„Weck, Woascht un Woi sind ein Traditionsessen in Gau-Bischofsheim“, erläuterte der Kerbvadder Philipp Hübner, „und deshalb hängen die bei uns im Kerbebaum.“ In Bischofsheims Partnergemeinde wird die Kirmes etwas anders gefeiert als bei uns. Zwar gibt es dort im Unterhof eine riesige alte Eiche, doch die Kerb, wie die Kirmes hier genannt wird, braucht ihren eigenen Baum, eine Art Fahnenmast, an dem ein Fichtenkranz befestigt ist, von dem Weck, Würste und Weinflaschen baumeln.
Unter dem Kerbebaum hat sich die Kerbjugend postiert, erkennbar an ihren blauen Küferkitteln, dem Weinglas und der Kerbezeitung, die für kleines Geld an die Besucher verkauft wird, um die Finanzen der Jugend aufzubessern. Ihre Frontleute sind die Kerbemudder Natalie Becker und Kerbevadder Philipp Hübner, dem man die durchwachten Nächte schon etwas ansah. Beide eröffnen die Kerb am Freitag um 18 Uhr, müssen eine Rede halten und übergeben sie zum Ende am darauffolgenden Montag um 18 Uhr an den nächsten Jahrgang.
Kirchweih auf Rheinhessisch
Christian und Thomas tragen kurze Lederhosen, rotkarierte Hemden und einen Tirolerhut. Sie halten beide einen noch fast vollen Bierkrug in den Händen. Warum sie nicht wie die anderen Jugendlichen Wein trinken? „Weil wir das Kreuzberger Klosterbier so lieben“, sagen beide lachend und prosten sich zu.
Seit zehn Jahren besteht die Partnerschaft zwischen den Gemeinden Gau-Bischofsheim in Rheinland-Pfalz und Bischofsheim in der Rhön. Dieses Jubiläum wurde im Rahmen der Kerb gebührend gefeiert. Die Initiative ging damals vom Förderverein Bischofsheim unter dem Vorsitz von Harald Weidner aus, der sich um den Erhalt der Freundschaft der beiden Gemeinden bemüht.
Manches ist ähnlich, wie die Aussprache des Ortsnamens und einiger Dialektbegriffe. Das Klima in Rheinhessen ist viel milder, als in der Rhön, daher gedeiht hier ein guter Wein. Gau-Bischofsheim hat aufgrund der guten Lage zu den Ballungsräumen des Rhein-Main-Gebietes steten Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen und zählt aktuell etwa 2100 Einwohner.
Zum Jubiläum auf die „Kerb“
Auch die Kerb kam nicht an der Fußballweltmeisterschaft vorbei. Am Rathaus gab es eine kleine Public-Viewing-Arena. Es folgte das Unterhaltungsprogramm der Kerb, zu dem ein ganzer Bus voller Böschemer aus der Rhön angereist war. Die Moderatoren Volker Pietzsch und Clemens Frenzel-Göth führten durch den Abend unter dem Motto „Das Supertalent 2014“. Im Wechsel traten Rhöner und Rheinhessen auf die Bühne und musizierten, spielten und tanzten für das Publikum und die Jury, bestehend aus Kerstin Simon und Andreas Büttner für Böscheme sowie Armin Sambale und Bürgermeister Patric Müller für Bischem. Mit einer vorangestellten Videobotschaft wurden die Akteure zunächst vorgestellt und traten dann auf der Bühne auf. Der Jüngste durfte als Erster auftreten. Maxi Klüber aus Oberelsbach erzählte Witze und spielte auf seiner Steyrischen Harmonika das Kreuzberglied. Bei seinen ersten Worten hatte er das Publikum schon auf seiner Seite, beim Harmonikaspielen verhaspelte er sich kurz. „Ich war total aufgeregt“, erzählte der 13-Jährige später.
Die Gastgeber hatten einige bemerkenswerte Auftritte zu bieten, eine Percussion mit dem Straßenbesen zeigte der Kirchenmusikverein, Sheila Stiller, gebürtige Brasilianerin, tanzte mit ihren Freundinnen Samba, Udo Schultheis sang eine Arie aus dem Zigeunerbaron. Böscheme konnte hier locker mithalten. Klaus Kirchner hatte ein neues Lied über das „Hümm“ geschrieben, Georg Seifert, Günther Enders und Joachim Gundelach spielten einen Sketch aus ihrem Faschingsrepertoire und die Maumerkapelle trat auf. Leider waren die Damen der „Kaufmannsware“ verhindert und wurden per Video eingespielt, dessen Qualität allerdings so schlecht war, dass sie kaum Chancen auf den Titel hatten – trotz der Aussage von Juror Patric Müller: „Maria Hellwig ist tot, es lebe die Kaufmannsware.“
Sehr beeindruckend waren die Liveaufnahmen, die direkt auf die Bühnenleinwand projiziert wurden und so zu einer großartigen Bühnenshow beitrugen. Diese Filmsequenzen im Hintergrund brachten den Auftritt der Böschemer Wildkatzen und ihrem Showtanz „New York“ sehr gut zur Geltung, für den sie großen Beifall bekamen. Bis zu dem Zeitpunkt schienen die jungen Mädchen, die trotz des mittlerweile starken Regens professionell weitertanzten, die Favoriten zu sein. Doch dann kamen die beiden „Tiroler“ Christian und Thomas auf die Bühne, und mit ihnen der Rest des Bischemer Männerballetts, das für seinen Showtanz einen noch größeren Beifall als die Wildkatzen bekam.
Nach der Auswertung der Stimmzettel bestätigte es sich, das Männerballett des Gastgebers Gau-Bischofsheim wurde Supertalent 2014. Auf Platz zwei landete Maxi Klüber und der dritte Platz ging an die Böschemer Wildkatzen. Beim Stadtfest in Bischofsheim am vierten Juliwochenende wird nun die Gelegenheit zu einer Revanche gegeben – vielleicht findet sich ein Böschemer Männerballett und hoffentlich gibt es die „Kaufmannsware“ live.