
Wer ist schon gerne Teil der Herde, sprich Durchschnitt? Individualität ist Trumpf in unserer Gesellschaft. Jeder möchte anders sein, besonders, aus der Masse hervorstechen. In Wahrheit wohl einfach leistungsfähiger, intelligenter, netter, besser sein als der Durchschnitt. Nur kein Mittelmaß, kein Mainstream! Rhön-Grabfelder bilden da vermutlich nicht die rühmliche Ausnahme. Aber was ist in diesem Landkreis Durchschnitt? Besser: Wer ist Durchschnitt?
Laut Bayerischem Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung war der Durchschnitts-Rhön-Grabfelder 2011 mit 43,9 Jahren etwas älter als der Durchschnitts-Unterfranke (43,7 Jahre) und Durchschnitts-Bayer (43,2 Jahre). In diesem Alter hört Otto-Normal-Rhön-Grabfelder vermutlich auf den Namen Thomas, Stefan oder Michael, die Rhön-Grabfelder Mustermännin heißt Claudia, Sabine oder Anja. Das waren Ende der 60er bundesweit die Namensfavoriten werdender Mütter und Väter. Ob Rhön-Grabfelder ihre Sprösslinge anders tauften, lässt sich laut Standesamt kaum nachvollziehen. Eine Auswertung wäre äußerst aufwändig: „Damals gab es noch keine EDV.“
Der bayerische Durchschnitts-Mann – Rhön-Grabfeld-spezifische Zahlen liegen nicht vor – ist 1,78 Meter groß und 82,9 Kilo schwer, die Durchschnitts-Frau misst laut Bayerischem Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung 1,65 Meter und bringt 67,1 Kilo auf die Waage.
Die gewöhnliche Rhön-Grabfelder Dame trägt laut Peter Dietz, Inhaber von Schuhhaus Dietz in Bad Neustadt, Schuhe Größe 39, der Herr läuft in Größe 43. 80 B ist die durchschnittliche BH-Größe im Landkreis, informiert eine Verkäuferin des Bad Neustädter Modehauses Schlier. 41/42 die Rhön-Grabfelder Kragenweite, so ein Mitarbeiter von Wöhrl Bad Neustadt.
Rein rechnerisch steht dem Durchschnitts-Rhön-Grabfelder eine Wohnfläche von etwas mehr als 45 Quadratmetern zur Verfügung, wobei die Durchschnittswohnung im Landkreis 106 Quadratmeter groß ist. Thomas oder Claudia leben wahrscheinlich in einer Wohnung mit fünf Zimmern und mehr, zumindest hatten 2011 rund 63 Prozent aller Rhön-Grabfeld-Wohnungen diese Größe.
Ihre Ehe, wenn sie denn verheiratet sind, ist zu 91 Prozent eine deutsch-deutsche Heirat. Mit zwischen 1,40 und 1,45 Kindern hat die Rhön-Grabfelder Durchschnitts-Frau etwas mehr Nachwuchs als die bayerische (1,36 Kinder).
Politisch interessiert sind Thomas und Claudia wohl. Zumindest gehen sie zur Wahl. An der Landtagswahl 2008 haben sie zu 59,1 Prozent teilgenommen und zu 56,9 Prozent die CSU gewählt, bei der Bundestagswahl haben 73,6 Prozent der Landkreisbürger teilgenommen und zu 49,9 Prozent CSU gewählt.
2009 belief sich das verfügbare Einkommen des Durchschnittseinwohners im Landkreis auf 17 869 Euro. In Unterfranken waren es im Vergleich dazu 18 828 Euro, in Bayern 20 111 Euro.
Sein Geld verdienen Rhön-Grabfelder Mustermann/frau vermutlich im Dienstleistungsbereich. 55,5 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiteten laut der Bundesagentur für Arbeit im Dezember 2010 in diesem Berufsbereich, davon wiederum die größte Gruppe, 15 Prozent, in Organisations-, Verwaltungs- und Büroberufen.
Wie man zu seinem Geld kommt, ist, so scheint es, statistisch leichter zu erfassen als wofür man es ausgibt. Horst Dömling ersetzt die fehlende Studie mit jahrelanger Geschäftserfahrung: „Für was Gscheits“, ist der Pecht-Geschäftsführer überzeugt lässt der Landkreisbürger gerne Geld. „Er hat weit mehr Anspruch als man das vielleicht von dieser ländlichen Region erwarten würde.“
Bestimmte Produkte, so genannte Landkreis-Renner, kann er nicht benennen, außer einem vielleicht, dem Eierschalen-Sollbruchstellen-Verursacher, mit dem im Landkreis besonders bevorzugt das Frühstücksei geköpft wird. Der sei kürzlich wieder mal ausverkauft gewesen. Ansonsten, sagt er, gibt es im Landkreis keine Ausreißer. „Wir sind so was von normal“, lacht Dömling.
Kulinarisch gesehen ist der Rhön-Grabfelder Traditionalist. Das zeigt sich an der Frage: Wie hält's der Bürger mit der Bratwurst? „Die isst er in der Regel klassisch mit Senf“, sagt Tatiana Kostric vom Bratwurststand auf dem Marktplatz.
Etwas ausgefallener dagegen muten die Lesegewohnheiten im Landkreis an. Die erste Überraschung: „Er liest“, sagt Beate Wehner, Verkäuferin bei Papier Schmitt in Bad Neustadt, über den Durchschnitts-Bürger. Während sie zu den Lesevorlieben von Otto Normal-Rhön-Grabfeld weniger sagen kann, ist für sie der Fall der Rhön-Grabfelder Mustermännin klar: Die greift laut Wehner in diesem Jahr zur erotischen Roman-Trilogie „Shades of Grey“. „Das ist der Renner bei den 14- bis 70-Jährigen in der Region.“
Ob Durchschnitt oder rühmliche Ausnahme – der Rhön-Grabfelder hinterlässt Spuren: 107,87 Kilo Hausmüll waren es pro Kopf im Jahr 2011 (in Bayern 146,20 Kilo) laut der Wertstoff- und Abfallbilanz des Landkreises. Mit 33,26 Kilo Bioabfall pro Einwohner schneiden Thomas und Sabine Rhön-Grabfeld um einiges besser ab als ihre bayerischen Kollegen (69,5 Kilo), mit 269,43 Kilo Grüngut dagegen liegen sie weit über dem bayerischen Durchschnitt (90,4 Kilo).
Und zum Abschluss noch ein kleiner Blick in die Zukunft der beiden: Ihre wahrscheinlichste Todesursache ist eine Krankheit des Kreislaufsystems, gefolgt von einer Neubildung, also Krebs. Im Jahr 2011 starben laut Bayerischem Landesamt für Statistik- und Datenverarbeitung 416 beziehungsweise 256 der 954 Todesfälle in Rhön-Grabfeld an diesen beiden Todesursachen. Eher unwahrscheinlich dagegen, dass die beiden an Asthma oder Hirnhautentzündung (jeweils einer von 954) ihr Leben lassen. Auch, dass sie Feuer oder einem tätlichen Angriff (je zwei von 954) zum Opfer fallen ist eher nicht zu befürchten.