"So etwas habe ich noch nie erlebt." Ugo Dal Pos, Chef der Mellrichstädter Eisdiele, schüttelt den Kopf. Personalsorgen treiben ihn um. Noch nie war es so schlimm wie in diesem Sommer. Wer kommt, bleibt nicht lange, ist lustlos, unmotiviert, ohne guten Draht zur Kundschaft. Zuverlässiges Personal für sein Eiscafé in der Hauptstraße zu finden, ist für den Chef derzeit eine unlösbare Aufgabe. "Das ist eine Katastrophe."
In der vergangenen Woche hat Ugo dal Pos daher die Reißleine gezogen. "Bevor ich meine Eisdiele nicht richtig führen kann, mache ich lieber zu." Seit vergangenem Mittwoch ist der Laden dicht, die Theke leer. Ein Zettel an der Eingangspforte verkündet die traurige Wahrheit: "Das Eiscafé Da Ugo bleibt vorübergehend wegen Personalmangels geschlossen." Schleckermäuler, die sich bei der großen Hitze mit einem Eis abkühlen wollten, schauten ebenso in die Röhre wie die Stammkundschaft, die sich gern bei Ugo auf einen Cappuccino oder einen Eisbecher trifft.
Corona macht Mitarbeiter-Akquise schwierig
Warum ist es gerade in diesem Jahr so schwierig, gutes Personal zu finden? Corona ist eine Antwort auf diese Frage. Nach einer Anfrage beim Arbeitsamt in Italien habe er die Auskunft bekommen, dass die Vermittlung von Arbeitskräften aus dem Ausland wegen der Pandemie derzeit sehr schwierig sei. Über die Agentur für Arbeit in Bad Neustadt konnte er auch keinen Mitarbeiter finden. Das Jobcenter ist derzeit geschlossen, seine Anfrage brachte er nicht an den Mann. Auch nicht online. "Ich kenne mich mit dem Internet nicht aus", sagt der Eisdielen-Chef.
Er selbst kann den Laden allein nicht schmeißen. Der 76-Jährige ist krank, kann nicht mehr lange stehen. "Ich muss Leute haben, die sich um alles kümmern, ich muss mich auf mein Personal verlassen können", schildert er sein Dilemma. Das Eis macht er selbst, für den Verkauf, den Service und das Reinemachen braucht er Hilfe. Drei bis vier Mitarbeiter sind der Grundstock für einen reibungslosen Ablauf im Laden. Im vergangenen Jahr hat Ugos Tochter das Eiscafé geführt, heuer hat auch sie den Kopf geschüttelt. Wenn kein Personal da ist, übernimmt sie nicht. Schon gar nicht in der Corona-Zeit, wenn neben dem Alltagsgeschäft noch Hygieneregeln zu beachten sind. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Eisverkauf ist eine Herzensangelegenheit
Der Eisverkauf ist für den Chef nicht nur ein Geschäft, es ist eine Herzensangelegenheit. "Man braucht dazu Liebe, Fantasie und ein Händchen für die Kunden", sagt der Senior. Früher habe er vor der Saison die passenden Leute gefunden, die sich eingebracht und auch einen Draht zur Kundschaft entwickelt haben. Zudem haben Studentinnen bei ihm angefragt, ob sie in den Semesterferien bedienen können. "Heute will das keiner mehr", bedauert Ugo Dal Pos. Und die Mitarbeiter, die sich bislang bei ihm vorgestellt hatten, waren schnell wieder weg. "Auf die war kein Verlass", wettert er.
Die Kunden in Mellrichstadt vermissen Ugos Eis, das hört der 76-Jährige in diesen Tagen überall in der Stadt. 1987 hat er das Anwesen in der Hauptstraße 21 gekauft, 1991 seine Eisdiele darin eröffnet. Seit 30 Jahren gehört das Eiscafé von Februar bis Ende Oktober zum Stadtbild. Dass derzeit geschlossen ist, machte schnell die Runde. Ob auch jemand davon hört, der gern bei ihm arbeiten möchte? Dal Pos gibt die Hoffnung nicht auf.
Die Suche geht weiter
Er versucht nun, über private Kontakte, unter anderem in Schweinfurt, Mitarbeiter zu finden, um die Saison bis Ende Oktober zu stemmen und seine Kunden mit Eis zu versorgen. "Sie müssen freundlich sein, mit Verstand", gibt er vor. Und fleißig. "Wenn die Sonne scheint, muss du Einsatz bringen", sagt der 76-Jährige. Für ihn allein eine unlösbare Aufgabe. "Das Temperament ist noch da, aber die Kraft fehlt", sagt er augenzwinkernd. Also müssen Leute her, die im Eiscafé mitanpacken. Ugo Dal Pos verspricht: "Wenn ich die richtigen gefunden habe, mache ich sofort wieder auf."