhr in der Oskar-Herbig-Halle will der Stadtchef die Bürger ausführlich über die anstehenden Maßnahmen informieren.