Drei Millionen Pflegebedürftige gibt es in Deutschland – Tendenz steigend. Zwei Drittel werden zu Hause umsorgt und hier in den meisten Fällen von Angehörigen gepflegt. Deshalb soll die häusliche Pflege gestärkt und die Betreuung in Pflegeheimen verbessert werden. So ist es im Pflegestärkungsgesetz II festgeschrieben, dass seit 1. Januar 2016 in Kraft ist. Die Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar (SPD) beantwortete am Freitagabend im Hotel-Café Kaak in Ostheim dazu Fragen wie: Müssen wir jetzt mehr bezahlen? Werden bereits eingruppierte Pflegebedürftige neu begutachtet? Gibt es zukünftig noch mehr Papierkram? Im Anschluss an Ihren Vortrag zeichnete Dittmar auch einige Genossen aus, die „die alte Dame SPD treu begleitet haben“.
Neuerungen
Was ist, wenn ich mir als junger Mensch eine starke Grippe zuziehe, die mich ans Bett fesselt? Oder wenn nach einem Skiunfall beide Arme eingegipst sind? Man ist ein ambulanter Pflegefall, jedoch kein Krankenhauspatient mehr. Gibt es trotzdem ein Recht auf Hilfe in dieser Zeit? Ja, seit Januar 2016 ist die so genannte Übergangspflege im Gesetz verankert. Zwar müssen noch Verträge geschlossen werden, aber Hilfen wie etwa ein Heimaufenthalt oder ein häuslicher Pflegedienst müssen nicht, wie bisher, selbst gezahlt oder mit der Krankenversicherung ausgehandelt werden.
Das ist nur eine der entscheidenden Neuerungen, die das Pflegestärkungsgesetz mit sich bringt und über die Dittmar referierte.
Dittmar hat selbst jahrelang als Ärztin im Krankenhaus und in einer Hausarztpraxis gearbeitet und kennt die Bedürfnisse der Patienten, Ärzte und Pfleger. Als ständiges Mitglied im Gesundheitsausschuss hat sie Entscheidendes am Pflegestärkungsgesetz mitbewirkt, und durch ihre praktische Erfahrung hatten bei ihr Lobbyisten „keine Chance, das Blaue vom Himmel zu erzählen“.
Auf die Frage nach mehr Beiträgen kam ein klares „Ja“ von Dittmar: „Es kommen höhere Beiträge auf uns zu, und zwar 0,5 Prozentpunkte in zwei Schritten: 0,3 Prozentpunkte zahlen wir bereits mehr seit Januar, ab kommenden Jahr dann nochmals 0,2 Prozentpunkte zusätzlich. So kommen sechs Milliarden Euro zusammen. Das ist ein großes finanzielles Potenzial, denn der gesamte Haushalt wurde damit um ein Viertel aufgestockt.“
Dafür gibt es aber auch mehr Leistungen. So wurde der Zuschuss bei Wohnumfeldverbesserungen von 2500 Euro auf 4000 Euro erhöht. Verbesserung gibt es auch für die Tages- und Nachtpflege: Gab man eine pflegebedürftige Person einmal in die Nachtpflege, so musste das bisher von den vorhandenen Mitteln bezahlt werden, nach dem neuen Gesetz gibt es diese zusätzlich.
Des Weiteren gibt es viele Leistungen, die zuvor nur für Demenzkranke vorgesehen waren, jetzt für alle Pflegestufen gelten – etwa Geld für Betreuungs- und Entlastungsangebote (wie beispielsweise Rasenmähen oder die Begleitung zum Friedhof) oder aber eine erhöhte Anzahl an Betreuungskräften.
Besonders stolz ist Dittmar auf den durchgesetzten Tariflohn für die Pfleger, der lange als unwirtschaftlich dargestellt worden sei.
Nach zehn Jahren Anlauf und zwei Expertenrunden wurde nun der Pflegebedürftigkeitsbegriff im Gesetz verankert, der eine völlig neue Begutachtung vorsieht. Ab 2017 sollen fünf sogenannte Pflegegrade die bisherigen drei Pflegestufen ablösen, dabei wird bei der Begutachtung durch die Krankenkassen überprüft, wie es um den Grad der Selbstständigkeit des Betroffenen steht.
Bei bereits eingruppierten ist der Übergang ins neue System automatisch. „Wer vorher in Stufe eins war, kommt automatisch in den zweiten Pflegegrad. Hat die Person zusätzliche kognitive Probleme sind es zwei Stufen“, erklärte Dittmar. Mit der Einführung der Pflegegrade setzt die Unterstützung früher an, bei Menschen, die bisher keine Leistungen erhalten haben.
Mehr Qualität und weniger Bürokratie soll das neue Gesetz für die Hilfsmittelversorgung bringen, wenn etwa ein Krankenbett, Windeln oder ein Rollator gebraucht werden. Bessere soziale Absicherung ist ab Januar 2017 auch für die pflegenden Angehörigen vorgesehen. So sollen die Rentenbeiträge für diese Personen bei zunehmender Pflegebedürftigkeit ansteigen und die Arbeitslosenversicherung verbessert werden.
Viele Fragen
Aus dem Publikum gab es kritische Anregungen, wie etwa die „Personalvergeudung für mindere Arbeiten“, die Bürokratie, fehlende Pflegekräfte oder aber die Schließung von Einrichtungen, die den „Umbau für die neu festgelegten größeren Zimmer nicht stemmen konnten“.
Im Anschluss an ihren Vortrag, überreichte Dittmar die Urkunden für langjährige Mitgliedschaften im SPD-Ortsverein Ostheim. „Ob 25 oder 40 Jahre Mitgliedschaft ist egal, toll ist, dass ihr die alte Tante SPD begleitet und Höhen und Tiefen mitgemacht habt. Ihr bleibt bei der Stange, auch wenn man mal nicht einer Meinung ist“, lobte Dittmar. Für 25 Jahre Mitgliedschaft wurden Elgine Hampel, Fritz Held, Oswald Dorock und Joachim Diepholtz geehrt. Seit 40 Jahren sind Monika Küchler, Burkhard Metz sowie Manfred Steube im Ortsverein. Helmut Budaew Georg Frese und Helmut Heinick wurden gar für 60 Jahre Mitgliedschaft bei den Sozialdemokraten ausgezeichnet.