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BISCHOFSHEIM
Was die Wallfahrt auf den Kreuzberg ausmacht
Auf zum Kreuzberg und wieder zurück nach Karlstadt. Über 360 Leute beteiligten sich an der  Wallfahrt zum Kreuzberg.
Foto: Ingrid Kronthaler | Auf zum Kreuzberg und wieder zurück nach Karlstadt. Über 360 Leute beteiligten sich an der Wallfahrt zum Kreuzberg.
Thomas Pfeuffer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:37 Uhr

Es war am 11. September des Jahres 1901, als ein Gast im Kloster Kreuzberg zum Stift griff und einen Eintrag ins Gästebuch machte, in dem er seine Eindrücke hier oben zusammenfasste. Das so entstandene Gedicht, in dem der spätere Kardinal Michael Faulhaber den stetigen Wandel und die Vergänglichkeit weltlicher Dinge und die Konstanz des Göttlichen am Beispiel des Kreuzbergs beschrieb, wird noch heute in der Rhön gerne zitiert. Wohl, weil es den Kern dessen trifft, was die Faszination des Kreuzbergs und seines Klosters ausmacht.

Die Sterne kommen, die Sterne gehn.
Was im Lenz geblüht, muss im Herbst verwehn.
Die Wolken eilen, die Nebel ziehn.
Sie wandern – am Fuße des Kreuzes hin
Stat crux, dum volvitur orbis.

(Das Kreuz steht, während die Welt sich dreht.)

Die mehr als 1300 Jahre, seit die Frankenapostel um den heiligen Kilian 686 das erste Kreuz in einem heidnischen Heiligtum auf dem vormals Aschberg genannten Kreuzberg aufgestellt haben sollen, sind von ständigem Wechsel und Wandel geprägt, geblieben aber ist das Kreuz auf einem Berg, der vielen Menschen auch in Anbetracht der überwältigenden Natur immer wieder ihre Kleinheit und Vergänglichkeit ins Bewusstsein ruft.

Fotoserie

Der Berg war offensichtlich schon zu Urzeiten eine Kultstätte, bis die Frankenapostel seine christliche Tradition begründet haben. Der Berg galt als Gnadenstätte. Wunderberichte wurden kolportiert, und ab dem 14. Jahrhundert sind Wallfahrten belegt. Trotz verschiedenster Schwierigkeiten, Kriegs- und Glaubenswirren hat sich die Tradition über die Jahrhunderte erhalten.

In der Zeit der Bauernkriege werden die Kreuze zerschlagen. Es gibt kaum noch Wallfahrten, bis Fürstbischof Julius Echter um 1580 nicht zuletzt mit Blick auf das nahe Fulda und den konkurrierenden Volkersberg eine kleine Wallfahrtskapelle und eine erste Kreuzigungsgruppe errichten ließ, der der Berg schließlich seinen neuen Namen verdankt.

1627 übernahmen dann die Franziskaner aus Dettelbach die Betreuung der Wallfahrer. Anfangs kamen sie nur in den Sommermonaten auf den Kreuzberg. Die Franziskaner sollen es auch gewesen sein, die die Legendenbildung um Kilian ins Spiel brachten, um die Bedeutung des Wallfahrtsorts hervorzuheben.
Nach den Grauen des 30-jährigen Krieges nahmen die Pilgerströme derart zu, dass Fürstbischof Peter Philipp von Dernbach 1681 den Grundstein für eine neue Kirche und ein Kloster legen ließ, die dann 1692 feierlich eingeweiht wurden. Zwischen 1699 und 1706 wurde das Kloster dann schon wieder durch Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenklau erweitert. 1710 entstehen der Kapellenkreuzweg mit der neuen Kreuzigungsgruppe als zwölfter Station.

Die Jahre kommen, die Jahre fliehn,
Das Kreuz sieht sie alle vorüberziehn,
Das Kreuz, das am Berge Schildwach´ hält.
Die Zeiten wandern, es wandert die Welt.
Stat crux, dum volvitur orbis.


Die Mönche auf dem Kreuzberg kümmerten sich aber nicht nur um das seelische, sondern auch das leibliche Wohl der Pilger. In franziskanischer Gastfreundschaft boten sie den oft erschöpften Wallfahrern Essen, Trinken und eine Unterkunft. Dabei spielte das nahrhafte Bier eine sehr wichtige Rolle. Bis 1731 mussten die Fässer aufwendig den Berg hochtransportiert werden. Dann wurde die Klosterbrauerei gegründet.

In den folgenden Jahren gab es ein Auf und Ab. Hochzeiten der Wallfahrten wechseln mit Phasen, in denen Kloster oder Klostergaststätte von der Schließung bedroht sind. So erlebte die Wallfahrt zum Beispiel Ende des 18. Jahrhunderts eine Blüte, die 1803 mit der Säkularisation ein jähes Ende fand. Bis 1815 König Ludwig I. dann das Wallfahrtsverbot wieder aufhob. Alle Krisen wurden dank des Engagements der Franziskaner, der Treue der Wallfahrer und nicht zuletzt des Traditionsbewusstseins und der Volksfrömmigkeit der Rhöner selbst gemeistert.

Das Kloster wird erneuert und wächst. Mitte des 20. Jahrhunderts entstehen ein neues Brauereigebäude sowie Marien- und der Antoniusbau für Wallfahrer und Touristen. 2007 wurde das Gasthaus „Hohn“ erworben und zum Gasthaus „Zum Elisäus“ umgebaut. Mehrfach wird auch die Kirche renoviert – zuletzt in den Jahren 2000 bis 2003. Ein Freialtar und die Kerzenkapelle entstehen vor der Kirche und eine neue Orgel erklingt erstmals 2005 in der Klosterkirche.

Natürlich entwickelt sich auch die Gastronomie weiter. Wo einst Waldarbeiter Tropfbier und eine Suppe erhielten, ist nun ein hochmoderner gastronomischer Betrieb entstanden, ebenso modern ist die Brauerei, wo nach dem alten, geheim gehaltenen Rezept das berühmte Klosterbier hergestellt wird.

Die Attraktivität der Gastronomie hat Ängste gefördert, die Wallfahrt würde mehr und mehr beiseitegedrängt. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde ein weiteres bauliches Großprojekt angegangen. Vor dem Kloster wurde das 1687 als Gästehaus für Pilger errichtete und später als Gasthaus Braun bekannte Gebäude zum Bruder-Franz-Haus umgebaut. Mit diesem franziskanischen Informations- und Meditationszentrum entstand ein spiritueller Gegenpol zum Gastronomiebetrieb.

Den Kreuzberg herauf kam ein endloser Zug,
Die einen zur Kirche, die anderen zum Krug.
Sie sind wieder fort – das Kreuz sah sie gehen,
Die Menschen wandern – das Kreuz bleibt stehn.
Stat crux, dum volvitur orbis.


So hat sich vieles gewandelt auf dem Heiligen Berg der Franken. Vieles ist auch geblieben. Mehr als 600000 Besucher kommen inzwischen in jedem Jahr auf den Kreuzberg und machen das Kloster zu einem der erfolgreichsten Gastronomiebetriebe der Region – mit Nebenerscheinungen. Um Auswüchse zu vermeiden, muss so an manchen Tagen Sicherheitspersonal Dienst tun.

Es ist auch kein Franziskaner mehr, der die Klostergastronomie leitet. Seit einem Jahr wurde diese Aufgabe einer Frau anvertraut. Aber auch Angelika Somaruga betont nicht nur in Worten, sondern auch in der Praxis die absolute Vorrangstellung des Klosters als Wallfahrtsstätte.

So bleibt bei all den Wandlungen die kostengünstige Versorgung der Pilger das oberste Anliegen. In etwa 70 Wallfahrten ziehen derzeit rund 10 000 Pilger jährlich zum Kreuzberg. Geblieben ist auch, dass hier alle gleich behandelt werden. Es gibt keine Reservierungen, jeder muss sein Bier, sein Essen selbst holen. Man setzt sich dazu und kommt mit Unbekannten ins Gespräch.

Und vor allem ist das Kloster mit seiner Klosterkirche für den kleinen Franziskanerkonvent mit Guardian P. Stanislaus Wentowski, P. Eberhard Sievers, Br. Oswald Winkler,P. Gero Kotschy, Br. Wolfgang Galler und P. Rainer Treutlein ein Gnadenort geblieben. Hier können Wallfahrer und Besucher mit ihren Nöten vor Gott treten, hier sollen sie Hilfe, Trost und Stärkung finden. Bei all dem Wandel bleibt das Kreuz die Konstante. Es ist die Glut des Glaubens, so fasste es einmal der frühere Guardian Pater Raphael zusammen, die den Kreuzberg erwärmt. Solange sie anhält, müsse es niemandem bange um die Zukunft des Kreuzbergs sein.

Ich selber zog müde vom Wandern hier ein,
Im Schatten des Kreuzes die Kraft zu erneun,
Ich muss wieder ziehn – das Kreuz steht in Ruh;
Ich selber muss wandern – dem Grabkreuze zu:
Stat crux, dum volvitur orbis.

 
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