Eine Senftube steht neben dem Süßstoff auf der schmalen Arbeitsplatte von Norberts Imbiss neben dem Clean Park im Industriegebiet von Bad Neustadt. Ölflaschen sind im Fach unter den Fritteusen griffbereit, Pfannen liegen auf der Abzugshaube. Pommes-Salz und andere Gewürze reihen sich in Streuern auf dem Regal daneben aneinander. Sie scheinen darauf zu warten, dass Inhaber Norbert Balling nach ihnen greift, um damit Pommes und Co. den letzten Schliff zu verleihen.
Wer einen Blick in die Küche des Imbiss wirft, könnte meinen, dass "der Norbert", wie ihn seine Gäste nennen, gleich in Richtung eines Kunden oder einer Kundin ruft: "Hier, deine Bratwurst ist fertig. Und da hast du dein Bier." Doch das wird er nicht, denn sein Imbiss ist geschlossen. "Wegen Krankheit", wie ein Schild an der gelb-blau gestrichenen Holzbude mit der überdimensionalen Bratwurst auf dem Dach verkündet.
Das Lokal verfügt über jeweils 16 Sitzplätze außen und innen. Im holzgetäfelten Gastraum hängen Schilder mit markigen Sprüchen wie "Hier kocht der Chef – vor Wut". Eine Durchreiche zur Küche dient als Geschirr-Rückgabe, Vorhänge ergänzen die rustikale Atmosphäre.
Wenn der Ape-Kastenwagen vor dem Imbiss steht, ist Norbert Balling da
Immer wieder hätten in den vergangenen Monaten Stammkunden angerufen, so Norbert Balling: "Wann machst du endlich wieder auf, Norbert?". Denn es gilt die "Grundregel": Wenn Norbert Ballings roter, dreirädriger Ape-Kastenwagen, auf dem eine Tafel auch stets das Tagesgericht verkündete, vor dem Imbiss parkt, dann ist er da.
Minutensteak, Schaschlik, Gulasch oder Linsensuppe: Was es zusätzlich zu Bratwurst, Schnitzel oder Currywurst als Tagesgericht gab, wussten die Stammkunden aber ohnehin im Voraus. Immer montags verteilte Norbert Balling seinen Wochenplan in den umliegenden Firmen, später lief das über WhatsApp.
Vom Kfz-Mechaniker zum Imbiss-Chef in Bad Neustadt
Doch zuletzt parkte vor dem Imbiss keine Ape mehr und Wochenpläne landeten auch nicht mehr bei den Stammkunden. "Eigentlich wollte ich weiter machen, bis sie mich mit den Füßen voran raustragen", sagt Norbert Balling im Gespräch mit dieser Redaktion. Seine Gesundheit habe dies aber unmöglich gemacht. "Es tut mir wirklich leid, aber es geht nicht mehr. Mal eine Stunde etwas schaffen, dann ist es schon aus, mir fehlt einfach die Kraft", erzählt der 63-Jährige.
Norbert Ballings Herz hängt an seinem Imbiss, die Schließung tue ihm weh. Während er das sagt, schimmern Tränen in seinen Augen, er ist sichtlich bewegt. Dabei war es alles andere als vorgezeichnet, dass der Brendlorenzer einmal Imbissbuden-Betreiber wird. "Eigentlich bin ich Kfz-Mechaniker. Aber das ging wegen Rückenschmerzen nicht mehr. Ich kannte den damaligen Betreiber des Imbiss, Bernhard Bischof, gut und er bot mir an, das Lokal zu übernehmen", erinnert sich Balling.
Viele Handweker und "Siemensianer" besuchten Norberts Imbiss
Weil er schon immer gern kochte, öffnete er nach einem Existenzgründerseminar am 3. Juli 2003 als Bischofs Nachfolger "Norberts Imbiss". Viel Herzblut steckte Norbert Balling in sein Lokal, baute Toiletten an und den Lagerraum. Der Imbiss hat sich mit den Jahren zu einer Institution in Bad Neustadt entwickelt.
Rund 30 Würstchen und andere Grillgerichte sowie 20 bis 25 Tagesessen servierte Balling täglich. Viele Mitarbeitende umliegender Firmen wie Siemens, BSH oder der Autowerkstätten verbrachten bei ihm ihre Mittagspause, nahmen sich Essen mit an ihren Arbeitsplatz oder tranken nach Schichtende noch ein Bier.
Warum Norbert Balling einst Nudeln mit Bratwurst servierte
Eine Uhr auf einem der Tische zeugt von der Verbundenheit des Imbiss mit den "Siemensianern": "Mittagsstammtisch Blowe Kittelich" ist darauf zu lesen, daneben hockt ein Männchen mit eben diesem "Blowe Kittel". Visitenkarten diverser Handwerker – ebenfalls Kunden "beim Norbert" – hängen neben der Tür, "falls ich selbst oder ein Kunde mal einen Handwerker brauchte, fand sich hier immer jemand", so Balling.
"Es war wirklich eine schöne Zeit", meint Norbert Balling. Gerne denkt er zurück an besondere Erlebnisse mit seinen Gästen. Oder daran, wie er regelmäßig Kühlschrank, Edelstahlteile und anderes aus der Küche räumte und im Clean Park "abdampfte".
Aber auch Pannen gab es hin und wieder. "Einmal ist mir, kurz bevor ich öffnen wollte, die Hackfleischsoße heruntergefallen. Die Nudeln waren schon fertig, die gab es dann halt zur Bratwurst", erzählt Balling. Auf seinem Gesicht blitzt ein Lächeln auf.
Norbert Balling hofft, dass sich ein Nachpächter für seinen Imbiss findet. Wichtig ist dem Brendlorenzener, dass ein neuer Betreiber seine Imbiss-Gebäude nicht einreißt, um nur das Grundstück zu nutzen.
Dann werden vielleicht auch bald wieder der Senf, der Süßstoff, die Pfannen und die Gewürzstreuer Verwendung finden, um Pommes und Co. den letzten Schliff zu verleihen.