Mehrere Gefängnisstrafen hielten den heute 66-jährigen Angeklagten aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld nicht davon ab, sich immer wieder neu als Arzt auszugeben, obwohl er nie eine Approbation besaß. Wegen Missbrauch der Berufsbezeichnung und unberechtigter Ausübung der Heilkunde wurde er nun am Amtsgericht Bad Neustadt erneut zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Eine Bewährung kam nicht infrage.
Kontakt per Partnerschaftsanzeige
Hauptopfer seiner Betrugsmasche war in diesem Fall aus dem Sommer 2017 eine Frau, die gerade ihren Mann verloren hatte und aus Angst vor dem Alleinsein auf eine Partnerschaftsanzeige einging. Das großartige Auftreten und die tollsten Geschichten von ärztlichen Einsätzen bei der Deutschen Flugrettung, in Afghanistan oder als Mediziner im baden-württembergischen Umweltministerium beeindruckten sie, sie ließ sich auf eine Beziehung ein und nahm den Mann, dessen eigene Unterkunft sie nie sah, in ihrer Wohnung auf.
Sie bewunderte es, dass sich ihr „Arzt“ einen BMW bestellte, nahm allerdings auch den Widerspruch wahr, dass er nie Geld hatte und sich von ihr aushalten ließ. „Bis auf 13 Euro beim Aldi hast du doch nie was bezahlt“, hielt sie dem Angeklagten noch im Zeugenstand vor. Die Augen für die ganze Wahrheit öffnen wollte sie allerdings nicht.
In Wirklichkeit Kfz-Meister
Immerhin handelte sie insofern eigenständig, als es um ihren Blutdruck ging. Der falsche Arzt, in Wirklichkeit Rentner nach beruflicher Tätigkeit als Kfz-Meister und Rettungsassistent, verordnete ihr, die Blutdrucktabletten, die ihr richtiger Arzt ihr verschrieben hatte, abzusetzen und dafür homöopathische Tropfen zu nehmen, die er auch anderweitig empfahl. Seine Partnerin folgte seinen Anweisungen, aber nachdem es ihr schlechter ging, kehrte sie nach einigen Wochen zu ihrer alten Medizin zurück. Einen bleibenden Schaden trug sie nicht davon.
Überall in der Verwandtschaft und Bekanntschaft gab sich der Hochstapler als Arzt aus, Ungereimtheiten fielen allen auf, beispielsweise warum man bei der Flugrettung den Stützpunkt Ochsenfurt nicht kennt oder warum an der Notarztjacke nur die Reflektoren gegen Messerstiche resistent sein sollten. Weil die Betroffene selber ihren „Arzt“ nicht verlieren wollte, ging sie nicht darauf ein, sondern nahm stattdessen den Bruch alter Freundschaften und Beziehungen in Kauf.
Schon einmal mit der selben Masche
Die Falle für den Angeklagten schnappte zu, als jemand aus dem Umfeld der Frau im Internet einen Zeitungsbericht über eine Gerichtsverhandlung entdeckte, der dieselbe Masche beschrieb und keinen Zweifel daran ließ, dass es sich um denselben Täter handelte.
Nachdem das Bundeszentralregister für den Mann auf der Anklagebank neun einschlägige Vorstrafen aufwies und sich das verhandelte Geschehen unter Führungsaufsicht ereignete, sah der Staatsanwalt trotz des Geständnisses keinen anderen Weg als eine einjährige Freiheitsstrafe wegen Missbrauch der Berufsbezeichnung und unberechtigter Ausübung der Heilkunde zu beantragen - wegen der ungünstigen Sozialprognose ohne Bewährung.
Urteil angenommen
Diesem Antrag schloss sich die Vorsitzende Richterin mit ihrem Urteil an. Sie verwies darauf, dass die beteiligte Frau heute immer noch unter den Folgen des Lügenkonstrukts leide, und fand keine Antwort auf die Frage, was den Angeklagten künftig davon abhalten könne, wenn ihn nicht einmal Gefängnisaufenthalte beeindrucken konnten. Beschuldigter und Staatsanwalt nahmen das Urteil noch im Gerichtssaal an.