Warum entscheiden sich junge Familie bewusst für ein Leben auf dem Land? Was macht den ländlichen Raum für junge Menschen zum Wohnen attraktiv? Das sind die Fragen, die sich Kommunen stellen müssen, wenn sie dem allgemeinen Trend der Stadtflucht entgegenwirken möchten. Julian Gick aus Eichenzell (Landkreis Fulda) hat sich in seiner Masterarbeit im Rahmen des Studiengangs Umweltplanung an der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Universität Hannover genau diesem Thema gewidmet: "Qualitäten ländlicher Räume - Bindefaktoren in der Migrationsentscheidung junger Familien". Als Untersuchungsgebiet für seine 133-seitige wissenschaftliche Arbeit hat der 28-Jährige die Rhön sowie speziell die Gemeinden Ebersburg und Oberelsbach ausgewählt. Was sind die Ergebnisse?
"Das soziale Miteinander auf dem Land spielt eine entscheidende Rolle", hält Julian Gick fest. Ein bestehender und bedeutungsvoller lokaler Zusammenhalt, die gewachsene Gemeinschaft, Freundschaften, Vereinsleben, die Herkunftsfamilie und die Lebens- und Denkweise sind wesentliche Punkte für die Entscheidung, auf dem Land zu leben und eine Familie zu gründen. Zur Gemeinschaft gehören Menschen des näheren Umkreises, etwa Familie, Freunde, Vereinsmitglieder und Nachbarn. "Aber auch unregelmäßige Kontakte werden geschätzt, die zu dem Gefühl, jeden im Ort zu kennen, beitragen", erklärt Gick in seiner Arbeit und stützt sich dabei auf die Ergebnisse von episodischen Interviews, die er mit Menschen im Alter von 20 bis 35 Jahren, die in einer festen Partnerschaft leben, geführt hat.
Wohnen in Naturnähe ist ein Pluspunkt
Eine große Rolle spiele auch die Kategorie landschaftliche Gegebenheiten. "Für acht der neun Befragten ist das Wohnen und Leben in Naturnähe ein entscheidender Bindefaktor." Einer der wesentlichsten Vorteile der ländlichen Räume sei die Ruhe, die "gesündere Luft" und die attraktiven Landschaften. "Das ist ein Plus, welches die Stadt nicht bieten kann", stellt Julian Gick fest. Gesundheit, freizeitliche Entfaltung, Freizeit, Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung und die Möglichkeit, Kinder auf dem Land groß zu ziehen seien weitere Aspekte.
Die Menschen identifizieren sich mit den Freunden, der Familie, einem Verein, aber auch mit der Denkweise der Menschen in ländlichen Räumen. Sie identifizieren sich mit der gesamten Rhön, der bayerischen oder auch kleinräumiger mit dem eigenen Wohnort.
Krisenzeiten können die Gemeinschaft beeinflussen
Neben episodischen Interviews mit Menschen aus Oberelsbach und Ebersburg stützt sich Gicks wissenschaftliche Untersuchung auf eine Online-Befragung, deren Teilnehmerkreis ebenso die Altersklasse der 20- bis 35-jährigen umfasste. "Ländliche Räume bieten Freiraum, Unabhängigkeit und schlussendlich Entscheidungsfreiheit – Qualitäten, die vor allem in einer postmodernen Gesellschaft, in der die Work-Life-Balance eine zunehmende Bedeutung erfährt, von hohem Stellenwert sind", stellt Julian Gick fest.
Im Zuge der Ausnahmesituation rund um die Covid-19-Pandemie ergab sich für den Masterand zudem ein Gelegenheitsfenster, um die in der Untersuchung ermittelten Bindefaktoren ländlicher Räume auf ihre Bedeutung im Rahmen von pandemischen Krisenzeiten zu untersuchen. Die Untersuchung zeigte auch, wie Gick erklärt, dass Krisenzeiten verheerenden Einfluss auf das gemeinschaftliche Gefüge nehmen können.
Neue Wohnformen im Ortskern ermöglichen
Letztlich kommt Julian Gick zu dem Schluss, dass eine zukunftsfähige Entwicklung für bestimmte ländliche Räume nicht allein durch die Bindung der hiesigen Bevölkerung ermöglicht werden kann. "Vielmehr muss auch eine Ansiedlung urban lebender junger Familien in Betracht gezogen werden." "Eine große Bedeutung kommt hier den Kommunen zusammen mit der Regionalentwicklung und Regionalplanung zu", betont der 28-Jährige.
Auf Grundlage der erarbeiteten planungsrelevanten Bindungsfaktoren zeigt Gick in der Arbeit einige darauf basierende Handlungsansätze für ländliche Räume auf. Beispielhaft seien hier die Stärkung des sozialen Zusammenhalts, die Stärkung des Naturerlebens in ländlichen Räumen oder die Stärkung der raumbedeutsamen Identifikation genannt. Die verschiedenen Akteure sollten neue Wohnformen im Ortskern ermöglichen, um Junge vor Ort, aber auch urban lebende Menschen für das Leben im ländlichen Raum zu begeistern, die Integration neuer Einwohner müsse sichergestellt werden und wichtig sei auch eine öffentlichkeitswirksame Kommunikation der Qualitäten ländlicher Räume.
"Außerdem habe ich festgestellt, dass auf jeden Fall noch weiterer großer Forschungsbedarf bei diesem Thema besteht", so Julian Gick. Auch für ihn hat sich die wissenschaftliche Arbeit an diesem Thema gelohnt. Von der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Universität Hannover erhielt er die Bestnote: 1,0.