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Schmalwasser
Vom Leben, von Streichen und von kauzigen Menschen: Drei Männer aus Schmalwasser erzählen, wie es früher war
Werkstattgespräche in Schmalwasser: Robert Holzheimer, Günther Holzheimer und Manfred Bühner (von links) erzählten, wie es früher in Schmalwasser war.
Foto: Barbara Enders | Werkstattgespräche in Schmalwasser: Robert Holzheimer, Günther Holzheimer und Manfred Bühner (von links) erzählten, wie es früher in Schmalwasser war.
Barbara Enders
 |  aktualisiert: 01.11.2023 02:47 Uhr

In die verwitterten Holztüre ist in Augenhöhe das Wort "Werkstatt" geschnitzt. Durch einen Vorraum voller Holz kommt man in die Schnitzwerkstatt von Günther Holzheimer, in der sein Vater Theo schon arbeitete. Es duftet nach Lindenholz.

Günther Holzheimer sitzt hinter seiner Hobelbank, das Werkzeug liegt fein säuberlich vor ihm auf dem Tisch. An diesem Sonntagmittag wird hier allerdings nicht gearbeitet. Neben ihm haben Robert Holzheimer und Manfred Bühner Platz genommen. Die drei Männer aus Schmalwasser erzählen Geschichten von früher - vom Leben, von den Streichen und von kauzigen Menschen.

Die Idee zu diesem Treffen hatte Günthers Sohn Benny Holzheimer. Er ist Vorsitzender des Heimatvereines Schmalwasser und auch deshalb am Sammeln und Bewahren alter Geschichten interessiert.

Die Frauen trafen sich in der Spinnstube und die Männer in der Werkstatt

Früher gab es für die Frauen in den Dörfern die sogenannte "Spinnstube", ein Ort, an dem sie sich im Winterhalbjahr trafen, Neuigkeiten austauschten, feierten und dabei Handarbeiten machten.

Die Männer von Schmalwasser trafen sich in der Werkstatt, schon bei Bennys Großvater Theo, später bei seinem Vater. Das war das Gegenstück zur Spinnstube. Für manche war die Werkstatt auch ein Rückzugsort, um eine Auszeit vom harten Alltag zu nehmen. In der warmen Stube gab es immer einen Platz für Besucher.

Der Holzofen spendet auch an diesem Sonntag behagliche Wärme. Die Geschichten, die Robert, Günther und Manfred zum Besten geben, werden mit einer Kamera aufgezeichnet. In zwei Jahren feiert der Heimatverein sein 20-jähriges Bestehen und Benny möchte dann die Videos zeigen und so ein Stück Geschichte dokumentieren.

Der damalige Lehrer war auch Kantor und konnte "Geiche gschbiel"

Zu erzählen gibt es viel, beispielsweise von den ersten Rhöner Wölfen. Der damalige Schullehrer war auch Kantor, berichtet Robert Holzheimer. "Er konnt´ Geiche (Geige) gschbiel – wunderboor! Obbr schulisch wor er ned so"! Jener Lehrer blickte einst im Winter aus dem Schulfenster in Richtung Sandberg, dort oben standen vier Wölfe im Schnee. "Der Kantor kam aus Ostpreußen, der kannt´ sich aus!" Ein anderer, "der Waschke, der kam aus Polen und musst´ sich die Spuren anguck´ – eindeutig Wölf´!" Später kam die Meldung, dass in Wildflecken vier Wolfshunde ausgerissen waren.

Ein anderes Unikum war der Forstmeister Hartmann, ´s Hartmännle genannt, der immer sein Gewehr bei sich trug. Er zeigte einst ein paar Leuten eine Stelle, wo er zwei Wilderer erschossen hätte. Ein anderer fügte an, "der eine schafft jetzt in Frankfurt als Maurer"!

Manfred Bühner erinnert sich lachend an den "Waldbaricher Wagner", der immer mit Anzug und Zylinder zur Arbeit bei den Bauern erschien, sich von einem, den er vorher ausgeguckt hatte, Schnupftabak reichen ließ und sich bei seiner letzten Ölung beschwerte, dass ihm jemand Wasser ins Gesicht spritzte und einfach wieder aufstand.

Warum es sich nicht lohnt, in der Wirtschaft den Rucksack abzulegen

Da gab es den Albin, der mitten im Winter seine Sense dengelte und den Schuster, der in der Wirtschaft seinen Rucksack nicht ablegte, weil sich das für "die boor Stunn, die ich do bin, gar ned lohnt". Der Pfarrer hatte für allerlei Streiche herzuhalten und auch "die Sänner musste sehr viel einsteck`, wenn sie mol nach Schmalwasser komme senn", bemerkt Robert, bedeutungsschwer mit dem Kopf nickend.

Die drei Männer erinnern sich an die Gertrud, die sich auf der Straße mehrmals nach einem Geldbeutel bückte, bevor sie merkte, dass er an einer Schnur wegzogen wurde oder an "den Schorsch und sei Schwester, die Doris mit die lange Zöpf".

Dann war da noch die Sache mit dem Funkkabel, aus dem einer die letzten beiden Funksprüche rausschütteln wollte. Über diese und andere alten Geschichten lachten sie und ihre Zuhörer in der kleinen Werkstatt Tränen.

"Gaits noch wos vo die Werkstatt", fragte Günther Holzheimer. "Vieles", meinte Robert und erinnerte an "des Öschicher Büeble", das bei Günther auch Einweisung ins Schnitzen bekam. Er hatte sich mit einem Schnitzeisen in die Brust gestochen und behauptete, sich am Türgriff gestoßen zu haben, weil er sich schämte. Oder der Hubert, der nicht nach Hause gehen wollte. Robert zog ihn auf, "wenn de um sechs Uhr ned hemm gehst, hole dich die Glocke! Beim Sechs-Uhr-Läuten "is dar üm sei Laawe gerennt"!

Als Günther die Hintergründe der Geschichte vom Göcker erzählt, der durch einen Streich starb, meint Robert verblüfft, "also, dos wosst ich jetzt a no ned."

Dialekt in den Walddörfern: Der Mistkäfer hieß Kühdrecksfrääle

Manfred Bühner hatte viele interessanten Dialektworte der Walddörfer dabei. Der Mistkäfer hieß Kühdrecksfrääle, die Schmalwasserer Kleinkinder gingen in die "Anstalt" und in Waldberg hieß der Pfarrer Batherrle.

Als die Kamera aus war, sprudelten die Geschichten weiter und vielleicht wird Benny diese Werkstattgespräche wiederholen und noch einige Erzählungen im Film festhalten. Vater Günther ist davon begeistert und wird gerne wieder dabei sein: "Früher schrieb man eine Chronik, heute macht man das so."

 
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