
Vor genau 50 Jahren blickten drei müde Astronauten aus dem Fenster ihres Raumschiffchens sehnsuchtsvoll in Richtung Heimat, jener strahlend blauen Kugel, die erschreckend klein in der Finsternis des Alls schwebte. Alle drei hatten nicht so gut geschlafen und zwei von ihnen waren kurz zuvor auf dem Mond gelandet. Es sei ein "großer Schritt für die Menschheit" gewesen, funkte Neil Amstrong zur Erde. Seine Botschaft verbreitete weltweit Optimismus. Man glaubte, alle Probleme seien technisch lösbar.
Christian Lindner (FDP) glaubt das immer noch. Aber der Wind hat sich gedreht! Als Apollo 11 zum Mond flog, gab es knapp vier Milliarden Erdenbewohner. Heute sind es doppelt so viele. "Klimawandel" oder "Globalisierung" waren 1969 Fremdworte. Der Bordcomputer der Mondfähre verfügte über die Rechenleistung eines Taschenrechners. Beim Landeanflug fiel er ganz aus. Aber Neil Amstrong blieb cool: Er schaltete auf Handsteuerung und landete pünktlich im "Meer der Ruhe".
Damals war sogar die Bahn noch pünktlich. Genau wie die NASA stellte die "Deutsche Bundesbahn" eine staatliche Institution dar. Pedantische Bahnbeamte zwängten Ankunft und Abfahrt in das starre Korsett eines sogenannten "Fahrplans", den sie akribisch einhielten. Heute gelten Fahrpläne im Qualitätsmanagement der Deutschen Bahn AG allenfalls als Orientierungshilfe. Digitalisierung schafft Spielraum für smarte Lösungen, die den "Usern" allerdings auch ein gewisses Maß an Flexibilität abverlangt.
Besonders deutlich wird das bei der Ticket-Diversität: Es gibt den Supersparpreis, das Bayernticket und den Flexpreis ohne Zugbindung, es gibt die BahnCard in sage und schreibe 14 verschiedenen Variationen. Man kann Tickets online buchen, sie aufs Handy ziehen, man kann sie am Automaten oder (gegen Aufpreis!) in einem "DB Reisezentrum" kaufen. Die Tarife ändern sich stündlich. Studenten der ETH Zürich haben ausgerechnet, dass es für die einfache Fahrt von Stuttgart nach Würzburg 648 verschiedene Ticket-Optionen gibt. Ein großer Schritt für die Menschheit!
Dafür läuft alles viel unbürokratischer. War früher eine Zugtoilette defekt, mussten vor der Reparatur drei Formulare ausgefüllt werden. Heute wird einfach die Tür abgesperrt. Dann gibt es eben keine Toilette. Na und? Der mobile Mensch muss Opfer bringen! Irgendwann wird ein outgesourctes "Service Team" aus dem Niedriglohnsektor die Schweinerei schon beheben.
In der Schweiz ist die Bahn übrigens immer noch in staatlicher Hand. Und pünktlich! Dafür fehlt ihr der "Thrill". Deshalb bietet die SBB ein sogenanntes "Ad-venture Ticket" an, mit dem man sich ins Netz der DB wagen darf. Junge Schweizer finden das cool und posten ihre Horrorstories in Echtzeit ins Netz. Die "Verspätung des Monats" wird mit jeweils 1000 Freikilometern prämiert. Im Juni reiste eine Schülerin von Basel nach Mellrichstadt. Sie kam 6 Stunden und 43 Minuten zu spät an. Respekt!
"Planet" bedeutet "Wandelstern". Nicht nur die Bahn wandelt sich. Jetzt soll auf dem Marktplatz unseres schönen Industriestädtchens die letzte Bratwurstbude verschwinden. Dann gibt‘s nur noch Döner, Burger und Pizza. Klasse! Überall das gleiche "Global Food". Für ältere Menschen stellt der Untergang der fränkischen Bratwurst eine kulturelle Verarmung dar. Im Seniorenheim am Marktplatz brodelt es! Insider beteuern hartnäckig, eine Gruppe militanter Grauköpfe plane unter dem Motto "Es Bratwurscht-Eck dörf net weg" einen Rolli-Sturm aufs Rathaus. Zuerst wollte man ja einfach nur bei "Fridays for Future" mitmarschieren. Eine junge Aktivistin hätte dem verblüfften Rädelsführer der Altrevoluzzer jedoch erklärt, bei ihrem Verein dürften nur Veganer mitmachen. Man muss sich das vorstellen!
Sommerpause: Die nächsten Wochen nichts Neues aus der Heimat.