Rund 10 600 Kilometer Luftlinie liegen zwischen der Provinz Oxapampa im peruanischen Dschungel und dem fränkischen Maria Bildhausen. Auch wenn die Entfernung und die geografischen sowie die kulturellen Unterschiede groß sind, herrscht dennoch eine enge Verbindung und ein gemeinsamer Nenner: Die Liebe zum Kaffee.
Auch Rainer Bühner liebt Kaffee. Seit mehr als drei Jahren führt er in Maria Bildhausen seine Inklusions-Kaffeerösterei mit sechs Menschen mit Handicap. Sie helfen ihm beim Sortieren der Bohnen, beim Verpacken und Wiegen des Kaffees und beim Etikettieren. Bei einem Besuch in der Rösterei sieht man, dass alle Beteiligten mit großer Leidenschaft und Hingabe arbeiten und wirklich lieben, was sie tun.
Jüngst machte sich zwischen dem Duft von frisch geröstetem Kaffee in Maria Bildhausen eine knisternde Stimmung breit. Die Aufregung war Rainer Bühner anzusehen. Er wartete gespannt vor seinem Computer auf die vielleicht emotionalste Videokonferenz seines bisherigen Lebens. Zwei Jahre intensive Arbeit wurden darin nun besiegelt und bildeten den Startschuss für ein ganz besonderes Projekt: "Biosphäre²".
"Nachhaltige Landnutzung – nachhaltiger Genuss"
Denn in dieser Videokonferenz schloss die Verwaltung des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön eine länderübergreifende Partnerschaft mit dem peruanischen Biosphärenreservat Oxapampa-Ashaninka-Yanesha (BIOAY) und unterzeichnete eine Kaffee-Projektpartnerschaft zum Themenfeld "nachhaltige Landnutzung – nachhaltiger Genuss": Die Themen ökologische Landwirtschaft, bodenschonende Bewirtschaftung, sozialorientierte Wertschöpfung, fairer Handel und Inklusion sollen künftig Bestandteile der Projektpartnerschaft der beiden UNESCO-Biosphärenreservate sein.
In der internationalen Videoschalte unterzeichneten Ulrike Schade, Michael Geier und Torsten Raab für die drei Verwaltungen des Biosphärenreservats Rhön sowie Juan Carlos La Torre für das Biosphärenreservat BIOAY aus Peru live die Vereinbarung. Dr. Miguel Clüsener-Godt, Direktor der Abteilung für ökologische und Erd-Wissenschaften der UNESCO und Sekretär des Programmes "Man and the Biosphere" sprach, zugeschaltet aus Paris, ebenfalls ein Grußwort und lobte die internationale Zusammenarbeit zwischen den Partner-Regionen Rhön und Oxapampa. Dolmetscher übersetzten ins Spanische und ins Deutsche.
Corona verhindert großes Fest
Die Vorbereitungen für dieses Projekt waren im Vorfeld in der Tat herausfordernd. Bürokratische Hürden, sieben Stunden Zeitverschiebung und manche sprachliche Barriere galt es immer wieder zu bewältigen. Am Ende sollte dann doch alles und auch rechtzeitig unter Dach und Fach sein.
Eigentlich sollte eine großes, gemeinsames Eröffnungsfest zwischen den Biosphärenreservaten stattfinden. Doch, wie so oft in der Corona-Pandemie, musste man mit der digitalen Variante vorliebnehmen. Die Freude über den Auftakt der nachhaltigen Zusammenarbeit war bei den Beteiligten dennoch groß und ungebrochen.
In Peru geerntet, in der Rhön geröstet
Erstes Symbol der partnerschaftlich gelebten Nachhaltigkeit ist der Kaffee "Biosphäre² – Peru trifft Rhön", der ab sofort von Rainer Bühner und seinem Team in der Rhön geröstet und auch dort erhältlich sein wird. Bis der Kaffee aber in den Tassen landen kann, sind noch einige Arbeitsschritte nötig.
Rainer Bühner und seine Belegschaft bekommen in großen Säcken den Bio und Fair-Trade zertifizierten Rohkaffee von der Kaffeekooperative Cepro Yanesha aus Peru. Diese Kooperative, 2010 von Kaffeefarmern der indigenen Gruppe der Yanesha gegründet, umfasst rund 180 Kleinbauern, die Bio-Kaffee, mit besonderem Wert auf Nachhaltigkeit, anbauen. In der offenen Kaffeerösterei in Maria Bildhausen wird der Rohkaffee schließlich veredelt, schonend geröstet, verpackt und auch von dort aus vermarktet.
"Dieses besondere Produkt zeigt, dass man auch bei Kaffee durchaus auf Herkunft, Anbau und Verarbeitung achten kann", sagt Nadja Schneider, Projektverantwortliche der Rhön GmbH. Gegen Ende der Videokonferenz kam Bühners Part, bei dem er die Inklusionsarbeit seiner Rösterei hervorhob und seine Kaffee-Passion verdeutlichte. Dabei schwärmte er nicht nur von der hohen Qualität des peruanischen Kaffees, sondern auch von der länderübergreifenden Zusammenarbeit: "Ich habe mich wirklich gefreut, dass dieses langgeplante Projekt nun endlich realisiert wird und ich die Bäuerinnen und Bauern, zumindest digital, kennenlernen durfte", sagte Bühner. "Es erfüllt mich mit Stolz, bei diesem Projekt dabei sein zu dürfen."
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Inklusions-Rösterei standen an diesem Tag ebenfalls vor dem Computer, waren interessiert an der neuen Kooperation, schauten sich Landkarten an und wollten genau wissen, was es mit diesem Projekt auf sich hat. Wo ist Oxapampa? Was machen die Bäuerinnen und Bauern dort? Wie kommt der Kaffee in die Rhön? Für kurze Zeit standen die Maschinen in der Rösterei still und die Belegschaft war für ein paar Minuten gedanklich im peruanischen Hochland-Dschungel.
Der Traum vom Erntehelfer in Peru
Sichtlich gerührt von dieser emotionalen und aufregenden Veranstaltung machte Bühner noch ein Versprechen an die knapp 70 Teilnehmenden der Konferenz. "Ich kann es kaum erwarten, das Anbaugebiet in Peru selbst zu besuchen. Natürlich nicht als Tourist, sondern als Erntehelfer."