Bislang kamen die Erlöse aus den Benefizkonzerten von Janette Fraas, Andreas Werner, Urs John und Frank Stäblein immer Kindern zugute. Der Auftritt am vergangenen Wochenende im „Kloster Wechterswinkel“ war diesmal allerdings der Palliativstation in Bad Neustadt gewidmet.
Und an die 200 Besucher waren gerne der Einladung gefolgt und sorgten damit für einen bis auf den letzten Platz besetzen Festsaal im Kreiskulturzentrum. Auch bei ihrem zweiten Gastspiel im Besengau begeisterten die vier vom Quartett „text + ton“ das Publikum mit einer faszinierenden Synthese von Gedichten, Kurzgeschichten und Erzählungen auf der einen und einer musikalischen Klangmalerei und Interpretation auf der anderen Seite. Am Ende gab es folgerichtig stehenden Ovationen für diese außergewöhnliche Formation und ihre Darbietungen sowie strahlende Gesichter bei Publikum, Künstlern. und natürlich auch bei Ute Hiby mit ihrem Palliativ-Team, die sich über ein mit vielen Scheinen gefülltes Spendenkörbchen freuen konnten.
Wenn Janette Fraas und Andreas Werner allein oder gemeinsam Texte vortragen, dann werden die nicht einfach rezitiert, sondern eigentlich zelebriert. Jedes Wort, jeder Satz erhält die ihm eigene Prägung, wird je nach seiner Bedeutung und Gewichtigkeit laut oder leise, schnell oder langsam, pointiert zu Gehör gebracht, wobei Urs John am Flügel und Frank Stäblein (Percussion) mit den Klängen ihrer Instrumente den Worten zusätzliche Kraft geben. So ist es beim „Bundeslied der Galgenbrüder“, einem Auszug aus den „Galgenliedern“, dem wohl berühmtesten Werk des Dichters Christian Morgenstern oder auch beim „Erlkönig“, der berühmten Goetheschen Urballade, die viele Besucher so noch nie gehört hatten.
Nach diesem temperamentvollen und impulsiven Start, ließen es „text + ton“ mit einem „Tauchausflug“ etwas ruhiger angehen. Während Janette Fraas das englische Original des US-Malers und Lyrikers Edward Estlin Cummings vortrug, übersetzte Andreas Werner das Gedicht „Wir tauchen nach Träumen“ ins Deutsche. Mit kleinen Worten, wie „Tanz deinen Tod“ oder „Gott mag Mädchen und den Morgen und die Erde“ hat Cummings dabei große Bilder entworfen.
Nicht minder eindrucksvoll Heinrich Heines „Belsazar“, als Urs John und Frank Stäblein Atmosphäre und Dramatik am babylonischen Hof mit Glockenspiel und Klavier darstellen. Schmunzelnd verfolgt das Publikum die verzweifelte Suche des Glockentons „Bam“ nach seiner geliebten „Bim“, die allerdings selbst eher dem „Bum“ zugetan ist (Christian Morgenstern).
Nach Joseph von Eichendorffs „Zwielicht“ zählte der Auftritt von Andreas Werner, Urs John und Frank Stäblein als singendes Trio sicherlich zu den Höhepunkten des Abends. Der von Janette Fraas und dem „Dreamteam goes to Rilke“ angekündigte „traumhafte Rilke-Pop“ zieht wohl nicht zuletzt wegen des harmonischen Gesangs der drei Männer alle Blicke und Ohren auf sich. Ein mitreißendes, sehr gefühlvolles Stück, das mit brausendem Applaus belohnt wurde und am Ende noch einmal als Zugabe zu hören war.
Düster beginnt der zweite Teil des Benefizkonzertes nach der Pause. Als Janette Fraas von der „Maske des roten Todes“ des englischen Gruselmeisters Edgar Allan Poe erzählt, ist es mucksmäuschenstill im Festsaal. „Der rote Tod schwingt das Zepter im Lustschloss des Prinzen Prospero“ und sorgt damit für lähmendes Entsetzen nicht nur bei den Figuren der Geschichte. Nach diesem Ausflug ins Gruselkabinett tut es richtig gut, Komik und Wortwitz in geballter Form beim „Ehefrauen-Trost-Gedicht“ über das lästige Schnarchen des Partners zu erleben, wobei sich Andreas Werner als Rezitator und Frank Stäblein als Schnarcher wunderbar ergänzen. Mehr zum Nachdenken und Meditieren regen dagegen die folgenden Stücke, wie „Vereinsamt“ von Friedrich Nietzsche („So klingt Einsamkeit“) oder auch Paul Celans „Todesfuge“ an, wobei letzteres eines der wichtigsten Gedichte ist, das an die Opfer des Holocaust erinnert – eine einzige Anklage gegen Unrecht und Nationalsozialismus.