Der Bettlerbrunnen hat seinen Namen verdient. Der klebrige Gaumen lechzt flehend nach Wasser, der ausgetrocknete Rachen bettelt um etwas kühlendes Nass, während die salzigen Schweißbahnen das Gesicht hinunterrinnen.
Das Wasser des Brunnens quert unseren Weg als kleines Rinnsaal, in das schon viel Herbstlaub gefallen ist. Der Bettlerbrunnen in etwa auf halbem Weg zwischen Sandberg und Kreuzberg ist des Wanderers Trost auf der Kreuzbergtour, einer Extratour des Hochrhöners. Sagen wir besser: ein kleiner Trost, denn wirklich glücklich sind Gaumen und Rachen natürlich erst, wenn der erste Schluck Kreuzbergbier den Mund füllt.
Die Kreuzbergtour haben wir am Wanderparkplatz etwas oberhalb von Sandberg begonnen. Viele werden am Kreuzberg selbst die Tour starten. Man kann aber auch am Neustädter Haus, am Irenkreuz oder in Kilianshof zu der knapp 13 Kilometer langen Tour aufbrechen.
Sandberg wählen wir nicht nur, weil wir in der Nähe auch wohnen. Es hat auch seinen Reiz, erst den freien Blick über Sandberg und die Walddörfer streifen zu lassen weit in den Nachbarlandkreis Bad Kissingen hinein – um dann etwas bang den mächtigen, buchenbewachsenen Südhang hinauf zu starren bis zum Sendemast. Zum Einstieg geht es eine breite Wiese hinauf, an deren Ende man in ein kleines Wäldchen schlupft. Es dauert nicht lange, und wir finden einen ersten kleinen Höhepunkt der Tour: Eine Ruhebank, ganz aus alten Skiern gezimmert, von der Sitzfläche bis zu Lehne. Reiner Köth aus Sandberg hat sie vor ein paar Jahren gebaut. Wir laufen den breiten Waldweg weiter, der das Fortkommen anfangs leicht macht. Langsam wird der Weg steiler, irgendwann biegt die Route ab durch Wurzel- und Hohlwege. Kurz schauen wir uns den Jostenbrunnen an, der vor einigen Jahren mit Sitzgelegenheit und einem Brunnentrog schön hergerichtet wurde.
Der Aufstieg wird immer knackiger, auch wenn es nicht so schlimm wie bei einer Kniebreche wird. Als wir den besagten Bettlerbrunnen erreichen, haben wir die steilsten Anstiege fast hinter uns. An diesem Tag begegnet uns nur ein Touristen-Ehepaar, das sich ebenfalls die Kreuzbergtour auserkoren hat.
Nach dem Bettlerbrunnen geht es fast nur noch im leichten Anstieg weiter. Bald schon verlassen wir den Wald und haben die großen Wiesen vor uns, die sich südlich von Kloster und Sendemast ausbreiten.
Zum Kloster Kreuzberg müssen wir nichts sagen. Ort der Einkehr, der inneren wie der äußerlichen, spiritueller, manchmal auch nur bierseliger Magnetort. Wenn auch die Schänke heuer von 27. Oktober bis einschließlich 1. Dezember geschlossen bleibt, auf das Kreuzbergbier muss man nicht verzichten. Der Berggasthof Elisäus ist während der Herbstpause der Klostergastronomie geöffnet.
Die Kreuzbergtour wäre nicht die Kreuzbergtour, wenn sie nicht auch den Gipfel erklömme. Die 928 Meter, die vermutlich jedes unterfränkische Schulkind als Gipfelhöhe lernt, erreicht auch diese Extratour mit dem berühmten Kreuzigungsgruppen-Panorama. Man wird still vor der Schöpfung, nur die Kameras der anderen Wanderer klicken.
Wir laufen weiter Richtung Neustädter Haus. Den weichen Wiesenpfad genießen wir bei vielen Kreuzbergaufenthalten, an schönen Tagen ist hier aber auch ordentlich Betrieb wie in einer Fußgängerzone. Die Endstation des Dreitannenliftes öffnet sogleich den Blick hinunter nach Bischofsheim und ins Brendtal. Solche Aussichten kann nur das Land der offenen Fernen bieten.
Der K-Weg führt eigentlich entlang der Familienabfahrt des Kreuzberg-Skigebiets, wir machen aber einen Abstecher zur Gemündener Hütte. Von dort ist die Sicht hinüber zu Arnsberg, Himmeldunk und weiter bis zur Wasserkuppe einfach unwiderstehlich. Die Hüttenwirte Verena Göpfert und Marc Trum haben aus der Gemündener einen Schatz gemacht, der nicht nur zu den allmonatlichen Hüttenabenden mittlerweile Scharen anzieht.
Kunstgenuss
Nicht lange, und wir haben den zweiten Hüttentipp erreicht, das Neustädter Haus. Nur noch bis Ende Oktober betreibt das Wirtehepaar Markus und Christina Kneipp nach vielen Jahren am Kreuzberghang das Rhönklubhaus, dann gibt es einen Pächterwechsel.
Die Extratour folgt linker Hand der Zufahrtsstraße hinunter. Mit etwas Glück entdeckt man im Waldstück gegenüber einen der Downhiller, die mit ihren Mountainbikes den Flowtrail hinunterbrettern. Am Irenkreuz, das an die Christianisierung Frankens durch irische Mönche erinnert, macht die Extratour einen Knick und führt oberhalb der Kreisstraße bis nach Kilianshof.
Der kleine Ort mit seinen rund 70 Einwohnern besticht durch seine malerische Lage. Auf den Koppeln zur Rechten und zur Linken tummeln sich die Shirehorse-Pferde, unter die sich das Schaf Shawni gemischt hat, ein putziger Anblick. Nicht vergessen sollte man einen Blick in das Schaufenster des neuen Dorfgemeinschaftshauses. Dort sind immer wieder abwechselnd lokale Künstler der Walddörfer mit einigen ihrer Werke vertreten. So wird der Wander- auch noch zum Kunstgenuss.
Wir blicken noch einmal zurück auf Kilianshof und seine einzigartige Lage, dann dauert es nicht mehr lange, und wir haben Sandberg erreicht. Dort könnte man zum Beispiel die Wanderung mit einem Besuch der Schokoladenmanufaktur beschließen. Denn soviel haben wir auf der Wanderung gelernt: Der Südhang ist auf jeden Fall die Schokoladenseite des Kreuzbergs.