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Aubstadt
Werner und Gerd Köhler: Wie Zwillinge Fußball-Karriere machten
Die Köhler-Buben aus Aubstadt werden 60: Eine Fußball-Geschichte auf vier Beinen, die gleichsam als ein Fundament des Aubstädter Aufstiegs gilt.
Who is who? Insider kennen die beiden gut und können sicher sagen, dass Gerd rechts steht und Werner links. Das war aber nicht immer so ... 
Foto: Rudi Dümpert | Who is who? Insider kennen die beiden gut und können sicher sagen, dass Gerd rechts steht und Werner links. Das war aber nicht immer so ... 
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Rudi Dümpert
 |  aktualisiert: 14.11.2020 02:26 Uhr

In Unterfranken ist der TSV Aubstadt momentan die Nummer 4, in der Regionalliga Fünfter, in Bayern die Nummer 13 der 4530 Fußball-Vereine. Ein solches Fußball-Wunder dieser Qualitätsstufe sucht man weit und breit vergeblich im Freistaat, zumal unter dem Aspekt ländliche Region, 750-Einwohner-Dorf.

Gewiss gibt es da mehrere Väter und Großväter des TSV-Erfolgs. Bei dessen Grundsteinlegung und dem Fundament spielten besonders zwei Fußballer eine herausragende Rolle: Die Zwillinge Werner und Gerd Köhler. Sie feiern an diesem Montag 60. Geburtstag - genau wie Weltmeister Andi Brehme. Werner ist Kundenberater bei der Sparkasse und wohnt in Aubstadt. Gerd lebt seit 35 Jahren in Schweinfurt und ist Elektroniker bei Fresenius.

Ein Foto mit Erinnerungswert: Die Aubstädter Jugend mit Trainer Ernst Hey (hinten von links), Werner Köhler, Günther Schulz, Michael Muselmann, Dieter Müller, Bernd Schöppach, Norbert Köhler sowie (vorne von links) Gerd Köhler, Siegbert Ruck, Jürgen Kratsch, Reinhard Köhler und Robert Muselmann.
Foto: Repro: Rudi Dümpert | Ein Foto mit Erinnerungswert: Die Aubstädter Jugend mit Trainer Ernst Hey (hinten von links), Werner Köhler, Günther Schulz, Michael Muselmann, Dieter Müller, Bernd Schöppach, Norbert Köhler sowie (vorne von links) ...

Die beiden Söhne des Landwirt-Ehepaars Ernst und Raina Köhler waren von Kindheit an Straßen- und Hoftor-Fußballer wie so viele in jener Zeit. Sportliche Alternativen auf dem Dorf gab es nicht. Der damalige evangelische Pfarrer Gunther Scheler war der Geburtshelfer einer Schülermannschaft (bis 14) und einige Jahre Trainer. Aus ihr erwuchs später eine Jugendmannschaft (bis 18). Ernst Hey, ein weitläufiger Verwandter von Gerd und Werner, übernahm Schelers Erbe, erkannte das ungewöhnliche Talent der Zwillinge, formte und prägte sie in ihrer Entwicklung. Als sie 17 waren, rannte er offene Türen ein mit seinem Rat zum FC Schweinfurt 05 zu wechseln. Damit auch Vater und Mutter ihr Einverständnis dazu gaben, versprach er, dass er sie immer dann, wenn Not am Mann ist, zum Training und den Spielen nach Schweinfurt fahre. Dieses versprechen hielt Hey auch.

Da war endlich Ruh' mit der Bolzerei dahemm. Die ham mir doch im Hof alles kurz und klee g'schosse!
Vater Ernst Köhler, als seine Zwillinge zum FC 05 Schweinfurt wechselten

Vater Ernst Köhler verriet einmal dem Verfasser dieser Zeilen: „Da war endlich Ruh´ mit der Bolzerei dahemm. Die ham mir doch im Hof alles kurz und klee g´schosse.“ Irgendwie kam in Schweinfurt doch mehr Ernst in den Fußball-Spaß. Die Zeit, in der die eineiigen Zwillinge Lehrer, Trainer und gegnerische Mannschaften durch ihr identisches Aussehen an der Nase herumführen konnten, war vorbei. Der Zoff, den die so Ungleichen von klein auf, in der Schule, beim Training, im Spiel und nicht selten in der Halbzeitpause hatten, wurde zumindest weniger.

Dieter Müller, der mit ihnen Jugend und Erste spielte und neun Jahre Co-Trainer von Werner von der A-Klasse Rhön bis in die Landesliga Nord war: „Da sind manchmal die Fetzen geflogen in der Kabine. Ich erinnere mich an einen Spieler, der gerade aus Großbardorf zu uns gekommen war und die Ansprachen von Helmut Samko gewohnt war. Der saß in der Ecke und zuckte immer zusammen, wenn Werner und Gerd aneinander gerieten, über die Taktik, die Auswechslungen oder die fehlende Einstellung stritten. Sie sahen das alles mit dem selben Ziel, dem Erfolg. Das hat man gesehen, wenn wir wieder raus auf den Platz gingen und manches Spiel drehten. Und hinterher war eh wieder alles vergessen.“

Sind nunmehr hinter der Bande zu finden in Aubstadt, ihr Engagement für ihren Stammverein haben Werner und Gerd Köhler aber nie verloren.
Foto: Rudi Dümpert | Sind nunmehr hinter der Bande zu finden in Aubstadt, ihr Engagement für ihren Stammverein haben Werner und Gerd Köhler aber nie verloren.

Werner über Gerd: „Er war schon in der Jugend unglaublich kopfballstark.“ Wie wahr! Wer aus Aubstadt und Waldberg erinnert sich nicht daran, als es zum Treffen in der Landesliga Nord kam, Waldberg bis zur 90. Minute 2:1 führte und „Gerdi“ in der 90. und 92. Minute mit zwei Kopfballtreffern noch das Spiel drehte. Alle befragten Wegbegleiter, ob Dieter Müller (Mitspieler und Co-Trainer), Egon Pfister, Ernst Hey (beide Trainer) oder Toni Then (Lehrer, „brave Buben, gute Schüler, gute Fußballer“), begannen bei Gerd ihre  Antwort mit „Kopfball-Ungeheuer“ oder „ungeheuer kopfballstark.“

Verschieden waren sie nicht nur von ihrem Aufgabenfeld, Werner Abwehr, Gerd Angriff, sondern auch von ihrer Außenwirkung her. Das bestätigen sie sich gegenseitig, ihre Trainer ebenso: „Gerd war sehr impulsiv, ist immer gleich mit der Tür ins Haus gefallen, haute raus, was er dachte und fühlte, sprach erst, überlegte dann.“ Und „Werner war zwar auch hitzig, aber überlegter und besonnener.“ Was irgendwie zum unberechenbaren, explosiven Stürmer einerseits und zum organisierten, in heiklen Situationen ruhigen und vorausschauenden Vorstopper andererseits passt.

Egon Pfister, 1980 bis 84 beim TSV Trainer, hatte und hat an Gerd seinen Narren gefressen. „Ein Riesen-Kopfballspieler. Er hat mal in der Relegation um den Aufstieg in die Bezirksliga in zwei Spielen (4:3 in Sennfeld gegen Volkach und 4:3 in Münnerstadt gegen Rottershausen) die 1:3-Rückstände gedreht durch seine Tore. Sieben von den acht hat der Gerdi gemacht. Danach sind wir mit Blasmusik ins Dorf und ins Festzelt in Aubstadt einmarschiert.“ Legendär war später Gerd, die Stimmungskanone im Bus bei der Heimfahrt, wenn er Lieder anstimmte und die Texte „vorbetete.“

Gerd Köhler - wie er leibt und lebt.
Foto: Rudi Dümpert | Gerd Köhler - wie er leibt und lebt.

Als sie 18 wurden, kam Gerd beim FC 05 gleich in den Kader der Ersten, Werner musste sich erst ein Jahr in der Reserve hochdienen. Mit 20 wechselte Gerd nach Haßfurt. Er hat mich mal mitgenommen zum Probetraining. Das haben die Schnüdel spitzgekriegt und von da an durfte ich erste Mannschaft spielen.“ Als Haßfurt aus der Bayernliga abstieg, wechselte Gerd zum ersten Mal zurück nach Aubstadt. Und nach jenem Bezirksliga-Aufstieg holten ihn die 05-er zurück, womit sie wieder in einer Mannschaft vereint waren. Werner: „Wir kämpften zwei Jahre gegen den Abstieg aus der Bayernliga, waren dann Vizemeister, und dann kam Werner Lorant. 89/90 sind wir nach Relegationsspielen gegen Mainz 05, SSV Reutlingen und RW Frankfurt in die 2. Bundesliga aufgestiegen.“ Es wurde ein schweres Jahr. Wir waren nicht konkurrenzfähig, hatten eine Mannschaft, die viel schlechter war als in der Bayernliga.“

Nur unschöne Erinnerungen? „Keineswegs. Ein Erlebnis war schon das entscheidende Spiel im Grünwalder Stadion vor 32 000 Zuschauern gegen die 60-er am letzten Spieltag. Wir brauchten ein Unentschieden und spielten 3:3. Aber Erwin Albert brach sein Schien- und Wadenbein.“ Werner wollte nach dem Wiederabstieg eigentlich schon zurück nach Aubstadt. Man überredete ihn zum Bleiben. „Trainer Franz Brungs ließ mich aber keine Minute spielen.“ Im November 1991 wurde er im Kicker zitiert: „Köhler: Brungs ein Blender.“ Er wurde zu ihm zitiert und gefragt, ob er das gesagt habe. „Ja, dazu stehe ich auch.“ Daraufhin habe er seinen Pass bekommen und wechselte mit Gerd, da bereits in der 2. Mannschaft, zurück nach Aubstadt. „Drei Wochen später war auch Brungs 05-Vergangenheit.“

Aus Jugend-Freunden wurden Trainer: Werner Köhler und Dieter Müller.
Foto: Repro: Rudi Dümpert | Aus Jugend-Freunden wurden Trainer: Werner Köhler und Dieter Müller.

Der Durchmarsch unter dem Gespann Köhler/Müller vom Abstiegsplatz der A-Klasse Rhön bis in die Landesliga begann. Dieter Müller: „Es war eine herrliche Zeit. Die beiden haben Verdienste ohne Ende für den TSV.“ Trainer war Werner danach noch in Herbstadt, zwei Abschnitte beim TSV Bad Königshofen, dessen „goldene Generation er von der Kreisklasse in die Bezirksliga führte, und in Rannungen. Gerd coachte in Seubrigshausen, Königsberg, Bad Kissingen und stieg mit den Spfr. Herbstadt in die Bezirksliga auf.

Dass sich eineiigen Zwillingen immer wieder Möglichkeiten bieten, ihre Identität in gewissen Momenten zu vertauschen, liegt auf der Hand. Die Köhlers grinsen nur vielsagend, wenn sie darauf angesprochen werden, konnten aber schweigen und gingen nie hausieren damit.

Auch der Verfasser dieses sportlichen Lebenslaufs der beiden ging ihnen einmal auf den Leim. Er wurde Mitte der 90er-Jahre von der Redaktion zu einem Vorbereitungsspiel nach Saal geschickt, ein Foto von Trainer Werner Köhler und den Neuzugängen zu machen. „Kein Problem, das krieg´ mer hin, wenn du schon extra her gefahren bist.“ Es dauerte Jahre, bis durch einen Zufall heraus kam, was kein Redakteur und kein Leser bemerkt hatte: Nicht Werner war Werner, der war gar nicht da, sondern das Schlitzohr Gerd!

 
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