Heidi Friedrich zuckt zusammen. Die Dusche fängt an zu laufen - nanu? Ach richtig, die Frau lebt ja in einem voll digitalisierten Smart Home, in dem alles miteinander vernetzt ist. Und die Dusche geht an, weil ihr Mann eingetippt hat, dass sie um diese Zeit drunterzustehen pflegt. Aber sie hat doch jetzt gar keine Lust zu duschen.
Sie will das Publikum im Bildhäuser Hof in der vertrauten Kleinkunstbühnen-Atmosphäre unterhalten mit ihrem Programm „Vier Wände für ein Halleluja“ und nimmt dabei alle Formen moderner Wohnkultur unter die kabarettistische Lupe. Richtet sie das Augenglas auf ein Phänomen wie die mögliche Farbskala für die Küche, landet der Vergrößerungsfokus bei den ausgefallensten denglischen (mehr englisch als deutschen) Beschreibungskompositionen, die im unmissverständlichen Arsen No 4 gipfeln und nur noch von Arsen No 5 übertroffen werden.
Ist ein Urlaub in Marrakesch nicht herrlich entspannend, wenn die Eltern alle paar Minuten mit dem Smartphone kontrollieren können, was der pubertierende Nachwuchs daheim in der sturmfreien Bude treibt? Heizung runter, Kühlschrank aus und Kastelruther Spatzen zur Beschallung – da ist jede Kifferparty ganz schnell zu Ende. Trotzdem: So smart lebt sich es sich doch nicht, die Sehnsucht nach Deinstallation wird immer größer, am Ende siegt der Entschluss: Ich geh‘ duschen, wann ich will.
In rasantem Sprechtempo überzieht die Rheinländerin aus Bamberg viele merkwürdige Erscheinungen der Gegenwart mit Spott, rückt das innige Verhältnis der Immobilieninvestorin zur renditestarken Pflegeimmobilie ins betongoldene Licht und erinnert sich daran, wie ihr als Kind des Jahrgangs 1964 die Aufsicht über die Betonmischmaschine übertragen wurde, ideal zur Entsorgung ihrer Barbie-Puppen, die sie gar nicht gut fand.
Früher, da stand auch die halbe Klasse vorne, wenn die Lehrerin aufrief. Heute braucht man da schon ein bisschen mehr Zeit, um Penelope-Shakira-Chantal und all den anderen Individuen eine angemessene Einladung auszusprechen. Und welche Entwicklung nachbarschaftliche Verhältnisse mitunter genommen haben, das setzt Heidi Friedrich brillant in Szene. Rücksichtslosigkeit und Beschimpfungen prägen ein Klima, das niemandem mehr fremd ist.
Bliebe noch die Zukunft als deutscher, Pinguin belästigender Rentner, der mit seinen 15 Milliarden Reise-Euro für einen erheblichen Erbminderungsfaktor sorgt. Bis zur Grabnutzungsberechtigung muss Heidi Friedrich allerdings noch einen weiten Weg zurücklegen, denn außer ihrer Zunge verfügen auch all ihre anderen Glieder über eine Gelenkigkeit, mit der sie die Gegenwart aufmüpfig tanzend bestehen kann.